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Gehen Kunst und Kommerz zusammen?

Kunst hat sich in den vergangenen Jahren als Anlageklasse immer mehr in den Vordergrund gespielt. Die Renditen bei vielen Kunstwerken sind gut – doch interessieren sich die Investoren überhaupt für die Schönheit?
Auktion von Gustav Klimt Bildern in Wien
Foto: Christian Bruna (AP) | Mit 30 Millionen Euro beinahe ein Schnäppchen: Ende April wurde in Wien Gustav Klimts lange verschollenes Gemälde „Porträt des Fräulein Lieser“ bei einer Auktion versteigert.

Die Berichte über schwindelerregende Summen auf dem Kunstmarkt mehren sich. Liest oder hört man in den Medien von internationalen Kunstauktionen, sind es häufig gar nicht die Werke an sich, die im Fokus stehen. Sondern die Preise, die damit erzielt werden. Diese können ohne Weiteres für berühmte Werke großer Künstler dreistellige Millionenbeträge sein. Vincent van Gogh, Edvard Munch, Paul Cézanne, Francis Bacon, Amadeo Modigliani, Pablo Picasso, Paul Gauguin und nicht zuletzt Andy Warhol oder auch Leonardo da Vinci erzielen solche Preise ohne Schwierigkeiten. Apropos Leonardo da Vinci: Sein „Salvator Mundi“ hat 2017 bei einer Auktion in New York mehr als 450 Millionen US-Dollar eingebracht und ist seitdem das Kunstwerk mit dem höchsten Auktionserlös aller Zeiten. Und ein etwas skurriles Beispiel: Für das Street-Art-Werk „Girl with Balloon“ („Love is in the bin“) des bekannten Künstlers Banksy ging 2021 für 18,5 Millionen Pfund an einen Sammler - obgleich der Künstler selbst es bereits 2018 auf einer Auktion geschreddert hatte und es trotzdem noch für 1,1 Millionen Pfund verkauft wurde.

Kunstwerke als Renditegarant

Aber woher rührt diese Entwicklung, solche Unsummen für Kunst auszugeben? Das hängt vor allem mit dem wachsenden Reichtum auf der ganzen Welt zusammen. Nach Zählung des Forbes-Magazins gab es im Jahr 2024 weltweit 2 781 Menschen mit einem Vermögen von mindestens einer Milliarde US-Dollar. Das waren 141 Milliardäre mehr als noch im Vorjahr und so viele US-Dollar-Milliardäre wie nie zuvor. Gleichzeitig erreichte das Gesamtvermögen der Milliardäre mit mehr als 14 Billionen US-Dollar einen neuen Rekordwert. Dazu passt eine Beobachtung der internationalen Beratungsgesellschaft Deloitte im „Art & Finance Report 2023“: Das Gesamtvermögen von Ultra-High-Net-Worth-Individuals, besonders vermögenden Privatpersonen, im Bereich Kunst und Sammlungen wird auf über 2,2 Billionen US-Dollar geschätzt. Prognosen deuten darauf hin, dass diese Zahl bis 2026 auf 2,861 Billionen US-Dollar ansteigen wird. Der Kunstmarkt hat zuletzt laut „Art Market Report“ von Clare McAndrew für die Art Basel und die Bank UBS 65 Milliarden US-Dollar umgesetzt.

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Von diesen Sammlern wird Kunst als alternative Anlageklasse angesehen – und gerade in den vergangenen zwölf Jahren hat sich die Kunst fest als Investmentform verankert. Wilfried Krammer, Partner bei Deloitte Österreich, sagt: „Dabei rückt der Investmentgedanke weiter in den Vordergrund: Erstmals gilt bei Kunstsammlerinnen und -sammlern der finanzielle Mehrwert als Hauptmotivationsgrund für den Ankauf von Kunst. Es stellt sich heute nicht mehr die Frage, ob, sondern wie man Kunst in ein diversifiziertes Portfolio integriert.“

Dass sich das lohnt, zeigen Zahlen von arttrade. Demnach haben die Top 100 des Kunstmarktes – die sogenannten Blue Chip-Künstler – seit dem Jahr 2000 eine durchschnittliche Rendite von 8,9 Prozent pro Jahr erzielt. Damit outperformt Kunst sogar Aktienindizes wie den deutschen Leitindex Dax (durchschnittlich 3,1 Prozent) und den S&P 500 (durchschnittlich 4,2 Prozent) seit mehr als zwei Jahrzehnten konstant und signifikant. Ebenso sei Kunst krisenresistent: „Historisch gesehen hat der Kunstmarkt sich immer wieder als Fels in der Brandung erwiesen. Während der Pandemie 2020 etwa wurde am globalen Kunstmarkt eine durchschnittliche Rendite von 5,5 Prozent erzielt, während andere Assetklassen wie Immobilien, Private Equity und Commodities tief ins Minus drehten.“ Zudem weist arttrade darauf hin, dass Kunst kaum mit Aktien oder Anleihen korreliere und daher als Beimischung das Risiko und die Volatilität eines Anlageportfolios deutlich verringern könne. Ebenso sei Kunst ein sinnvoller Wertspeicher und ein sicherer Hafen in Zeiten hoher Inflation. Denn auch wenn die Kaufkraft einer Währung sinke, behalte Kunst als physisches und währungsunabhängiges Gut ihren Wert.

Der Kunstmarkt birgt auch Gefahren

Dr. Maximilian Werkmüller, Professor für Family Office Management an der Allensbach Hochschule in Konstanz, betont dabei, dass Kunst nicht einfach irgendeine zusätzliche Anlageklasse sei. Vielmehr sollte dafür eine bewusste Entscheidung getroffen werden. „Kunst als Investment eignet sich vor allem für Personen, die ein tiefes Interesse und Verständnis für Kunst haben und bereit sind, sich intensiv mit dem Kunstmarkt auseinanderzusetzen. Es ist eine Anlageform, die besonders für langfristig orientierte Investoren geeignet ist, da Kunstwerke oft erst über viele Jahre hinweg signifikant im Wert steigen. Darüber hinaus sollten potenzielle Investoren über ein bereits diversifiziertes Portfolio verfügen und Kunst als eine Ergänzung zu ihrer Gesamtanlagestrategie betrachten, nicht als Ersatz für traditionellere Anlagen.“

Die Frage, wie viel Geld man in Kunst investieren sollte, hängt von der individuellen finanziellen Situation, den Zielen und der Risikotoleranz des Anlegers ab. Als Faustregel gilt, dass Kunstinvestitionen nur einen kleinen Teil des Gesamtportfolios ausmachen sollten, oft empfohlen seien laut dem Family-Office-Experten fünf bis zehn Prozent. Diese Begrenzung helfe, das Risiko zu diversifizieren und gleichzeitig das Potenzial für eine Wertsteigerung zu nutzen. Investitionen in Kunst sollten zudem immer nur mit frei verfügbarem Kapital getätigt werden, dessen Verlust man im schlimmsten Fall verkraften könne.

Ein häufiger Fehler bei der Investition in Kunst ist der Mangel an Fachwissen. „Ohne ausreichende Kenntnisse über den Kunstmarkt und die Werke bestimmter Künstler ist es schwierig, die Qualität und das Wertsteigerungspotenzial eines Kunstwerks zu beurteilen. Weitere Fehler können eine zu kurzfristige Anlageperspektive, der Kauf von Kunstwerken unbekannter Künstler ohne etablierten Markt und die Vernachlässigung von Provenienz, Zustand und Echtheit des Kunstwerks sein. Ebenso kann die Nichtberücksichtigung von Verkaufs-, Lager- und Versicherungskosten die Rentabilität der Investition erheblich beeinträchtigen“, betont Maximilian Werkmüller.

Auch am Kunstmarkt geht der technologische Wandel nicht spurlos vorbei. „Technologie wird die Art und Weise, wie wir Kunstobjekte als Vermögenswerte nutzen, sammeln, monetarisieren und schützen entscheidend verändern“, sagt Deloitte-Partner Wilfried Krammer. Vor allem die NFTs, Non-Fungible Tokens, stehen im Fokus: Diese sind ein digitales Zertifikat, das auf einer Blockchain gespeichert ist. Dieses Zertifikat weist das Eigentum und die Echtheit eines einzigartigen digitalen Objekts, in der Regel ein Kunstwerk, auf. NFTs sind einzigartig und nicht austauschbar, was sie ideal für die Verifizierung und den Handel mit digitalen Sammlerstücken und Kunstwerken machen soll. Durch die Nutzung der Blockchain-Technologie bietet das NFT-System eine transparente und manipulationssichere Nachverfolgung der Besitzverhältnisse und der Historie eines digitalen Objekts. NFTs waren ein echter Hype, zwischenzeitlich wurden für diese digitalen Kunstwerke, die häufig an stark verpixelte Ausschnitte aus 90er-Jahre-Videospiele erinnern, Millionen US-Dollar gezahlt. Das Problem: Von dem Hype ist nichts geblieben, die meisten NFTs haben nur noch ideellen Wert. Der Nachrichtensender ntv berichtet über eine Untersuchung des Unternehmen Dappgambl, das auf Wetten auf Kryptowährungen spezialisiert ist. Demnach haben mehr als 95 Prozent der rund 73 000 untersuchten NFT-Kunstsammlungen einen Wert von null.

Kunst ist mehr als ein Spekulationsobjekt

Für Maximilian Werkmüller bedeutet das: „Kunst als Investment kann für den informierten und leidenschaftlichen Anleger eine bereichernde Ergänzung zum Portfolio darstellen. Eine fundierte Entscheidungsfindung, basierend auf gründlicher Recherche und gegebenenfalls der Konsultation von Experten, ist entscheidend, um die Freuden und potenziellen Gewinne dieser einzigartigen Anlageform zu maximieren. Eine reine Trendfolge ist immer eine schlechte Idee.“

Fazit: Kunst und Kommerz können sehr wohl zusammengehen – meist jedoch auf Kosten des eigentlichen Sinns und Zwecks der Kunst, nämlich des absichtslosen ästhetischen Vergnügens. Und mit Blick auf den bereits abgeflauten NFT-Trend auch auf Kosten des eigenen Vermögens.

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