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Von Picasso bis Mirò: Jeder Strich ein Feuerwerk

Das Passauer Bildungshaus auf Maria Hilf überrascht: Denn dort befinden sich zahlreiche berühmte Maler unter einem Dach.
Picassos „Der Stier“
Foto: GiudicianniBiffi_Mezzago_MB Ital | Picassos „Le taureau“ (Der Stier) von 1948.

Hochkarätige Kunstwerke zu präsentieren, ein Netzwerk inspirierender Kontakte zu knüpfen, Menschen zusammenzubringen und ihnen Räume zum Staunen, Schauen und Hören zu eröffnen ist die Kernbegabung von Monsignore Bernhard Kirchgessner. Der Künstlerseelsorger und Leiter des Bildungshauses auf Maria Hilf in Passau ist mit dem Herzen bei der Sache, und genau dieses innere Feuer ist die Energiequelle für den lebendigen Puls der Zeit, den man in den Räumen des Exerzitien- und Bildungshauses immer wieder neu wahrnehmen kann.

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Dass die Künstlerseelsorge in diesem Jahr ihren zwanzigsten Geburtstag feiert, scheint unglaublich, denn ungeachtet der ruhigen Atmosphäre vergeht die Zeit auf Maria Hilf wie im Flug. Allein beim Gang vom Zimmer zum Ausstellungsraum gibt es so viel zu entdecken, dass Langeweile zu einem lang vergessenen Fremdwort wird. Kunst ist für Kirchgessner kein Sonderfall, für den man eine eigene Ecke finden muss. Kunst ist vielfältig wie das Leben selbst, steht mitten in demselben und deshalb ist sie da, wo der Seelsorger und Kunstkenner ihre Ausstellung verantwortet vom Treppenhaus bis zur Kapelle auch überall zu sehen.

Eine Brenn- und Wendepunktfunktion

Dies gilt ganz besonders für die großartige Sonderausstellung „Von Cézanne bis Picasso, von Kandinsky bis Mirò“, mit der Kirchgessner das Jubiläum der Künstlerseelsorge wie mit einem Meilenstein markiert. Sein Grundgedanke dabei ist es, die Kunstgeschichte des letzten Jahrhunderts anhand von Drucktechniken zu verfolgen, deren Technik für die Künstler der Zeit ein interessantes Experimentierfeld für den im Wortsinn eigenständigen Ausdruck ihrer Kreativität bildete. Welchen Stellenwert dieser Ansatz in der Kunstgeschichte hat, zeigt ein Blick auf die großen Museen der Welt, die diesem Aspekt viel Raum geben. So verfügt das Moma in New York beispielsweise über eine eigene Abteilung für Drucke mit Zehntausenden von Werken. Die druckgrafische Arbeit wirkt sich wie jede Vorentscheidung im Hinblick auf Technik und Material auf das künstlerische Ergebnis aus und führte in der Kunstgeschichte nicht selten zur Reflexion über den je eigenen Stil.

Diese Brenn- und Wendepunktfunktion wird auch in der Ausstellung von Werken bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts deutlich, deren gewagteste technische Experimente und wichtigste stilistische Übergänge auf den Blättern zu sehen sind. Dass man die Druckgrafiker ungeachtet ihres ganz anderen Mediums Peintres-graveures nannte, hat genau mit diesem Spannungsfeld zu tun. Denn Maler wie Rossi, Matisse, Pechstein, Giacometti, Hartung, Dubuffet, Burri oder Fontana wendeten die Druckgrafik mit derselben Mentalität an, die ihren Umgang mit Pinsel, Palette und Ölfarben prägte. Deshalb wirken die monochromen Bilder auch wie ein Feuerwerk der Farben, auch wenn nur wenig aktuelle Farbgebung in ihnen enthalten ist. Der Grund für die innere Vielfarbigkeit der Drucke ist die Intensität der Empfindungen, die die Künstler in der Auseinandersetzung mit der Technik auf Druckplatten und Papier bannten und die sich dem Betrachter auch dann erschließt, wenn sie eigentlich nicht offensichtlich ist.

Dem kunstsinnigen Priester geht es um die feinen Linien

Natürlich gehört auch die Zusammenarbeit mit dem Drucker zur Geschichte der Bilder, die in der Sonderausstellung auf Maria Hilf zu sehen sind. Denn ein Künstler kann noch so gute Ideen haben – wenn die Mittel zu ihrer Umsetzung fehlen, wird die Entstehung des Kunstwerkes scheitern. Dass es dabei um echte Beziehungsgeschichten geht, in denen bei der menschlichen und künstlerischen Kommunikation zwischen Malern und Druckern der entscheidende Funke übersprang, wird in Geschichten wie der von Picasso und Mourlot deutlich.

Der Drucker, in dessen Werkstatt Picassos Drucke das Licht der Welt erblickten, wurde für den Maler so wichtig, dass die beiden sogar ihre Urlaube gemeinsam verbrachten. Tatsächlich entstand die Mehrzahl der Drucke in fachlich dafür prädestinierten Werkstätten und nicht im heimischen Maleratelier, das für diesen Zweck technisch hochgerüstet worden war. Dass Kunst und Technik auf diese Weise ins Gespräch kamen, ist bezeichnend für den weltzugewandten Impetus der Kunst und für deren Kernaufgabe, das Neue in seinem kreativen Potential zu erkennen und sichtbar zu machen. Dabei müssen die verschiedenen Welten zusammenkommen, denn nur so kann die wegweisende Kommunion entstehen, die auch den Zuschauer in die vom Künstler vorausgesehenen neuen Welten mitnimmt.

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Dass Kirchgessner in Passau gerade auf Drucke setzte, um das 20-jährige Bestehen der Künstlerseelsorge zu begehen, ergibt Sinn, denn dem kunstsinnigen Priester geht es um genau die feinen Linien, welche die Grafiken so unvergleichlich zart wiederzugeben vermögen. Dieses sensitive, mit leisen Tönen arbeitende Wirken für die Kunst ist das Markenzeichen Kirchgessners und prägt seine Person ebenso wie das Haus, das er so warmherzig und umsichtig leitet. Der Besuch auf Maria Hilf lohnt sich jenseits der sehenswerten Jubiläumsausstellung darum immer wieder neu.

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