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Ein Land zwischen Hilfsbereitschaft und Kriegsangst

Die polnische Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen aus der Ukraine beeindruckt. Aber wie lange kann der Westen sich noch die stellvertretende Opferung einer europäischen Nation anschauen? Eindrücke aus Polen.
Ukraine-Flüchtlinge in Polen
Foto: IMAGO/Jakub Porzycki (www.imago-images.de) | Die erschöpften Gesichter der Ankommenden aus der Ukraine erinnern einen daran, dass man trotz Anspannung und Sorgen die vergangenen Tage relativ komfortabel verbracht hat - im Unterschied zu ihnen.

Abends beim Betrachten der polnischen Nachrichten angewandte europäische Schizophrenie: Auf der linken Bildschirmhälfte spricht Präsident Duda und beruhigt die polnischen Zuschauer, dass Polen als Natomitglied in Sicherheit sei. Auf der rechten werden zerstörte ukrainische Städte gezeigt, russischer Bombenterror. Bilder, an die man sich nicht gewöhnen darf.

Der sichere Startschuss zum Dritten Weltkrieg?

Doch wie lange kann sich der Westen noch die stellvertretende Opferung einer europäischen Nation anschauen und sich mit humanitärem Engagement trösten? Andererseits: Wäre die Nato-Präsenz in der Ukraine, wie sie dem ukrainischen Helden-Präsidenten Selenskyj vorschwebt, nicht der sichere Startschuss zum Dritten Weltkrieg?

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Am nächsten Tag suche ich den Warschauer Ost-Bahnhof auf, um zu sehen, wie Flüchtlinge empfangen werden. Bisher habe ich nur Medienfotos aus Südpolen gesehen, wo ich mir vor zwei Monaten fast eine Datsche gekauft hätte. Die Nähe zur Grenze, ein altes Gesetz von General Pilsudski, dass Ausländer nur über 100 Kilometer von der Grenze entfernt Eigentum haben dürfen, zerschlug den Deal im letzten Augenblick. Nun spreche ich mit freiwilligen polnischen Helfern, einem Studenten und einer Psychotherapeutin, die sich neben vielen anderen Ehrenamtlichen um die Anreisenden kümmern.

Als wäre die militärische Brutalität nicht diabolisch genug

Die polnische Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft, die 2015 von deutscher Seite vermisst wurden, beeindrucken. Eine junge Frau aus Lemberg, die selbst erst vor wenigen Tagen geflüchtet ist, gibt Tipps und Servicehilfe beim Telefonieren. Auch "Caritas Polska" ist vor Ort. Eine gute Gelegenheit, das ramponierte Image der Kirche ein wenig aufzubessern. Man sieht Busse, gefüllt mit Getränken und Speisen. Die erschöpften Gesichter der Ukrainerinnen erinnern einen daran, dass man trotz Anspannung und Sorgen die vergangenen Tage relativ komfortabel verbracht hat - im Unterschied zu ihnen. Eine junge Frau weint und wird von einer Helferin behutsam in einen abgelegenen Teil des Bahnhofs gebracht. Längst ist es kein Geheimnis, dass russische Soldaten in den eroberten Städten und Dörfern ukrainische Frauen vergewaltigen - als wäre die militärische Brutalität nicht diabolisch genug. 

In den polnischen Supermärkten ist auch am Nachmittag viel los. Manche Lebensmittel sind ausverkauft. Speisen mit langer Haltbarkeit finden mehr Absatz als sonst. Dazu natürlich Toilettenpapier etc. Immerhin kann ich am Automaten am Eingang Geld abheben. 

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