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Martin Luther: Zu Recht exkommuniziert?

500 Jahre nachdem Martin Luther von Papst Leo X. mit der Exkommunikation belegt wurde, bleibt die Diskussion, ob diese Maßnahme rechtens war. Josef Otter geht der Frage kirchenrechtlich nach. 
Martin Luther Denkmal Anger Erfurt
Foto: Adobe Stock | Vor 500 Jahren wurde Martin Luther von Papst Leo X. exkommuniziert. Zu Recht?

Im Januar dieses Jahres war ein Jubiläum besonderer Art zu begehen: Vor 500 Jahren wurde Martin Luther von Papst Leo X. mit der Exkommunikation belegt. Zu feiern gibt es da nichts, wohl aber zu fragen, ob die Maßnahme nach damaligem Recht gerechtfertigt war, und auch, ob man sie heute nicht besser aufheben sollte. Josef Otter, Priester des Erzbistums Vaduz, legt nach seiner beachtlichen theologischen Dissertation eine kirchenrechtliche Arbeit zu beiden Themen vor, die sich ungemein aktuell liest.

Sorgfältig wird zunächst die Ereignisgeschichte jener Jahre referiert, unter Würdigung dessen, was das damalige Kirchenrecht, das noch kein Gesetzbuch kannte, sondern sich aus einer Vielzahl von Quellen zusammensetzte, vorsah. Otter erinnert daran, dass Luther bei seiner Promotion 1512 verschiedene Treueide gegenüber der Kirche ablegte, aber auch daran, dass er schon kurze Zeit später mit seiner Ablehnung der Scholastik zur zentralen Figur der Opposition in Wittenberg wurde. Eigentlicher Auslöser der „Causa Lutheri“ und allem, was daraus folgte, war aber die Haltung des Augustiners zur Ablasslehre.

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Gegen das Papsttum

Die bekannte Reise Luthers nach Rom im Winter 1511/12 hatte entgegen der Annahme keine Affekte gegen das Papsttum zur Folge. Otter sagt, erst als sich Luther von der Kirche abgewandt hatte, verwertete er angeblich negative Berichte und Eindrücke in Rom als Beweis dafür, dass das Papsttum zu bekämpfen sei. Als 1517 ein Ablass zur Unterstützung des Baus der neuen Peterskirche ausgeschrieben wurde – Autor Otter spricht hier ausdrücklich von einer „pastoral abträglichen Verkündigungspraxis“ – machte Luther mobil.

Mit der Autorität eines deutschen Professors forderte er den zum Generalkommissar für den Ablass bestellten Erzbischof Albrecht von Brandenburg auf, die Ablassinstruktion einzuziehen, sonst werde er die gesamte Ablasstheologie öffentlich widerlegen. Diese Lust Luthers an öffentlicher Disputation wird noch mehrere Male deutlich und vertrug sich schlecht mit der kirchlichen Mahnung, die eigene Haltung aufzugeben. Doch blieb die kirchliche Reaktion milde. Auf Rat der Mainzer Fakultät beantragte Erzbischof Albrecht in Rom ein Verfahren zur Prüfung der von Luther eingesandten 95 Thesen zur Ablassfrage. Die Kurie befasste sich nach der in Rom üblichen Methode mit der Sache und fertigte Gutachten an. Disziplinarmaßnahmen gegen Luther wurden nicht verhängt, nur ein allgemeiner Appell zum Widerruf.

Mönchsgezänk

Auch scheint es, dass die „Luther-Sache“ zunächst nicht recht ernst genommen, sondern als „rixae monachiales“, als Mönchsgezänk, abgetan wurde. Als dem Mönch dann 1518 die Ladung nach Rom mitsamt einer Würdigung seiner Thesen zugestellt wurde, machte er sich in scharfen Worten über die dürftige Theologie Roms lustig – auch dies ein Kontinuum des Konfliktes. Der Deutsche nahm für sich in Anspruch der bessere Theologe zu sein. Zusammen mit Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen, der sein fester Verbündeter war, präsentierte er den Gegenvorschlag einer Gelehrten-Disputation in Deutschland, die über seine Thesen befinden könne.
Hier sollte aber nicht über ein Abweichen Luthers von der Lehre, sondern allein über die Berechtigung seines Ansatzes diskutiert werden, natürlich hatte Luthers Seite auch nur ihm wohl gesonnene Personen vor Augen, die zu nominieren seien.

Dann aber schaltete sich Kaiser Maximilian I. in die Sache ein und schrieb dem Papst einen Beschwerdebrief, der die Kurie nun zu größerer Aktivität nötigte. Der Papst beauftragte den Gelehrten Kardinal Thomas Cajetan mit der weiteren Untersuchung, womit Luther als Gesprächspartner ernst genommen wurde. Letztlich setzten er und Kurfürst Friedrich sich durch, denn Luther erschien niemals in Rom, auch nicht, als der Papst 1519 bereit war, ihn persönlich zu empfangen und auf Augenhöhe mit ihm zu sprechen. Stattdessen kam es im Oktober 1518 zum bekannten Augsburger Streitgespräch zwischen Cajetan und dem Augustiner, der mehrfach beteuerte, er werde nachgeben, wenn man ihm die Unrichtigkeit seines Ansatzes nachweisen könne.

Lehramtliche Frage

Die Kernfrage blieb aber, wer die Autorität habe, dies feststellen zu können. Der Mönch behauptete, er wolle sich dem Papst unterwerfen, wenn dieser die Ablassfrage lehramtlich entscheide. Innerlich begann für ihn aber nach dem letztlich ergebnislosen Augsburger Gespräch der Gang in die Radikalisierung. In einer umfangreichen Schrift, die im Dezember 1518 herauskam, behauptete er, „die päpstlichen Dekretalien verstellten die Hl. Schrift und verträten einen mit dem aus der Schrift belegten Priestertum Christi unvereinbaren Amtsanspruch“. Zu dem den Ablass regelnden Dekret „Unigenitus“ sagte er schlicht: „Reprobo“ – ich lehne es ab.

Ein weiteres Mal bekam Luther seinen Willen, denn Leo X. erlies tatsächlich ein neues Dekret zum Ablass „Cum postquam“, das aber nur die bisherige Haltung der Kirche bekräftigte und die Exkommunikation denen androhte, die sich der definierten Lehre widersetzen. Luther nahm das nicht an und dachte keineswegs daran, zurückzustecken. Vielmehr ging er einen Schritt weiter und sagte, „dass er Lehrentscheidungen des Papstes oder auch eines Konzils nur dann anerkennen wolle, wenn sie seines Erachtens in der der Hl. Schrift, den Kirchenvätern oder der Vernunft begründet sind“.

Nur das eigene Urteil

Es vollzog sich seine Verwandlung in einen Häretiker, wie ihn das Kirchenrecht definiert, denn er unterstellte nun alles seinem eigenen Urteil. Doch dauerte es noch bis zur Verhängung der Exkommunikation, es gab mehrere ergebnislose Vermittlungsversuche, die Kirche gab Luther alle Zeit zu bereuen. Der antwortete darauf immer maßloser, beschuldigte Rom diabolischer Gotteslästerungen, nannte den Papst den Antichristen und „exkommunizierte“ ihn schließlich seinerseits 1520.
Josef Otters lesenswerte Abhandlung, der auch Nicht-Kirchenrechtler ohne weiteres folgen können, kommt zu dem klaren Schluss, dass die Exkommunikation des Augustiners unausweichlich und dem damaligen Recht entsprechend erfolgte. Die Aufhebung dieses Aktes wäre unredlich, denn Luther habe bewusst zu seinem Ausschluss beigetragen und dies zu Lebzeiten auch nicht mehr bereut. Die Pointe für den heutigen Leser: Ähnlichkeiten zu Zielsetzung und Ablauf des Synodalen Weges sind ohne Weiteres zu erkennen.


Josef Otter: Die Exkommunikation Martin Luthers aus rechtshistorischer Perspektive. Kanonistische Reihe, Band 31. EOS Verlag, St. Ottilien, 2021, 176 Seiten, ISBN 9-783-8306-8061-1, EUR 29,95

 

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