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Interview mit Papst Franziskus: Der Synodale Weg solle seinen Brief berücksichtigen 

Papst gibt COPE ein Interview. „Wer wissen möchte, wer Franziskus ist, solle dieses Interview hören“, meinte dazu ein spanischer Vatikanist.
Papst Franziskus im Vatikan
Foto: Andrew Medichini (AP) | Papst Franziskus, hier im Bild auf dem Weg zur wöchentlichen Generalaudienz, hat dem spanischen Radiosender COPE ein Interview gegeben.

Mittwoch früh strahlte der spanische Radiosender COPE ein am Montag mit dem Heiligen Vater in Santa Marta geführtes Interview in voller Länge aus. Carlos Herrera, einer der prominentesten Redakteure des der spanischen Bischofskonferenz gehörenden Senders, befragte etwa siebzig Minuten lang den Papst nach einer Vielzahl von Themen – vom Gesundheitszustand des Heiligen Vaters über die bevorstehende Reise in die Slowakei, die Lage in Afghanistan, die Missbrauchsfälle, das Papstdekret zur „Alten Messe“, den Synodalen Weg in Deutschland, die Kurienreform, das Engagement des Papstes im Umweltschutz, China, die aktive Sterbehilfe, die Einheit und die Zukunft Europas, die Flüchtlingskrise ...

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Ich lebe noch

Auf die Frage, wie es ihm nach der Darmoperation im Juli gehe, antwortete der Heilige Vater mit einem lapidaren „Ich lebe noch“. Franziskus unterstrich, dass ihm ein erfahrener Krankenpfleger aus dem dem Vatikan eigenen Krankenhaus „das Leben gerettet hat“. Er habe ihm gesagt, er müsse sofort operiert werden. „Es war das zweite Mal, dass mir ein Krankenpfleger das Leben gerettet hat. Das erste Mal war 1957 im Seminar, als alle dachten, ich sei an der Grippe erkrankt, und dann im Krankenhaus Wasser aus der Lunge herausgepumpt werden musste.“ Zurzeit müsse sein Gehirn noch verarbeiten, dass er einen 33 cm kürzeren Darm habe, aber es gehe ihm gut. Damit wollte der Papst auch den besonders in Argentinien verbreiteten Gerüchten entgegentreten, er denke über einen Rücktritt nach. „Ich habe davon erst Tage später davon erfahren. Ich habe nie an diese Möglichkeit gedacht.“

Ob er im Rahmen seiner Slowakei-Reise auch mit Ungarns Premier Viktor Orbán zusammentreffen werde, und worüber er mit ihm sprechen wolle, fragte Herrera. Der Heilige Vater: „Ich weiß nicht, ob ich mit ihm unter vier Augen sprechen werde, denn ich reise nicht nach Budapest. Jedenfalls habe ich nie ein ‚Drehbuch’ dabei, wenn ich mit jemand spreche. Ich schaue ihm in die Augen, und sage, was mir in dem Moment in den Sinn kommt. Abgesehen davon halte ich nicht sehr viel von eventuell eintretenden Dingen. Ich bevorzuge das Konkrete.“

Gebet für Afghanistan

Über die Lage in Afghanistan sprach Papst Franziskus von der Rolle des Staatssekretariats: „Ich bin mir sicher, dass es etwas tut.“ Er erinnerte in dem Zusammenhang an das diplomatische Geschick von Kardinal Casaroli in den Verhandlungen mit osteuropäischen Ländern: „Das diplomatische Niveau des Staatssekretariats ist sehr hoch.“ Andererseits sei seine Pflicht als Hirte, die Christen zum Gebet aufzurufen. „Der Papst bittet um mehr Gebet, mehr Buße und um Fasten.“ Dabei erinnerte Franziskus auch an die Worte von Kanzlerin Merkel am 20. August in Moskau, dass Schluss sein müsse mit einer unverantwortlichen Politik des Eingreifens, um von außen eine Demokratie einführen zu wollen, ohne auf die Traditionen der verschiedenen Völker Rücksicht zu nehmen.

Über die Kurienreform sagte der Heilige Vater, er habe lediglich die Grundsätze umsetzen wollen, die von den Kardinälen in den Gesprächen vor dem Konklave aufgestellt worden seien. „Ich habe nichts dazu erfunden. Ich gehorche dem, was damals gesagt wurde. In ‚Evangelii gaudium’ habe ich versucht, diese von den Kardinälen vorgegebenen Grundsätze zusammenzufassen.“ Er habe sich sogar die Sitzungsprotokolle geben lassen. „Ich war zwar dabei, wollte aber sicher gehen, dass ich nichts vergesse.“

Überschreitungen vorbeugen

In Bezug auf „Traditionis custodes“ sprach der Heilige Vater von der Rücksichtnahme Johannes Pauls II. und insbesondere Benedikts XVI., denjenigen, die sich danach sehnten, die Möglichkeit einzuräumen, „nach dem Messbuch Johannes XXIII.“ die Heilige Messe zu feiern. Dreizehn Jahre nach „Summorum pontificum“ (2007) habe er alle Bischöfe der Welt die Lage evaluieren lassen. „Wir haben gemerkt, dass was aus pastoralen Gründen entschieden worden war, langsam zu einer Ideologie wurde.“ Es sei nicht mehr um ältere Priester gegangen, die eine Sehnsucht nach der alten Form gespürt hätten, sondern um jüngere Priester, die manchmal kein Latein können. Daher habe er „deutliche Vorschriften“ erlassen. Mit der Liturgie solle auch eine geistliche Begleitung einhergehen. „Es ging dabei darum, Überschreitungen vorzubeugen.“

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Kein schlechter Wille

Ob der Synodale Weg ihm den Schlaf raube, wollte Carlos Herrera von Papst Franziskus wissen. Als Antwort verwies der Heilige Vater auf seinen Brief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“: „Ich habe einen Monat lang daran gearbeitet, und ihn persönlich auf Spanisch geschrieben, der dann ins Deutsche übersetzt wurde.“ Er habe in den vielen Bischöfen, mit denen er gesprochen habe, „keinen schlechten Willen“ feststellen können. Aber „sie berücksichtigen nicht einige Dinge, die ich in dem Brief anspreche.“

Im Zusammenhang mit aktiver Sterbehilfe sprach Papst Franziskus erneut von der „Kultur der Ausschließung“: Die Alten, die terminal Kranken würden ausgeschlossen, genauso wie die nicht erwünschten Kinder, die „ausgeschlossen werden, ehe sie geboren werden.“ Daraus folge „eines der großen Dramen Europas“, der „demografische Winter“, die Überalterung der Gesellschaft. „Ist es gerecht, ein menschliches Leben auszulöschen, um ein Problem zu lösen? Ist es gerecht, einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen?“ 

Integration ist wichtig

Die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sollen „aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert“ werden. Die Integration sei ganz wichtig, damit Migranten nicht „ein Fremdkörper“ bleiben. Allerdings sollten die verschiedenen Staaten „ehrlich genug“ sein, um zu sagen: „Soweit können wir gehen“ mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Auch der Dialog zwischen den Ländern sei in dem Zusammenhang von Bedeutung, denn „die Migration wird kein einzelnes Land lösen können.“

Für Europa sieht Papst Franziskus nur eine Möglichkeit: Entweder geht die Europäische Union den Weg, den die großen Gründerväter vorgegeben hätten – Franziskus nannte Robert Schuman und Konrad Adenauer – oder sie werde sich auflösen. „Wir müssen alles in unserer Hand Stehende tun, um dieses Erbe zu bewahren.“

Auf die Frage, wie Papst Franziskus in Erinnerung bleiben möchte, antwortete der Heilige Vater genauso lapidar wie auf die Frage nach seinem Gesundheitszustand: „Als ein Sünder, der versucht, Gutes zu tun.“ 

Über diesen Satz hinaus sagt das Interview Vieles über Papst Franziskus aus. So merkte im Anschluss an das Interview Javier Martínez-Brocal von „Rome Reports“ an: Wer in zwanzig Jahren wissen möchte, wer Papst Franziskus war, sollte dieses Interview hören.

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