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Robert Barron: „Josef Pieper ist mir ein ständiger Begleiter gewesen“

Der US-Bischof erhält morgen den Josef-Pieper-Preis. Mit der „Tagespost“ spricht er über die Vorzüge der sozialen Medien, seine Vorbilder und verrät, was er an Pieper besonders schätzt.
Der US-Bischof Robert Barron
Foto: Wikicommons | Schon seit der High School von der Philosophie Josef Piepers fasziniert: der US-Bischof Robert Barron.

Exzellenz, Sie haben ein umfangreiches Medienapostolat in den USA aufgebaut. Hatten Sie dabei Vorbilder?

Ja, ich denke Fulton Sheen, der große amerikanische Erzbischof, der in den 1940er- und 50er-Jahren im Radio und Fernsehen tätig war, ist ein Vorbild. Was mir auffiel: Nachdem Sheen in den 1970er-Jahren verstorben war, war seine Arbeit im Grunde beendet, nach Sheen gab es niemanden mehr, der den Staffelstab im Radio und Fernsehen übernommen hätte. Als ich anfing, gab es noch keine sozialen Medien. Ich habe also ganz auf die klassischen Medien, Radio und Fernsehen, gesetzt. Deshalb würde ich sagen, Sheen war mein Vorbild – und ist es immer noch –, weil er eine breite Popularität mit einer tiefen moralischen und intellektuellen Bildung vereint. Sheen verfügte über eine sehr fundierte Bildung in katholischer Philosophie und Theologie. Und ich hatte einen ähnlichen akademischen Hintergrund. In dieser Hinsicht ist er also in hohem Maße ein Vorbild für mich.

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Könnten Sie ein Beispiel nennen, das zeigt, wie Ihre Medienarbeit heute hilft, Herzen zu bekehren und die Augen für die Botschaft Christi zu öffnen?

"Wir hören jeden Tag von Menschen,
die durch unsere Arbeit tiefer zum Glauben gefunden haben"

Ich weiß, dass wir das mit unserer Arbeit erreichen, denn wir hören jeden Tag von Menschen, die dadurch zum Glauben zurückgefunden haben. Einer der großartigen Aspekte an den sozialen Medien besteht für mich darin, dass man mit ihnen Samen aussäen kann. Ich kommentiere einen Film oder ein Buch – oder ein politisches Thema; ich schreibe ein Buch, einen Artikel, wir produzieren ein längeres Video – und all diese Dinge gehen in die Welt hinaus. Man weiß nie, wo sie landen werden. Sie landen wie Saatkörner. Und manchmal wachsen sie auf unerwartete Weise. Wir hören jeden Tag von Menschen, die durch unsere Arbeit tiefer zum Glauben gefunden haben. Ich denke, es ist die Gnade Gottes, dass wir diese Möglichkeit bekommen haben, die sozialen Medien kreativ zu nutzen.

US-Bischof Robert Barron am Wochenende in Münster
Die „Tagespost" traf den US-Bischof Robert Barron am Wochenende in Münster. Am Sonntag erhält er den Josef-Pieper-Preis.

Lassen Sie uns über Josef Pieper sprechen: Was fasziniert Sie an ihm?

Ich habe Pieper zum ersten Mal gelesen, als ich in der High School war, da war ich vielleicht 16 oder 17 Jahre alt – wahrscheinlich eines seiner Bücher über die Tugenden. Jeder im katholischen Milieu in Amerika liest irgendwann sein Buch „Muße und Kult“. Darin steckt die Idee, über das Alltagsbewusstsein hinauszugehen und Muße nicht im Sinne von Müßiggang, sondern im Sinne einer Offenheit für die großen Fragen zu verstehen. Dieses Buch hatte einen großen Einfluss auf mich. Dann habe ich während meiner Priesterausbildung viel Pieper gelesen. Und als Lehrer empfehle ich Pieper meinen Schülern, weil er einen sehr guten Zugang zu Thomas von Aquin bietet. Piepers Essays über Thomas von Aquin hatten großen Einfluss darauf, wie ich den heiligen Thomas selbst gelesen habe. Pieper ist somit über viele Jahre ein ständiger Begleiter für mich gewesen – und jemand, auf den ich oft zurückgekommen bin.

Was würde Josef Pieper der katholischen Kirche heute mit auf den Weg geben?

Wahrscheinlich das, was er auch schon zu seinen Lebzeiten gesagt hat: Kehrt zu den großen Quellen zurück – zur Bibel, zu den Kirchenvätern, besonders zu Thomas von Aquin. Ich denke, er würde sagen: Öffnet euch für die Sphäre jenseits des Alltagsbewusstseins, lasst euch nicht vom technologischen Paradigma gefangen nehmen. Wir sollen uns nicht bloß in der praktischen Welt verlieren, sondern – um in Platons Worten zu sprechen – aus der Höhle heraustreten und die höheren Sphären erkennen. Nach Pieper sollten wir das Thema Muße in diesem Sinne aufgreifen – aber es dann noch weiterführen: zur Anbetung. Denn für Pieper ist die Anbetung Gottes der Gipfel dieser geistigen Öffnung. Ich denke, Pieper würde heute insbesondere mahnen, dass der Verlust der Anbetung enorme negative kulturelle Folgen hat. Und er würde die Menschen auffordern, sich zuerst wieder dem philosophischen Denken und dann der Anbetung zu widmen.

Wie überzeugen Sie junge Menschen davon, dass es sich lohnt, Piepers Bücher zu lesen?

"Er ist ein sehr tiefgründiger,
aber gleichzeitig zugänglicher Denker"

Ich würde vielleicht damit beginnen, ein paar grundlegende Gedanken von Pieper mit ihnen zu teilen. Er ist ein sehr tiefgründiger, aber gleichzeitig zugänglicher Denker. Und er schreibt – das muss ich sagen – nicht im typischen deutschen Stil mit endlos langen Sätzen. Pieper schreibt zugänglich, aber mit großer Tiefe und Einsicht. Ich würde einige seiner Ideen aufgreifen, so wie ich das über die Jahre schon getan habe, und dann die Menschen ermutigen, seine Bücher zu lesen. Sie sind auf Englisch einfach erhältlich, relativ leicht zu lesen und bieten einen großartigen Einstieg in das philosophische Denken. Ich würde einfach einige seiner Grundgedanken teilen, die auch heute noch sehr relevant sind.

Gibt es einen Schatz in Piepers Werk, den Sie persönlich gerne noch tiefer entdecken würden?

Ja, ganz bestimmt. Ich lese Pieper zwar seit Jahren, aber zur Vorbereitung auf diese Veranstaltung habe ich einen längeren Aufsatz über ihn geschrieben. Dafür habe ich viele seiner Bücher erneut gelesen, einige sogar zum ersten Mal. Für meinen Sommerurlaub im vergangenen Jahr habe ich einfach viele Pieper-Bücher in meinen Koffer gepackt und darin gelesen. Es war großartig. Ich habe dabei vieles erfahren, was ich vorher nicht gewusst hatte. Zum Beispiel habe ich den Zusammenhang zwischen Muße und Anbetung klarer erkannt. Ich habe auch tiefer verstanden, dass Gott die Welt mit seinem Denken erschaffen hat – dass also das Verständnis der Welt, auf dem jede Wissenschaft beruht, letztlich darauf gründet, dass Gott die Welt durch seinen Geist hervorgebracht hat. Das geht natürlich auf Thomas von Aquin zurück. Aber Pieper macht das besonders deutlich. Und das hat mich letzten Sommer sehr bewegt. Das wird auch ein zentrales Thema meines Vortrags morgen sein.

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