Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Vorwürfe gegen Benedikt XVI.

„Man kann immer Fehler finden, wenn man will“

Im Gespräch mit der Tagespost nimmt der Franziskanerpater Paulus Maria Tautz den emeritierten Papst Benedikt in Schutz. Öffentliche Schuldzuweisungen hält er für nicht passend.
Benedikt XVI. habe so viel für die Opfer und die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche getan
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Niemand habe so viel für die Opfer und die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche getan, wie der emeritierte Papst Benedikt XVI., meint Pater Pauls Maria Tautz.

Pater Paulus, der Limburger Bischof Georg Bätzing hat von Papst Benedikt für seine später revidierte Aussage im Münchner Gutachten eine Entschuldigung verlangt. Teilen Sie diese Auffassung?

Ich finde diese öffentlichen Schuldzuweisungen nicht passend, denn ich fordere ja auch keine Entschuldigung von Bischof Bätzing oder Kardinal Marx für ihre unkatholischen Veröffentlichungen. Was wir momentan brauchen ist einen neuen Fokus - auf den Heilsauftrag Jesu Christi durch Seine Kirche für die ganze Menschheitsfamilie. Die deutsche Kirche liegt momentan am Boden wie ein Maikäfer auf dem Rücken mit den Beinen in der Luft. Dabei brauchen die Menschen gerade jetzt Hoffnung und klare Richtungsanweisungen für ihr alltägliches Leben. Wir als katholische Kirche haben so viel zu geben. Wir sind wie ein großer Dampfer, der seit 2000 Jahren Menschen sicher über die stürmische See bringt.

"Die deutschen Bischöfe verhalten sich
immer mehr wie Politiker,
die von ihrer Unglaubwürdigkeit ablenken wollen"

Die deutschen Bischöfe verhalten sich immer mehr wie Politiker, die von ihrer Unglaubwürdigkeit ablenken wollen. Es geht um die Sicherung der Sakramentenspendung und nicht um Meetings, die 42 Jahre zurückliegen oder einen 94-jährigen emeritierten Papst, der die meiste Zeit seines Lebens hervorragende theologische und pastorale Arbeit geleistet hat. Im Ausland ist dieser sterbende Papst hoch angesehen und wird schon als potenzieller Kirchenlehrer gehandelt.

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Sie haben sich während der ersten Pontifikatsjahre von Papst Benedikt in den USA auf die Priesterweihe vorbereitet. Der Missbrauchsskandal hatte dort damals blankes Entsetzen ausgelöst. Konnten Sie im Seminar feststellen, dass die Kirche handelt?

Als Ordensbruder bin ich von 2002 bis zu meiner Priesterweihe in New York City 2007 im Spätberufenen- Priesterseminar "Holy Apostles" in Connecticut gewesen und habe die  "Sex-Skandale" in voller Länge und in Farbe mitbekommen. Das war eine wichtige Reinigung von einem unmoralischen Filz, der sich über die Jahre der sogenannten "Sex-Revolution der 68er" angesammelt hat. Viele Priester und Ordensleute hatten sich ein Doppelleben geschaffen, was mit einer falschen Vorstellung und/oder Verleugnung der katholischen Morallehre einherging. 

Jetzt saß die katholische Kirche in einer Sackgasse und musste die Konsequenzen ihrer tragischen Verweltlichung ausbaden. Es war wie bei Mose am Berg Horeb, der dem Volk Israel den Goldstaub des zerstörten goldenen Kalbes zu trinken gab. Das war ein ganz bitterer Moment, wo viele Priester in Gefängnissen umgebracht wurden oder auch zum Teil unschuldig angeklagte Priester sich das Leben nahmen. Sobald Joseph Kardinal Ratzinger Papst Benedikt XVI wurde, schritt er zur Tat und sendete einige hochkarätige Delegationen von Erzbischöfen, Kardinälen und Äbten in alle US-amerikanischen katholischen Ausbildungshäuser. So auch in das "Holy Apostles" Priesterseminar, wo alle 90 Seminaristen danach gefragt wurden, was hier gelehrt wird, ob es vielleicht doppeldeutige Bemerkungen oder Handlungen von Seiten der Ausbilder gibt und was wir am Samstagabend machen usw. 

Pater Paulus Tautz
Foto: Kirche in Not | "Ich finde es einfach auch unmenschlich, auf einem Mann loszugehen, der quasi auf dem Totenbett liegt und gar nicht mehr die physische und psychische Kraft hat, solche schwerwiegenden öffentlichen Diskussionen zu ...

Bei unserem Regens gab es keine Probleme, aber wir hörten von Priesterseminaren, wo einige Ausbilder über Nacht geflohen waren, um ihren Rausschmiss zuvorzukommen. Das war schon eine dramatische Zeit. Jedem war klar, dass jetzt eine neue Zeit der Klarheit angebrochen war. Papst Benedikt XVI kann ich da nur bewundern, denn das brauchte Mut, aber auch die richtigen Helfer im Episkopat wie den damaligen Kardinal George aus Chicago, der viel für die Reinigung der katholischen Ausbildungshäuser in den USA getan hatte.

"Die Wahrheit ist, dass niemand so viel für die Opfer
und die Aufklärung von Missbrauchsfällen
in der katholischen Kirche getan hat, wie Papst Benedikt XVI."

Was sollten verunsicherte Gläubige, denen der emeritierte Papst in den Medien als Lügner präsentiert wird, bedenken?

Ich denke, dass jeder Mensch Fehler macht und als Kirchenvertreter haben wir eben keine kurzen Legislaturperioden wie Politiker, sondern wie beim emeritierten Papst Benedikt XVI. gleich mal 70 Jahre oder so. Da kann man immer Fehler finden, wenn man will. Die Wahrheit ist, dass niemand so viel für die Opfer und die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche getan hat, wie Papst Benedikt XVI. Das ist einfach Fakt und kann leicht bewiesen werden. Schauen wir doch auf das viele Positive, was dieser heiligmäßige Mann geleistet hat. Das sollten doch viele von seinen Kritikern in der katholischen Kirche erstmal nachmachen! Ich finde es einfach auch unmenschlich, auf einem Mann loszugehen, der quasi auf dem Totenbett liegt und gar nicht mehr die physische und psychische Kraft hat, solche schwerwiegenden öffentlichen Diskussionen zu führen. Schließlich wurde er ja keines persönlichen Missbrauchs angeklagt, was ich wirklich wichtiger finde.

Haben die Ereignisse der letzten Jahre Ihr Haltung vom Petrusdienst beeinflusst? 

Nein, denn es ist klar, dass das Petrusamt ein Dienst an der Kirche sein muss. Der Papst ist kein Monarch, der mal eben 1, 3 Milliarden Katholiken erbt und tun und lassen kann, was er will. Auch der Papst legt einen Eid ab, genauso wie Priester und Bischöfe, die den von Jesus Christus offenbarten Glauben nicht ändern dürfen. Wir glauben ja schließlich nicht an einen Papst und seine Vorlieben, sondern an Jesus Christus. Ich schaue da auf das, was die Päpste tun und nicht so sehr auf das, was sie sagen. Die Früchte zeigen doch die Qualität des Baumes an.

Bei Papst Johannes Paul II und Papst Benedikt XVI. war mehr Klarheit in der Kirche als heute. Gleichzeitig hat jeder von ihnen Fehler gemacht. Zum Beispiel hatte sich Papst Johannes Paul II beim Gehirntod geirrt und das aber bald revidiert, weil er da falsch informiert wurde. Das kann passieren, aber so etwas muss korrigiert werden. Aus diesem Grund hat ja dann Papst Johannes Paul II. das Lebensschutz Institut für Studien an Ehe und Familie mit hochkarätigen Experten in Rom gegründet. Ich denke auch, dass man einen Papst kritisieren darf, obwohl das mit Anstand, Sachlichkeit und mit Respekt vor dem Amt passieren sollte. Der Papst ist eben das „Väterchen“ einer großen katholischen Familie. In der Familie kann man sich auch mal streiten, aber man darf den Willen zur Versöhnung nie verlieren. In Irland gibt es da ein wunderbares Sprichwort: „Wir alle brauchen einen Friedhof in unserem Herzen, wo wir die Sünden unserer Freunde schnell und tief begraben!“

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