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Es gibt keine Kirche ohne Apostelnachfolge

Warum der Protestant Erik Peterson konvertierte und katholisch wurde.
Pfingstereignis
Foto: Picasa | Pfingsten senkte sich der Heilige Geist auf die um die Gottesmutter Maria versammelte Jünger. Ab diesem Moment begannen die Apostel den Völkern der Welt in ihren Sprachen zu predigen.

Erik Peterson (1890 – 1960) war von 1920 bis 1929 evangelischer Privatdozent und Ordinarius für Kirchengeschichte und das Neue Testament in Göttingen und Bonn, bevor er zu Weihnachten 1930 in Rom zur Katholischen Kirche konvertierte.

In der Auseinandersetzung mit der sogenannten „liberalen Theologie“ (Adolf von Harnack), dann nach dem Ersten Weltkrieg mit der „Luther-Renaissance“ (Karl Holl) und besonders der „Dialektischen Theologie“ (Karl Barth) gewinnt Peterson seine eigene Position. In dem Artikel „Die Kirche“ entfaltet er folgende Sicht auf die Geschichte: Der historische Jesus habe in der Tat, wie die neutestamentlichen Quellen zeigen, nur den Juden das (eschatologische) Gottesreich gepredigt und das Kommen dieses Reiches unmittelbar erwartet. Er habe deshalb „weder unmittelbar die Kirche gestiftet“, noch kirchliche Ämter „eingesetzt“. Allerdings seien die Ankunft des Reiches und seine damit verbundene Parusie als Messias in seinen Augen von der Bedingung abhängig gewesen, dass die Juden, die allein die Adressaten seiner Predigt und der Verheißung des Gottesreiches gewesen seien, vorher zum Glauben an ihn als den Messias kommen würden. Diese Hoffnung Jesu auf die Umkehr Israels habe sich für ihn nicht erfüllt.

„Ein entscheidender Faktor in der Konversion Petersons
scheint das Ignorieren der dogmatischen und apostolischen Dimension in Theologie und Kirche
durch die deutsche evangelische Theologie gewesen zu sein“

Durch den vom historischen Jesus selbst für die Sammlung des Volkes Israel berufenen und mit Vollmacht ausgestatteten Kreis der Zwölf sei diese Hoffnung auf die Bekehrung des Volkes nach seinem Tod zunächst weitergetragen worden. Als die Mehrzahl der Juden nicht zum Glauben an Jesus als den Christus gelangt sei, umgekehrt aber viele Heiden zu diesem Glauben gefunden hätten, hätten die Zwölf mit der Missionierung der Heiden begonnen. Erst jetzt könne man von „Kirche“ sprechen, denn die Kirche sei entstanden wegen der Verweigerung des Großteils Israels und sie sei in ihrem Wesen „Heidenkirche“.

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Diese wohl wichtigste Entscheidung in der Geschichte des Christentums sei aber nicht einer Willkürlaune der Zwölf entsprungen, sondern habe ihre Basis in der Ermächtigung durch den Heiligen Geist. Geschichtlich habe sich dieser Entschluss aus vielen Einzelentscheidungen innerhalb eines längeren Zeitraumes zusammengesetzt. Die Apostelgeschichte habe diesen Prozess in ein einziges Ereignis, die Ausgießung des Geistes an Pfingsten, zusammengezogen. Das sei für die Apostelgeschichte der Beginn der Kirche gewesen. Der Ursprung der Kirche liegt also für Peterson nicht unmittelbar bei Jesus. Sie gründe vielmehr in dem vom Heiligen Geist geleiteten Handeln der Zwölf, die dadurch zu den zwölf Aposteln wurden.

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Die Apostel wurden vom Heiligen Geist ermächtigt

Mit dieser Entscheidung ist für ihn klar, dass die Kirche ein Wesenskonstitutivum hat. Dies sei das kirchliche Amt, das sich in der Gestalt der Zwölf vom historischen Jesus herleite, wenn auch Jesus mit dem Institut der Zwölf ursprünglich eine andere Intention verbunden habe. Durch das Wirken des Erhöhten mittels des Heiligen Geistes seien die Amtsträger der Kirche – nach dem Vorbild jener ersten Entscheidung der Zwölf, auf der historisch und theologisch die Kirche gründe – in der Lage und ermächtigt, selbstständige dogmatische Entscheidungen zu treffen, die glaubensverbindlich und deswegen irreversibel seien.

Ein ähnliches Geschichtsbild hat in etwa zeitgleich Romano Guardini in dem Buch „Der Herr“ dargestellt. Diese Sicht der Kirchenentstehung ist in der Folgezeit in der deutschsprachigen katholischen Systematik rezipiert worden. Joseph Ratzinger zitiert Peterson zustimmend im Lexikon für Theologie und Kirche. Konversionen können nicht immer monokausal erklärt werden. Aber ein entscheidender Faktor in der Konversion Petersons scheint das Ignorieren der dogmatischen und apostolischen Dimension in Theologie und Kirche durch die deutsche evangelische Theologie gewesen zu sein.

Die Taufe schafft eine unverrückbare Wirklichkeit

Eine Rechtfertigungslehre, die das Mitwirken des Menschen ausschloss, hielt Peterson für unbiblisch und die Auffassungen der „liberalen“ wie der „dialektischen“ Theologie, die durchaus im Widerspruch zueinander je auf ihre Weise die Rolle des subjektiven Individuums im Glaubensvollzug betonten, waren für ihn weder von Paulus her noch aus der Praxis der früher (patristischen) Kirche ableitbar. In den Schriften des Paulus fand er die Lehre, dass Menschen durch Tod und Auferstehung Jesu und die sich auf diese beziehende Taufe in eine neue „objektive“ durch ein vorgegebenes Dogma und eine verbindlich festgesetzte Struktur bestimmte Wirklichkeit eingegliedert werden. Diese Überzeugung sah er am ehesten in der Katholischen Kirche seiner Zeit realisiert.

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