Liebe Leserinnen und Leser,
Salvator Dalí ist nicht gerade für weihnachtliche Kunst bekannt und doch haben seine zerfließenden Uhren eine zutiefst adventliche Aussage. Mehr dazu in der Bildinterpretation.
„O König aller Völker“ lautet die heutige O-Antiphon. Warum Gott im Alten Testament einen König über das Haus Israel gesetzt hat, erklärt der Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger übrigens in unserer Weihnachtsbeilage, die am Ende des Newsletters kostenlos zum Download bereitsteht.
Ihre Franziska Harter
Chefredakteurin
MIT DER BIBEL DURCH DEN ADVENT
Tageslesungen:
1 Sam 1,24–28
Lk 1,46–56
Sein Reich komme
Es gibt nur einen starken Herrscher, dem es sich bedingungslos zu folgen lohnt Von René Stockhausen
„O rex gentium“: So lautet der Beginn der O-Antiphon vom 22. Dezember. Der volle deutsche Wortlaut: „O König aller Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht; Schlussstein, der den Bau zusammenhält: o komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet!“ Die Rede von Gott als König findet sich schon im Alten Testament an vielen Stellen. So bei Jeremia: „Niemand, HERR, ist wie du: Groß bist du und groß an Kraft ist dein Name. Wer sollte dich nicht fürchten, du König der Völker?“ (Jer 10,6)
Von einem König wird erwartet, dass er sein Volk mit Weisheit und Güte regiert, es schützt und zusammenhält sowie für Frieden, Gerechtigkeit und Ordnung sorgt. Die menschliche Begrenztheit im Versuch, dem zu entsprechen, spürten Israel und viele Völker im Laufe der Geschichte schmerzvoll. Zu viele Könige erwiesen sich als schwach und unentschlossen oder machtbesessen und selbstverliebt, weshalb wir in den westlichen Ländern zur Staatsform der Demokratie gefunden haben und Monarchen, dort, wo es sie noch gibt, an Parlamente und Verfassungen gebunden sind.
Hier auch zum Anhören:
Dennoch bleibt im kollektiven Unbewussten die Sehnsucht nach dem Archetypus des Anführers, die sich immer wieder durch Rufe nach dem sogenannten „Starken Mann“ Bahn bricht und nicht selten Autokraten hervorbringt und zu Despotismus führt. Als in den 1920er-Jahren in Deutschland solche politischen Tendenzen erstarkten, wurde das 1925 eingeführte Christkönigsfest zu einem Bekenntnis, vor allem junger Katholiken, nur einem König und Führer zu folgen, nämlich Jesus Christus. Er ist der wahre und einzige König, dessen Herrschaft vollkommen und allumfassend ist. Sein Königtum ist jedoch nicht politisch, sondern geistig, und obwohl es „nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36) ist, breitet es sich auf Erden aus. Jeder Getaufte ist aufgerufen, an Christi Reich der Wahrheit und des Lebens, der Gnade und der Heiligkeit, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens mitzubauen, bis es zur Vollendung gelangt beim zweiten Advent am Ende der Zeiten. Komm also, Herr Jesus Christus, du unser König, und lass dein Reich erscheinen!
Der Verfasser ist Wallfahrtsrektor in St. Maria in der Kupfergasse in Köln.
WEIHNACHTEN IM BILD

Wenn die Zeit zerfließt, beginnt die Ewigkeit
Dali‘s surrealistische Adventsbotschaft: Erlösende Bewegung in scheinbar erstarrter Zeit Von Martin Ploderer
Erwartung, Vorfreude, Hoffnung: Sie erfüllen das Leben mit Geschmack und enthüllen das eigentliche Wesen der Dinge, das deren Sinn erst ins Licht bringt. Trägheit und Gewohnheit verdecken oft diese Dimensionen der Freude, der Lebensfreude und fördern zuweilen die Tendenz des Menschen zu Ungeduld, Missmut und Zweifel, die ihm das Leben vergiften.
Die Welt, in die wir hineingestellt sind, wirkt auf den ersten Blick kalt und unwirtlich, zuweilen dem Menschen feindlich gesinnt. Er muss sich in ihr einrichten. Dies geschieht nicht nur durch Mobiliar, sondern auch durch Historie. Nicht alle unsere Wünsche können erfüllt werden, also erzählen wir uns Geschichten. Diese sollen nicht nur über Leiden und Tod hinwegtrösten, sondern vor allem auch Anregung und Anleitung sein, die wertvollsten Geschenke des Schöpfers nicht geringzuschätzen und dadurch zu vergeuden. Zu diesen gehört die Zeit, deren Anfang und Ende wir nicht kennen, deren Ablauf uns zuweilen täuscht und deren Wahrnehmung im Laufe eines Lebens einer fortwährenden Veränderung unterliegt.
Der ständige Drang nach mehr anstatt zum rechten Maß macht uns zu Dieben und Räubern vor allem an der Zeit. Diese sinnvoll und nützlich zu er-füllen gehört zu den größten Künsten, zu denen wohl jeder Mensch und jeder auf seine ganz persönliche und spezifische Art berufen ist und die nur das Leben selbst uns lehren kann. Wachstum und Reifung nicht zu achten, macht unersättlich und undankbar. Hastig wird gekauft und konsumiert, der zuweilen lange Weg von der Idee bis zur Herstellung, die vielen kleinen oder großen Schritte zwischen diesen beiden Etappen werden übersehen und so rasch ein Gut erworben scheint, so rasch ist es auch schon wieder verloren, ohne die unauslöschliche Spur der Erinnerung in unserem Gedächtnis zu hinterlassen, die allein eine Ahnung von der Ewigkeit zu geben vermag.
Es zeugt von tiefer Lebensweisheit, großen Festen eine Vorbereitungszeit voranzustellen, die das Bewusstsein von deren Bedeutung und Wirkung schärfen hilft. Christen nehmen sich Zeit, um ihre Herzen auf die beiden größten und voneinander nicht zu trennenden konstituierenden Ereignisse ihres Glaubens, Weihnachten und Ostern, einzustimmen. Wer diese nur konsumiert, bringt sich um das Wesentliche und sollte sich dann nicht wundern, wenn sie schal und abgegriffen erscheinen. Wer Wachstum und Reifung die ihnen eigene Dynamik gewährt, wird reich belohnt.
Der österreichische Autor ist Schauspieler und Sprecher.
ADVENTLICHE KLÄNGE
Gibt es einen synodalen König?
Wahres Königtum führt Menschen zusammen und übt Macht und Herrschaft zum Wohl der Völker aus Von Barbara Stühlmeyer
Es war nichts weiter als ein Textsprung. Ein Adjektiv, dass ungehörigerweise den Ort eines anderen an dessen angestammtem Platz okkupiert hat auf der Suche nach einer Überschrift. „Wunderbarer König, Herrscher von uns allen, lass dir unser Lob gefallen“ hatte Joachim Neander im 17. Jahrhundert eigentlich gedichtet. Kein Zufall. Denn ein König und eine Synode stehen in einem natürlichen Widerspruch. Jedenfalls dann, wenn die Synode am Ende das letzte Wort haben will. Dass aber gebührt in einer Monarchie dem, der den Hut, pardon, der die Krone aufhat. Deshalb ist es mit der sechsten O-Antiphon so eine Sache.
Nur sehr wenige würden in Deutschland heute wohl nach einem König rufen. Und doch bleibt die Sehnsucht nach Eindeutigkeit, nach letzter Wahrheit, die sich mit dem Bild des Königs aller Völker verbindet, der ihre Erwartung, ihre Sehnsucht, der Schlussstein ist, der den Bau zusammenhält.
Dass die O-Antiphonen eben jene Sehnsucht furchtlos zum Klingen bringen, hängt mit deren tiefer Verwurzelung im menschlichen Herzen zusammen. Ein guter König, eine Verbindung von Vater, Priester und Prophet ist ein ganz natürliches Ziel für den Wunsch der Menschen nach Geborgenheit. Deshalb kommen die Schriften des Alten und Neuen Testaments immer wieder auf dieses Bild zurück. Und sie verschweigen, wie der zweite Psalm, den alten Antagonismus zwischen weltlichen Machtstreben und der Herrschaft Gottes nicht. Schön bei Jesaja wird deshalb die wahre Regentschaft immer in Gottes Hände gelegt, von dem allein Rettung zu erwarten ist. Sacharja geht dann den entscheidenden Schritt auf jenes Geheimnis zu, von dem die O-Antiphon des 22. Dezember singt: „Juble laut, Tochter Zion. Siehe, dein König kommt zu dir. Demütig ist er und reitet auf einem Esel.“ Und die Apostelgeschichte macht klar, dass Jesus dieser wunderbare König und kostbare Stein ist, der von den Bauleuten verworfen, aber zum Eckstein geworden ist. Er, der Menschensohn, eingewoben in die Gemeinschaft der Apostel und zugleich deren und aller Gläubigen Haupt.
Die Autorin ist Theologin und Musikerin und schreibt über Kunst und Kultur.
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