Liebe Leserinnen und Leser,
das Heil der Welt kommt im Verborgenen, versteckt in einem kleinen Stall, fernab von den Blicken der Welt.
Einen gesegneten Heiligen Abend wünscht
Ihre Franziska Harter
Chefredakteurin
MIT DER BIBEL DURCH DEN ADVENT
Tageslesungen:
Jes 9,1-6;
Tit 2,11-14
Lk 2,1-14
Das Licht, das im Dunkeln leuchtet
In Christus erfüllt sich die Hoffnung des alttestamentlichen Volkes Israel. Er ist das Licht, die Hoffnung, die tröstliche Gegenwart des Höchsten Von Monsignore Hansjörg Günther
Am Abend vor der Geburt des Herrn hören wir die Worte des Propheten Jesaja: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (Jes 9,1). Dieses Wort berührt uns besonders dann, wenn unser Leben schwerer wird, wenn Sorgen, Müdigkeit oder innere Unruhe uns begleiten. Jeder von uns kennt solche Stunden. Und genau in diese Wirklichkeit hinein setzt Gott sein Licht.
Weihnachten zeigt uns einen Gott, der sich nicht zurückzieht, sondern uns entgegenkommt – still, unscheinbar, als Kind. Die Engel rufen: „Fürchtet euch nicht!“ (Lk 2,10). Dieses Wort trägt uns: Gott ist mit uns. Er kennt unser Ringen, unsere Fragen, unsere Sehnsucht nach Geborgenheit und Frieden. Sein Kommen möchte unsere Herzen öffnen und uns neu zur Ruhe führen.
Wenn wir an das Heilige Land denken, an jene Orte, die der Herr selbst geheiligt hat, erinnern wir uns daran, wie konkret Gottes Nähe wird. In Bethlehem beginnt eine Geschichte, die uns bis heute trägt. Jesus sagt später: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8,12). Dieses Licht strahlt nicht nur über einem Stall, sondern in jedes Leben, das sich ihm anvertraut – leise, aber kraftvoll.
Hier auch zum Anhören:
Die Heilige Nacht lädt uns ein, diese Hoffnung nicht aus der Hand zu geben. Hoffnung, dass Gott auch unsere Dunkelheiten erhellt. Hoffnung, dass sein Frieden Wege in unsere Herzen findet. Hoffnung, dass Liebe stärker bleibt als alles, was uns niederdrückt oder entmutigt. Weihnachten ist nicht ein Gefühl – es ist eine Zusage: Gott bleibt.
Bitten wir in dieser Nacht darum, dass Christus unser Inneres neu berührt, unsere Gemeinschaft stärkt und uns einen Frieden schenkt, der tief in uns wurzelt. Möge sein Licht unser Denken, unser Beten und unser Miteinander erhellen. Der menschgewordene Gott segne uns und schenke uns seinen Frieden. Gesegnete und hoffnungsvolle Weihnachten!
Der Autor ist Vorsitzender der Kommission Spiritualität der Deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.
WEIHNACHTEN IM BILD

Weihnachten im Schatzkästlein der kleinen, bunten Bilder
Die „Très Riches Heures“ des Duc de Berry lassen uns über miniaturhafte Malerei-Fenster in frühneuzeitliche Lebens- und Vorstellungswelten blicken Von Henry C. Brinker
Die Brüder Herman, Paul und Jean de Limbourg gehören zu den bedeutendsten Buchmalern des frühen 15. Jahrhunderts. In ihren Miniaturen verbinden sich eine feinsinnige Beobachtungsgabe, spektakulär-leuchtende Farbigkeit und eine bis dahin unerreichte räumliche Präzision. Sie stammen aus Nijmegen und arbeiteten zunächst für den Herzog von Burgund, bevor sie um 1410 in den Dienst des kunstsinnigen Jean de Berry traten. Unter seiner Förderung erreichten sie eine neue künstlerische Höhe: Die Verbindung höfischer Eleganz mit realistischen Details, subtilen Lichtwirkungen und einer bemerkenswerten Emotionalität der Figuren. Selbst der Humor kommt bei manchen Alltagsdarstellungen nicht zu kurz. Ihr Werk markiert den Übergang von der Spätgotik zur Frührenaissance in Nordeuropa.
Die Geburtsszene im „Belles Heures“ oder „Très Riches Heures“ zeigt exemplarisch diese neue Sicht auf Gott, Mensch und Zeit. Die hier in einem Ausschnitt gezeigte Miniatur entfaltet ein intimes, beinahe häusliches Weihnachten: Maria kniet dem Neugeborenen zugewandt, in tiefer Andacht und zarter Mütterlichkeit. Die programmatischen Farben – das ikonologisch festgelegte, majestätische Lapis-Blau ihres Mantels wie die feierlich-herrschaftlichen Purpurtöne der Decke – erzeugen eine Atmosphäre transzendentaler Bedeutsamkeit. Nährvater Joseph erscheint zeittypisch als vorgealtert-fürsorglicher Begleiter, der dienstbereit die Windeln anreicht.
Auffällig sind die Engel, die nicht als ferne Wesen, auch nicht als bloße Staffage-Figuren, sondern als bewegte, himmlisch blaue Gestalten dargestellt sind: ein Chor aus celestischen Sphären, der die Heiligkeit des Moments unterstreicht. Gleichzeitig bleibt der Stall in seiner Armseligkeit präsent: Die Wände bestehen aus geflochtenen Weiden. So verbinden die Limbourg-Brüder hier wie im gesamten Stundenbuch das Erhabene mit dem Alltäglichen.
Dieses Stundenbuch des Herzogs von Berry zählt zu den kostbarsten Handschriften des Mittelalters. Die Limbourgs entwickelten in diesem Werk eine bis dahin unbekannte Raffinesse: Landschaften mit atmosphärischen Horizonteffekten, feine Gesichter, reiche Stoffmuster und die präzise Wiedergabe höfischer wie bäuerlicher Lebenswelten. Das Stundenbuch wurde so zu einem Fenster in die geistliche Welt wie in die reale Zeit seiner Entstehung – ein einzigartiges Zeugnis zwischen Frömmigkeit, Macht und künstlerischer Innovation. Die weltweit beachtete Ausstellung des Buchs auf Schloss Chantilly bei Paris war eines der großen Kunstereignisse des Jahres 2025: Zum ersten Mal waren die Buchseiten einzeln nebeneinander zu sehen, weil das Werk zu Restaurierungs- und Forschungszwecken auseinandergenommen werden musste.
ADVENTLICHE KLÄNGE
„Es ist uns ein Kind geboren“
Georg Friedrich Händels „Messias“ bringt den Gläubigen Verheißung und Erfüllung als musikalische Botschaft nah Von Henry C. Brinker
Händels „Es ist uns ein Kind geboren“ (For unto us a child is born) aus dem Messias gehört zu jenen Chorsätzen, in denen sich barocke Festlichkeit, theologische Tiefenschärfe und musikalische Dramaturgie verbinden. Die Textgrundlage – Jesaja 9,5 – kündigt das Kommen des göttlichen Friedensherrschers an. Händel gestaltet daraus keinen feierlichen Hymnus im majestätischen Duktus, sondern ein strahlendes, tänzerisches Klangbild, das die Freude über die Geburt des Kindes ungebremst hörbar macht. Die Musik öffnet sich wie eine Lichterparade, die sich in Bewegung setzt.
Der Satz steht in G-Dur und ist als groß angelegte Doppelfuge konzipiert. Zunächst entfaltet sich ein lebendiges, fast tänzelndes Motiv auf den Worten „For unto us a child is born“, das von den Stimmen nacheinander aufgenommen und weitergesponnen wird. Händel verbindet hier polyphone Kunstfertigkeit mit melodischer Eingängigkeit – der geteilte Jubel wirkt ansteckend auf Musiker, Sänger und Zuhörer. Die Textwiederholungen sind nicht bloß dekorativ, sondern dienen der Steigerung: Mit jedem Einsatz wächst die klangliche Fülle, bis sich der Chor in einer lichtdurchwirkten Klangwoge sammelt.
Der mittlere Abschnitt, „and the government shall be upon his shoulder“, nimmt das Tempo zurück. Die Musik atmet breiter, der Ton wird gewichtiger. Hier betont Händel die königliche Würde des verheißenen Messias: Aus der kindlich-freudigen Bewegung entsteht ein Moment sakraler Gravität. Dieser Kontrast gibt dem Satz seine dramaturgische Balance – Weihnachtliche Freude und messianische Erhabenheit stehen sich gegenüber und durchdringen einander.
In der abschließenden Fuge über die majestätischen Titel „Wonderful, Counsellor, The mighty God…“ zieht Händel alle Register barocker Chorkunst. Die Stimmen verweben sich zu einem fein gesponnenen Kulissenstoff, vor dem die Majestät Christi musikalisch aufscheint. Dass diese Jubelmusik nicht triumphal-auftrumpfend aus dem Ruder läuft, sondern von tänzerischer Leichtigkeit durchzogen bleibt, macht den besonderen Zauber des Stücks aus.
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