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Die Nachfolger der Apostel sind Zeugen für Christus

Die apostolische Tradition ist ein Wesensmerkmal der Kirche. Die Kirche kann nicht katholisch sein ohne die Nachfolger der Apostel.  
Abendmahl Wandmalerei eines Abendmahls in den Domitilla- Katakomben in Rom
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Das apostolische Amt sichert die Glaubenstradition der Kirche. Im Bild: Der lehrende Christus und die hörende Kirche.

Im Credo von Nizäa und Konstantinopel aus dem 4. Jahrhundert bekennen wir „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ und bringen so zum Ausdruck, dass die Kirche als ganze apostolisch ist. 

Damit stellt sich die Frage, was unter der Apostolizität der Kirche genauer zu verstehen ist und worin sie sich anzeigt. Diese Frage lässt sich am besten beantworten, wenn wir jene vier Grundvorgänge in Erinnerung bringen, mit denen sich die Kirche in apostolischer Zeit konstituiert hat und die zu ihren bleibenden Wesensmerkmalen gehören. 

Der erste Grundvorgang besteht in der Ausbildung des Kanons der Heiligen Schrift, die gegen Ende des 2. Jahrhunderts zu einem gewissen, aber noch nicht endgültigen Abschluss gekommen ist. Der historische Sachverhalt, dass die Literatur, die wir heute „Neues Testament“ nennen, aus einer Vielzahl von damals im Umlauf befindlichen literarischen Zeugnissen ausgewählt und der griechische Kanon der jüdischen Bibel als „Altes Testament“ dem „Neuen Testament“ zugeordnet worden ist, zeigt, dass das Entstehen des Kanons der Heiligen Schrift das Werk der apostolischen Kirche gewesen ist. In einem intensiven Ringen hat sie in den verschiedenen Schriften den authentischen Ausdruck und den Maßstab ihres Glaubens gefunden. Ohne den Glauben der apostolischen Kirche könnte man gar nicht von „Heiliger Schrift“ reden; ohne den Glauben wäre sie bloß eine historische Sammlung von Schriften. Die „Heilige Schrift“ ist ein Buch der Kirche, das aus der kirchlichen Überlieferung hervorgegangen ist und durch sie weitergegeben wird. 

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Glaubensregel sichert rechtes Verständnis

Bei der Auswahl jener Schriften, die schließlich von der Kirche als „Heilige Schrift“ anerkannt worden sind, hat die apostolische Kirche einen Maßstab verwendet, den sie als Glaubensregel bezeichnet hat. Sie stellt den zweiten Grundvorgang in der apostolischen Kirche dar. Dabei handelt es sich um eine kurze Summe der wesentlichen Inhalte des Glaubens der Kirche, die in den verschiedenen Taufbekenntnissen eine von der Liturgie her geformte Gestalt erhalten und in den konziliaren Definitionen ihre Fortsetzung gefunden hat. Die grundlegenden Glaubensbekenntnisse der Christenheit bilden den eigentlichen Schlüssel, um die Heilige Schrift ihrem Geist gemäß auszulegen. 

Die Lesung der Heiligen Schrift und das Rezitieren des Glaubensbekenntnisses waren in der apostolischen Kirche in erster Linie gottesdienstliche Akte der um ihren auferstandenen Herrn versammelten Gemeinde. Die frühe Kirche hat deshalb drittens auch die Grundformen des christlichen Gottesdienstes, vor allem der Liturgie der Eucharistie, geschaffen. Ihre früheste Beschreibung bei Justinus dem Märtyrer in der Mitte des 2. Jahrhunderts enthält bereits die wesentlichen Elemente, die sich in allen großen liturgischen Ritusfamilien durchtragen und uns auch heute vertraut sind. Auch die Liturgie gehört zur apostolischen Tradition der Kirche, und zwar in der Überzeugung, dass das Gesetz des Betens und Feierns auch das Gesetz des Glaubens ist. Die apostolische Kirche ist in ihrem tiefsten Kern eucharistische Versammlung, und apostolische Kirche ist vor allem dort, wo die heilige Eucharistie gefeiert wird. 

Das Wort Gottes, das im Licht der Glaubensregel ausgelegt und im Gottesdienst der Kirche verkündet wird, findet in der Sicht der apostolischen Kirche viertens seine primäre Gestalt in der persönlichen Zeugenschaft im Bischofsamt. Von daher hat sich in der frühen Kirche die Überzeugung von der apostolischen Sukzession im Bischofsamt herausgebildet, das im Dienst der treuen Weitergabe des Wortes Gottes und der apostolischen Tradition steht. In historischer Sicht stehen wir vor dem erstaunlichen Sachverhalt, dass es kurz nach dem Tod der Apostel und lange vor dem Abschluss der Kanonbildung in der ganzen Kirche – im Westen wie im Osten – nur noch eine Ordnung der kirchlichen Ämter gegeben hat: Jede Ortskirche hat einen Bischöfe und, wenn erforderlich, je nach Größe ein Kollegium von Presbytern und Diakonen. Mit dem katholischen Kirchenhistoriker Ernst Dassmann muss man die „Herausbildung, theologische Begründung und institutionelle Stärkung des Bischofsamtes“ als „eines der wichtigsten Ergebnisse der nachapostolischen Entwicklung“ einschätzen.   

Das Amt sichert den rechten Glauben 

Kanon der Heiligen Schrift, Glaubensregel, Grundform des eucharistischen Gottesdienstes und apostolische Sukzession im Bischofsamt sind die vier Grundgegebenheiten in der apostolischen Kirche, die man nicht voneinander isolieren oder gar trennen darf. Angesichts der bedeutsamen Tatsache, dass sich zur gleichen Zeit in allen Ortskirchen das Bischofsamt als grundlegende Leitungsgestalt herausgebildet hat, muss es im Kontext der genannten Grundvorgänge in der apostolischen Kirche gesehen und darf weder von ihnen isoliert noch durch andere Wirklichkeiten ersetzt werden. 

Die zweite Tendenz ist vor allem in der protestantischen Tradition wirksam geworden, in der die apostolische Sukzession beinahe ausschließlich in der Heiligen Schrift gesehen wird. In extremer Weise behauptet etwa der evangelische Theologe Eberhard Jüngel, die katholische Auffassung, dass die apostolische Sukzession durch das Bischofsamt garantiert werde, sei „alles andere als biblisch“; denn „Nachfolger der Apostel sind mitnichten die Bischöfe, Nachfolger der Apostel ist der biblische Kanon“. Eine derart steile Behauptung wird aber bereits durch die geschichtliche Feststellung widerlegt, dass die Herausbildung des Kanons der Heiligen Schrift eine Frucht der kirchlichen Überlieferung gewesen ist und dass bei diesem Prozess als konstitutives Element die herausragende Bedeutung des römischen Bischofsstuhles eine zentrale Rolle gespielt hat, so dass man in historischer Sicht präzis urteilen muss, dass die Anerkennung Roms als Kriterium für den rechten apostolischen Glauben älter ist als der Kanon der Heiligen Schrift. Dies nicht wahrzunehmen, macht das Problem des protestantischen Prinzips des „sola scriptura“ aus. Denn dieses Prinzip will die weitreichende Entscheidung der apostolischen Kirche ausschließen, wiewohl es selbst auf dieser beruht.  

Wort Gottes und personale Zeugenschaft 

In protestantischer Sicht wird die apostolische Sukzession weitgehend in der Treue zum evangeliumsgemäßen Ursprung interpretiert. Sie wird als Sukzession im Wort Gottes und nicht in der personalen Sukzession im Bischofsamt gesehen. Wenn überhaupt wird letztere in einer so genannten Episkopé in einem allgemeinen Sinn wahrgenommen. Damit wird aber die für das katholische Verständnis grundlegende Überzeugung von der Notwendigkeit einer auch mate-rialen Verbindung eines zu weihenden Bischöfe mit den in der Nachfolge der Apostel stehenden Bischöfe, wie sie bereits beim heiligen Irenäus greifbar ist, ausgeblendet. 

Auf der anderen Seite darf auch in katholischer Sicht die apostolische Sukzession nicht allein in einer empirischen Kette von Handauflegungen gesehen werden. Denn der einzelne Bischöfe steht vor allem dadurch in der apostolischen Sukzession, dass er in der Gemeinschaft mit dem gesamten Ordo der Bischöfe lebt, der sich seinerseits in der Nachfolge des Apostelkollegiums und seiner Sendung der Verkündigung des Evangeliums befindet. 

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Nachfolge ist Gestalt der Überlieferung

Die personale Sukzession des einzelnen Bischöfe hat dabei ihr inhaltliches Kriterium in der apostolischen Tradition, weshalb bereits in den frühesten Jahrhunderten die Bischofsweihe mit der Ablegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses verbunden gewesen ist. Beides gehört unlösbar zusammen, wie es Joseph Ratzinger prägnant zusammenfasst: „Die Nachfolge ist die Gestalt der Überlieferung, die Überlieferung ist der Gehalt der Nachfolge.“ In katholischer Sicht besteht die apostolische Sukzession deshalb nicht einfach in der Weitergabe einer Idee, sondern drückt sich auch aus im sichtbaren und konkreten Zeichen der Handauflegung von in der apostolischen Tradition zu weihenden Bischöfe. 

Von daher wird die Grundüberzeugung des katholischen Glaubens sichtbar, dass Weitergabe des Wortes Gottes und persönliche Verantwortung in konkreter Zeugenschaft in dem Sinne unlösbar zueinander gehören, dass der apostolische Zeuge vom Wort Gottes her und für das Wort Gottes existiert und dass zuvor das Wort Gottes durch den persönlich verantwortlichen Zeugen lebt. Wie Petrus in Cäsarea Philippi zwar im Namen der anderen Apostel und doch ganz in seinem persönlichen Namen und mit seiner eigenen Person zuerst das Christusbe-kenntnis – „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16) – abgelegt hat, so kann es auch heute das apostolische Glaubensbekenntnis nur als persönlich verantwortetes und des-halb an die konkrete Person des Bischöfe gebundenes geben.   

Bischof kann Zeugnis nicht delegieren

Aufgrund dieser engen Zusammengehörigkeit von Weitergabe des Wortes Gottes und personaler Zeugenschaft wird vollends einsichtig, weshalb sich in der frühen Kirche die Überzeugung von der apostolischen Sukzession im Bischofsamt herausgebildet hat, das im Dienst der treuen Weitergabe des Wortes Gottes und der apostolischen Tradition steht. Mit dieser Verpflichtung lebt der Bischöfe auch heute, wie eine der zentralen Fragen dokumentiert, die dem Kandidaten vor seiner Bischofsweihe gestellt werden: „Bist du bereit, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben?“ 

In dieser Frage leuchtet der tiefste Grund auf, dass die Kirche ohne Apostelnachfolger nicht apostolisch sein kann. Denn der Bischöfe ist berufen, in erster Linie Zeuge zu sein, der mit seiner ganzen Person und mit seinem an niemanden zu delegierenden Gewissen für den apostolischen Glauben der Kirche einsteht und ihn bezeugt, und zwar gelegen oder ungelegen und nicht nur gelegentlich. Weil der Bischöfe sein Leben und Wirken an diesem Kriterium stets messen lassen muss, sollte sein Versprechen vor der Bischofsweihe Inhalt auch seiner täglichen Gewissenserforschung sein.   


Kurz gefasst

Der Synodale Weg widmet sich in seine Forum „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“ Fragen der Leitungsvollmacht und -kompetenz in der Kirche. Dabei wird das Amt in erster Linie funktional aufgefasst. Doch ist das mit Lehre und Tradition der Kirche vereinbar? 

Der Bischöfe ist in erster Linie Zeuge des apostolischen Glaubens, der durch personale Sukzession in der Nachfolge der Apostel steht. Der Bischöfe kann dieses Zeugnis auch nicht delegieren, vielmehr ist er berufen, mit seiner ganzen Person Zeuge zu sein. Ohne ihn als Apostelnachfolger hört die Kirche auf,  apostolisch zu sein. Die Grundgegebenheiten der apostolischen Kirche sind auch heute für die Kirche wesentliches Erbe; sie dürfen nicht voneinander isoliert oder getrennt werden, denn sie sind bleibende Wesensmerkmale, mit denen sich die Kirche in apostolischer Zeit konstituiert hat. 

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