Die Hagia Sophia in Istanbul könnte schon bald wieder als Moschee genutzt werden. Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei beendete seine Anhörung zum Status des Bauwerks an diesem Donnerstag. Dem Staatssender TRT zufolge wird das Urteil des Höchstgerichts vor dem 15. Juli erfolgen. Die Klage, mit der sich das Verwaltungsgericht in Ankara derzeit befasst, bestreitet die Verbindlichkeit jenes Dekrets, mit dem Atatürk 1934 die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum anordnete.
Vorangegangen war eine seit Monaten anschwellende Kontroverse um den Status des imposanten Baus, der fast ein Jahrtausend lang als christliche Kirche und ab 1453 als Reichsmoschee der Osmanen genutzt wurde, bevor Atatürk 1934 daraus ein Museum machte. Der türkische Justizminister Abdulhamit Gül heizte die seit Jahren schwelende Debatte an, indem er sagte, es sei „der Wunsch von uns allen“, die Ketten der Hagia Sophia zu sprengen und sie wieder für das muslimische Gebet zu öffnen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu wies alle ausländischen Appelle in der Streitfrage zurück: Es sei eine Frage der türkischen Souveränität, Ankara werde keine Befehle aus Athen akzeptieren. Von Präsident Recep Tayyip Erdogan kamen zuletzt widersprüchliche Signale.
„Spirituelle und kulturelle Bedeutung für Milliarden von Gläubigen“
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios, versucht noch immer, eine Umwidmung der Hagia Sophia zu verhindern: Am Dienstag warnte er in einer Predigt in der Kirche der 12 Apostel in Istanbul, die Hagia Sophia gehöre „nicht nur ihrem Besitzer, sondern der gesamten Menschheit“. Darum sei das türkische Volk verantwortlich, die Universalität dieses herausragenden Monuments hervorzuheben. Als Museum könne die Hagia Sophia ein Ort und Symbol der Begegnung, des Dialogs und der friedlichen Koexistenz von Völkern und Kulturen sein, ein Ausdruck wechselseitiger Verständigung und der Solidarität zwischen Christentum und Islam. „Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee würde Millionen Christen in aller Welt enttäuschen“, so Patriarch Bartholomaios.
Der Sonderbotschafter der US-Regierung für Religionsfreiheit, Samuel D. Brownback, rief die Regierung in Ankara auf, „die Hagia Sophia als für alle zugängliche Weltkulturerbe-Stätte in ihrem derzeitigen Status als Museum zu bewahren“. Die Hagia Sophia habe eine „spirituelle und kulturelle Bedeutung für Milliarden von Gläubigen unterschiedlichen Bekenntnisses in aller Welt“. Der amerikanische Botschafter in Ankara, David Satterfield, stattete Patriarch Bartholomaios am Montag einen Besuch im Phanar in Istanbul ab.
DT/sba
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