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Unser System ist stärker

Der Bundestag hat nicht nur ein klares Zeichen gegen die russische Aggression gesetzt, er hat vor allem auch durch die Qualität der Debatte bewiesen, dass die parlamentarische Demokratie stärker ist als das System Putin.
Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine
Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa) | Bundeskanzler Olaf Scholz hält zu Beginn der Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine eine Regierungserklärung.

Stehende Ovationen für die russische Opposition, stehender Applaus auch von allen Fraktionen mit Ausnahme des rechten und linken Randes für die Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Das wichtigste Signal dieses Sonntagmittags: Der Deutsche Bundestag ist keine „Schwatzbude“, so wie demokratisch gewählte Parlamente von den Anhängern autoritärer Staatsvorstellungen verächtlich gemacht werden. In einer Ausnahmesituation beweist das deutsche Parlament, dass es der Ort ist, wo die deutsche Demokratie zu sich selbst kommt, wo sie ihre Handlungsfähigkeit beweist und ihre Wehrhaftigkeit unter Beweis stellt. Die Regierungsparteien und die größte Oppositionsfraktion von CDU und CSU sind sich einig in ihrer Diagnose der Situation: Russland führt einen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Solidarität Deutschlands gehört dem ukrainischen Volk.

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Eine Systemfrage

Es geht, wie Robert Habeck zurecht in seiner Rede betont hat, um eine Systemfrage. Wladimir Putin ist nicht stark, er agiert aus Angst. Er hat Angst um die Stabilität seines Regimes, Angst vor einer demokratischen Opposition, die es ja in Russland gibt, wie die vielen Demonstrationen im Land zeigen. Entscheidend ist jetzt, dass eine freiheitliche Demokratie wie die Bundesrepublik durch die Art und Weise, wie sie wie sie auf die russische Aggression reagiert, ein Beispiel dafür gibt, dass unser System der Freiheit stärker ist als das System Putin. Genau dieses Beispiel hat der Bundestag an diesem Sonntag gesetzt, es wirkt nach innen, ist vor allem aber auch ein Signal nach außen.

Denn Kernelement des Parlamentarismus ist die Debatte. Der Bundestag hat an diesem Vormittag bewiesen – der rechte und der linke Rand ausgenommen -, dass bei aller Klarheit und Übereinstimmung in den Grundsätzen, dennoch eine Debatte über sachliche Fragen und die Bewertung einzelner Maßnahmen möglich sein kann und möglich sein muss. Der Bundeskanzler hat angekündigt, dass 100 Milliarden Euro als ein Sondervermögen Bundeswehr im aktuellen Haushalt und künftig zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Ausstattung der Bundeswehr investiert werden sollen.

Neue Debattenqualität

Oppositionsführer Friedrich Merz hat der Grundtendenz dieses Plans zugestimmt und Unterstützung angeboten, gleichzeitig aber auch mit Blick auf die Finanzierung Diskussionsbedarf angemeldet. Auch dies ein wichtiges Zeichen für die Stabilität unseres Parlamentarismus: Bei aller Einigkeit im Grundsätzlichen, die Opposition ist handlungsfähig und nimmt auch in der Krise ihre Aufgabe wahr, die Regierung zu kontrollieren. 

Und zur Debattenqualität gehört auch: Merz hat festgestellt, dass die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik der letzten Jahre vor einem Scherbenhaufe stünde. Er hat aber der Versuchung widerstanden, den schwarzen Peter alleine der Bundesregierung zuzuschieben, sondern vielmehr eingestanden, dass die Verantwortung für diese Situation in allen Fraktionen zu suchen sei. Das alles macht Hoffnung: Die bleierne Schwere, die sich in der langen Phase der Großen Koalition über das Parlament gelegt hat, ist weg. Das ist gut. Es war bitter nötig. Man wird diesen Sonntagmittag einmal eine Sternstunde des Parlamentes nennen.

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