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Nennt mich Friedrich Merkel

Friedrich Merz will gar keine andere CDU. Seine Anhänger hat er enttäuscht. Stattdessen macht er sich zum Fürsprecher des alten Establishments. Vor allem die Jungen sind enttäuscht.
Die Arbeit von Friedrich Merz als Fraktionsvorsitzender wird durchaus geschätzt.
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Die Arbeit von Friedrich Merz als Fraktionsvorsitzender wird durchaus geschätzt. Aber als Parteivorsitzender, so sagt man zumindest hinter vorgehaltener Hand recht deutlich, ist er gescheitert.

Friedrich Merz hat seine Anhänger im Stich gelassen. Für die Christdemokraten, die ihre größten Hoffnungen in den Sauerländer gesetzt haben, muss dieser Parteitag eine große Enttäuschung sein. Freilich es war eine Enttäuschung mit Ansage. Das hing vor allem mit überzogenen Erwartungen zusammen. Ein Einzelner kann nicht die Partei, die fast zwei Jahrzehnte von der Vorgängerin geprägt worden ist, von heute auf morgen umkrempeln. Er wird Kompromisse machen müssen. Er muss integrativ wirken. Er muss aufpassen, dass die verschiedenen Flügel nicht auseinanderdriften.

Friedrich Merz will die Partei nicht ändern

Aber jetzt steht fest: Auch alle diese Bedingungen einkalkuliert, will Friedrich Merz diese Partei gar nicht ändern. Nirgendwo zeigt sich das so wie in der Frage der Frauenquote. Indem er hier das Establishment, alle tendenziell Generation „50 plus“ und eher Typus Funktionär als Macher, gestützt hat, ist er deren Propaganda-Trick aufgesessen, der noch aus der Ära Merkel stammt: Man stünde für Reformen, die die Gesellschaft, besonders die Jungen, und hier besonders die jungen Frauen erwarten.

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Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Quote ist ein Instrument aus den 80ern. Und sie wird abgelehnt, zumindest von den Jungen, vor allem auch den jungen Frauen, die überhaupt für die Union ansprechbar sind. Die Entscheidung der Union für die Quote ist keine Profilierung, sondern eine Angleichung an das, was die anderen Parteien auch schon machen. Die Redebeiträge, die pointiert gegen die Quote argumentierten, stammten fast ausschließlich von jungen Frauen. Auf der anderen Seite dominierten Veteraninnen aus der Merkel-Ära mit Doppelnamen. 

Merz hat es sich mit der Generation in seiner Partei verdorben, die klar anti-kollektivistisch denkt. Interessanterweise sind das gerade die Jahrgänge, die in der Merkel-Ära aufgewachsen sind und sie als eine bleierne Zeit empfunden haben. Diese Generation hoffte auf Aufbruch. Auch mit Blick auf die Grundsatzprogramm-Diskussion.

Es siegen Technokratie und Status-quo-Denken

Doch als es hier um die Frage ging, ob man denn von „Gleichstellung“ oder „Gleichberechtigung“ der Geschlechter sprechen sollte, setzte sich auch hier der Status-Quo -Flügel durch. Die „Gleichstellung“ siegte. Carsten Linnemann sprach zurecht von einem „kollektivistischen“ Begriff. Doch die Antragskommission wollte es anders. Und die Delegierten folgten der Empfehlung. So siegten Technokratie und Status-quo-Denken.

Der Frust unter den Jungen, das konnte man in Gesprächen immer wieder heraushören, ist hoch. Die Arbeit von Friedrich Merz als Fraktionsvorsitzender wird durchaus geschätzt. Aber als Parteivorsitzender, so sagt man zumindest hinter vorgehaltener Hand recht deutlich, ist er gescheitert. Ein später Sieg für Angela Merkel, die aus Gesundheitsgründen übrigens eine Teilnahme abgesagt hatte?

Merz orientiert sich in seiner Art, die Partei zu führen, offenbar an der Alt-Kanzlerin. Die wirklich mächtigen Männer im Hintergrund sind nun die beiden letzten Wahlsieger, die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und Daniel Günther. Es lohnt sich, Wetten darauf abzuschließen, wer von beiden Kanzlerkandidat werden wird. Für Merz steht die Quote jedenfalls schlecht.

Lesen Sie weitere Berichte vom CDU-Parteitag in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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