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Ein neues Lied – oder doch nur die alte Leier?

Merz spricht beim CDU-Bundesparteitag wie immer. Ums „C“ geht es auch. Spannende Entscheidungen fallen aber erst morgen.
Ein Stimmungsmesser war die Grundsatzrede von Friedrich Merz.
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Ein Stimmungsmesser war die Grundsatzrede von Friedrich Merz. Er bekam – das wird bei CDU-Parteitagen immer ganz genau gemessen – sechs Minuten stehende Ovationen.

Am Anfang wird sogar gesungen. Bei der ökumenischen Andacht, die traditionell am Beginn des CDU-Bundesparteitages steht, spielt das Bläserensemble, direkt nach der Predigt von Prälat Karl Jüsten: „Sonne der Gerechtigkeit“. Und es darf miteingestimmt werden. Doch der Gesang ist schleppend. Erst mit Strophe zwei wird er langsam, dann aber stetig immer lauter. Immer mehr singen mit. Eine Szene, die sich auch auf die CDU insgesamt übertragen lässt? Wenn die Partei eine Stimme haben will, die zu hören ist, braucht sie dann die Textsicheren, die Mitglieder mit Gesangbuch, die wissen, wie man das hohe C anstimmt und dann auch die Grundmelodie hält? 

Es wird auch um einen katholischen Arbeitskreis gehen

Was die Delegierten, und damit ein repräsentativer Querschnitt der deutschen Christdemokratie, über diese Frage denkt, wird sich schon morgen zeigen. Dann geht es im Plenum auch darum, ob sich ein Katholischer Arbeitskreis auf Bundesebene gründen soll. „Noch ein neuer Arbeitskreis, muss das denn sein?“ – das hört man von vielen Delegierten, auch von solchen, die durchaus auf ihre katholische Prägung Wert legen und bei anderer Gelegenheit aus ihrem katholischen Herzen auch keine Mördergrube machen. Aber: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis.“ - den Funktionären, den Leuten aus dem Parteiapparat, ist der alte Spruch zur festen Lebensweisheit geworden. Arbeitskreis, das klingt für sie nach Vertagung, nach Randthema -  und damit nach „unwichtig“. Der Einwand, dass seit vielen Jahrzehnten schon ein „Evangelischer Arbeitskreis“ bestehe, zieht da auch nicht wirklich. 

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Eher könnte ein anderer Punkt überzeugen. Angesichts der gesellschaftspolitischen Agenda der Ampel müssen die Christdemokraten feststellen: Sie sind sprachlos, sie sind auf diesen Themenfeldern sprechunfähig geworden. Unwillen, Abwehr – das mögen Einzelne artikulieren, aber es fehlen Argumente, die überzeugen, vielleicht sogar Leute im anderen Lager umdrehen könnten oder mit denen sich gar eine Meinungsführerschaft erkämpfen ließe. „Es braucht parteinterne Think Tanks“, hört man von einem prominenten Christdemokraten im Hintergrundgespräch. Könnte nicht ein Katholischer Arbeitskreis so ein Think Tank werden?

Immerhin wird innerhalb der Partei selbst diese Sprachlosigkeit offenbar zumindest zum Teil als Defizit wahrgenommen: Der Kreisverband Paderborn hat den Antrag gestellt, dass die „Christdemokraten für das Leben“ – sie haben bisher keinen besonderen Status innerhalb der Partei – zur Sonderorganisation erklärt werden. Dass so ein Antrag tatsächlich durchkommt, ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Aber hier zeigt sich doch, dass sich in der Basis etwas tut. Zu welchen Entscheidungen des Parteitages das führt – darüber wissen wir morgen mehr. 

Merz' Grundsatzrede als Stimmungsmesser

Ein Stimmungsmesser war die Grundsatzrede von Friedrich Merz. Er bekam – das wird bei CDU-Parteitagen immer ganz genau gemessen – sechs Minuten stehende Ovationen. Das wäre nach Kanzlermaßstäben gerechnet nicht besonders viel, aber Merz ist ja nur Parteivorsitzender und insofern ist das kein schlechter Wert. Merz hat mehr oder weniger das geliefert, was die christdemokratische Seele erwartet: Scharfe Attacken gegen Olaf Scholz und Robert Habeck, Reminiszenzen zur Geschichte der CDU. Am deutlichsten – hier gab es auch den stärksten Applaus – wurde Merz mit Blick auf die Gender-Ideologie. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe einen Informationsauftrag, werde durch Steuergelder und Gebühren finanziert. Er dürfe keine „Erziehungsanstalt“ sein, die den Bürger jenseits geltender Grammatikregeln zur Gender-Sprache anleite.

Und zum „C“ hat Friedrich Merz dann auch noch etwas gesagt. Das „C“ bleibe ein unverzichtbarer Bestandteil des CDU. „Und zwar nicht, weil wir evangelisch oder katholisch sind. Sondern weil wir im tiefsten Innern wissen, dass es eine höhere Instanz gibt als uns.“ Ob er mit dieser konkret unkonkreten Formulierung den innerparteilichen Status quo getroffen hat, wird sich schnell zeigen. Und auch, ob er als Dirigent willens ist, im großen Parteiorchester dem C-Flügel den Einsatz zu geben, damit dieser künftig etwas lauter aufspielen kann.      

Lesen Sie weitere Berichte vom CDU-Parteitag in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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