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Konservative in der Union: Polemik oder Programm-Strategie?

Das konservative Lager steht am Scheideweg. Das zeigt eine Podiumsdiskussion der WerteUnion mit Hans-Georg-Maaßen, Sylvia Pantel, Werner Patzelt, Moritz Hunzinger und Max Otte.
Hans-Georg Maaßen, Ex-Verfassungsschutzpräsident
Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa)

Das konservative Lager in der Union ist kein monolithischer Block. Das zeigte sich wenige Tage vor der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden auf dem Bundesparteitag ausgerechnet bei einer Veranstaltung der WerteUnion (WU), der rund 4.000 Mitglieder starken selbsternannten Sprecherin der konservativen Basis. Das Lager steht vielmehr vor einem Scheideweg und der Trennung in eine konstruktive Fraktion und eine andere Gruppe, die letztlich langfristig ihre Zukunft wohl nicht innerhalb der Union finden wird.

"Schicksalsjahre einer Volkspartei"

Doch der Reihe nach: „Schicksalsjahre einer Volkspartei“ ist die Podiumsdiskussion überschrieben, bei der am Montagabend der Politik-Professor Werner Patzelt, die ehemalige Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel, der Bundesvorsitzende der WerteUnion Max Otte, Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Medienunternhemer Moritz Hunzinger über die Zukunft der Union diskutierten. Sie alle verbindet die Mitgliedschaft bei den Christdemokraten wie auch die Sehnsucht nach einer Rückkehr zu einer als klassisch empfundenen CDU-Politik. Sie alle deuten die Ära Merkel als eine Phase des Profilverlustes.

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Der Einigkeit in der Diagnose entspricht aber keineswegs ein Konsens in der Frage, wie denn nun das Rezept für die Lösung der Probleme auszusehen hätte. Da ist zunächst einmal die Sprache: Moritz Hunzinger, der in den letzten Jahrzehnten als schillernder PR-Unternehmer mit Freude an der Provokation immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat, erklärte, er sei nicht vor über vier Jahrzehnten in die CDU eingetreten, damit zwei Millionen Muslime, die unintegrierbar seien und zumeist aus „Steinzeitländern“ stammten, nach Deutschland kämen. Und ergänzte: Wenn er morgens im öffentlich-rechtlichen Fernsehen das Morgenmagazin einschalte, dann störe ihn, dass dort „über die Hälfte Gesichter mit Migrationshintergrund“ zu sehen seien. Das sei überdimensioniert.

„Über die Hälfte Gesichter mit Migrationshintergrund“

Für das CDU-Personal fand er ebenfalls nur negative Noten: Nicht einer der Spitzenleute sei positiv zu bewerten. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien, die den Ausschluss von Hans-Georg Maaßen gefordert hatte, sei „scheußlich“ und habe in der CDU nichts verloren, die türkischstämmige CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler „unverschämt“. Lobeshymnen sang der 62-Jährige hingegen auf den AfD-Abgeordneten Norbert Kleinwächter, der kürzlich im Bundestag eine phantastische Rede gehalten habe. So etwas sei von der CDU schon seit Jahren nicht mehr gehört worden.

Polemik bot aber auch der WU-Bundesvorsitzende Max Otte. Über die langjährige Bundesvorsitzende seiner Partei und ehemalige Bundeskanzlerin merkte er an: Angela Merkel sei „durch und durch DDR“ gewesen. Sie habe ein „Zerstörungswerk“ in Gang gesetzt. Friedrich Merz, den die WerteUnion immer unterstützt habe, sei nicht vielversprechend gestartet. Otte hoffe jedoch trotzdem, dass dieser zu Gesprächen mit der WerteUnion bereit sei. Woher der Ökonom, der von Juni 2018 bis Januar 2021 dem Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung vorsaß und dessen Wahl zum Vorsitzenden im Mai letzten Jahres für erhebliches Aufsehen gesorgt hatte, angesichts seiner Brachialkritik hier seinen Optimismus nimmt, blieb offen. 

Eine Trennlinie wird deutlich

Und hier wurde eine erste Trennlinie deutlich: Sylvia Pantel, die immerhin beim Bundesparteitag für den Bundesvorstand der CDU kandidieren will, saß angesichts dieser Fundamentalkritik an ihrer Partei sichtlich in der Zwickmühle. Zunächst grenzte sie sich von Hunzingers polemischen Ausfällen ab. Mit Blick auf dessen Aussage zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellte sie fest, es komme nicht darauf an, woher jemand komme, sondern was er sage. Hier dürfe es keinen falschen Zungenschlag geben. Pantel, die bei der letzten Bundestagswahl der Wiedereinzug in das Parlament verpasst hatte, ist Vorsitzende des „Berliner Kreises“, eines Zusammenschlusses konservativer CDU-Abgeordneter. In einer Zwischenbemerkung betonte sie, dass WerteUnion und „Berliner Kreis“ zwei voneinander unabhängige Vereinigungen seien. Ein erstes Zeichen dafür, dass ihr zeitweise der Boden bei dieser Podiumsdiskussion mit Blick auf ihre Kandidatur doch zu heiß geworden war? Jedenfalls verzichtete sie auf Fundamentalkritik und betonte vielmehr die Möglichkeiten, die sich auch jetzt für Konservative für eine Mitarbeit böten. Ihre Stimme sei in der Fraktion immer gehört worden. Es gehe vor allem darum, denn Mut aufzubringen, die eigenen Positionen zu vertreten.

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Weiter warnte Pantel davor, Friedrich Merz vorschnell als gescheiterten konservativen Hoffnungsträger abzuqualifizieren. Dieser sei schließlich noch nicht zum Vorsitzenden gewählt worden und könne erst dann wirklich agieren. Auch sei ihr Eindruck, sie berichtete von einem Treffen bei CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, dass man sich in der Partei angesichts der Wahlniederlage durchaus darüber klar sei, dass nun Konsequenzen gezogen werden müssten. Pantel warnte vor einer Pauschalkritik des politischen Betriebes und versuchte, bei den Zuhörern Verständnis für die Situation von Abgeordneten aufzubringen. Diese seien auch vielfach Getriebene. Es wäre fatal, wenn diejenigen, die sich durch ihr politisches Engagement für das Allgemeinwohl einsetzen wollten, immer nur kritisiert würden. Schon gleich zu Anfang ihrer Ausführungen hatte sie festgestellt, wohl mit Blick auf die in manchen Kreisen gebräuchliche Wendung von einem „Merkel-Regime“, wir lebten in einer Demokratie und keiner Diktatur.

Patzelt mahnt zu mehr Gelassenheit

Einen Verbündeten fand Pantel in Politik-Professor Werner Patzelt. Der aus Budapest zugeschaltete Dresdner Politikwissenschaftler mahnte zu mehr Gelassenheit. Aufgabe könne es jetzt nicht sein, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Die Union müsse vielmehr den Blick nach vorne wenden und vor allem auf zwei Fragen Antworten geben: „Wofür will die Union stehen für die nächsten zehn, 15 Jahre? Und: Warum will die Union dafür einstehen?“

Patzelt verband diese Aussage mit einer Spitze gegen Hans Georg Maaßen. Der hatte zuvor mit Blick auf die Aufregung um seinen impfkritischen Beitrag auf der Plattform GETTR gesagt (Maaßen hatte ein Video des umstrittenen Mikrobiologie-Professors Sucharit Bhakdi geteilt), dieses Beispiel zeige, mit welchen Mechanismen kritische Stimmen in der Öffentlichkeit diskreditiert würden. Bei Schopenhauer habe er gelesen, wenn alles nichts mehr nütze, um Kritiker anzugreifen, müssen man schließlich grob werden. Maaßen habe diese Grobheit nun selbst erfahren, indem ihm unterstellt worden sei, er sei Antisemit.
Patzelt stimmte Maaßen nun zwar in seiner Einschätzung zu, es gebe eine linke Hegemonie über die Öffentlichkeit. Nur legte der Politik-Professor dabei seinen Schwerpunkt auf die nüchterne Analyse. Auf die Grobheit dürfe man nicht mit Emotionalität reagieren. Man dürfe sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen. Das ginge vielleicht beim politischen Gespräch im Freundeskreis, für eine wirkliche politische Strategie sei das aber zu wenig. Die Union bedürfe vor allem einer neuen intellektuellen Unterfütterung ihres programmatischen Anspruchs.

Und hier sieht Patzelt auch eine Aufgabe für die WerteUnion: Sie müsse wie einst der Dominikanerorden zur Erneuerung der Kirche beigetragen habe nun auf ähnliche Weise versuchen, die Partei zu erneuern. Schließlich müsse man wissen: „Die Wirklichkeit ist unser bester Verbündeter.“ Es sei nur eine Frage der Zeit bis die tatsächliche Sachlage in der Energie-, der Außen- und auch der Migrationspolitik auch die Ampel-Regierung dazu zwingen würde, sich von ihren im Koalitionsvertrag formulierten Wünschen zu verabschieden und sich der Realität zu stellen. Es werde der gleiche Effekt einsetzen wie mit der „Agenda 2010“ in der Ära Schröder.

WerteUnion scheint nicht gewappnet

Ob die WerteUnion aber für so eine Aufgabe wirklich gewappnet ist, scheint fraglich. So betonte Max Otte in seinen Statements stets den aktivistischen Ansatz. Man befände sich in einer „Kulturrevolution“.  Viel Lob fand er für die im ganzen Land durchgeführten „Spaziergänge“. Offenbar, so wurde deutlich, würde er hier gerne anschließen.

Zu Beginn der Debatte hatte der Moderator der Runde, Martin Lohmann, darauf hingewiesen, diese Veranstaltung solle der „Dialogkultur“ dienen. Insofern war diese Diskussion tatsächlich aufschlussreich: Denn hier wurden offen Positionen bekannt. Und das konnte auch zu Einsichten führen: Vor allem stellt sich die Frage, ob das konservative Lager, das sich hier präsentierte, überhaupt ein einheitliches Lager ist. Spannend wird sein, inwieweit die Protagonisten dazu bereit sind, aus den Bruchlinien, die sich hier gezeigt haben, auch Konsequenzen zu ziehen.    

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