Was hat Stephanus, der erste Märtyrer der Christenheit, eigentlich mit Weihnachten zu tun? Die Kirche hebt mit Stephanus unmittelbar nach dem Fest der Geburt Christi einen Menschen hervor, der sein Leben radikal nach dessen Vorbild führte – bis zum Martyrium. Damit zeigt sie, dass das Kind in der Krippe untrennbar mit dem Weg des Glaubens verbunden ist, der Opfer, Hingabe und Liebe einschließt.
Stephanus war einer der sieben Diakone der Jerusalemer Urgemeinde. Er engagierte sich im Dienst an den Armen und Bedürftigen, predigte mutig das Evangelium und hielt leidenschaftliche Plädoyers für die Heilsgeschichte Gottes und Christus. Weil er sich zu Jesus bekannte, wurde er angeklagt, aus der Stadt hinausgeführt und gesteinigt. Noch unter größtem Druck und im Angesicht des Todes blieb er standhaft und ging dann als der erste Märtyrer des Christentums in die Geschichte ein. Sein letzter Satz ist weltberühmt: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“ (Apg 7,60) Eusebius von Caesarea bezeichnete ihn als „vollkommenen Märtyrer“ — nicht nur wegen seines Todes, sondern wegen seines ganzen Lebens in der Hingabe an Gott, aus der der Dienst an den Menschen erwuchs.
Wenn Anbetung von Erwartungen und Pflichten verdrängt wird
Stephanus‘ Mut erinnert daran, dass Glaube mehr ist als ein Ritual. Er ist eine Überzeugung, eine Haltung: Aus der Treue zu Christus und seiner Kirche fließen Klarheit in der Verkündigung und gelebte Liebe. Der heilige Stephanus starb für die Wahrheit. Und sein Leben gibt auch für Weihnachten vielleicht mehr Richtungsweisung als man auf den ersten Blick meinen könnte. Wer Weihnachten nur nach äußerem Brauch feiert, in dem Familienbesuche zu Erwartung und Pflicht werden, verfehlt den wahren Sinn des Festes. Stephanus zeigt uns, dass die wahre Verbindung zu Christus Erwartungen anderer enttäuschen kann — und manchmal muss.
Die Parallele zum Familiengeschehen an Weihnachten liegt also im Kern des Festes selbst: Christus. Viele Menschen erleben heute Weihnachten als Termindruck. Familientreffen sind zu einer Pflicht auf der einen Seite und zu einer Reihe von Erwartungen auf der anderen Seite geworden. Ruhe und Besinnung, die das Fest eigentlich bringen soll, enden oft in Hektik: der Hetze von Haus zu Haus – oft nicht aus Freude, sondern aus Angst, Erwartungen nicht zu erfüllen oder Konflikte auszulösen. Besuchsmarathons, oftmals in Folge von Erwartungen anderer, lassen die Menschen innerlich nicht zur Ruhe kommen, sondern steigern oft den Frust.
Die wahre Freude am Christfest
Hier ist eine Schieflage entstanden. Erwarten sollte der Mensch an Weihnachten alles vor allem von Christus. Dass Weihnachten auch ein Fest des Zusammenseins ist, steht nicht zur Debatte. Doch wer nur kommt, weil er muss, und wer nur erwartet, was ihm zusteht, hat den Sinn des Festes verfehlt. Mutter Teresa von Kalkutta lehrte, dass Liebe in kleinen Taten die Welt verändert. Aber sie müssen freiwillig sein. Weihnachten lebt von der Freiheit des Herzens, von Begegnungen aus Liebe, nicht aus Pflicht.
Besonders die Begegnung mit Christus drohen Menschen bei all den Erwartungen aus den Augen zu verlieren. Papst Benedikt XVI. erinnerte einmal: „Die wahre Freude am Christfest liegt nicht im äußeren Fest, sondern in der Begegnung mit dem, der in der Krippe liegt.“ Kostbar werden gemeinsame Zeiten in der Familie vor allem dann, wenn sie gefüllt werden mit der Stille, in der Christus zum Menschen sprechen darf — wenn Er Mittelpunkt der Treffen ist.
Mut zum Wesentlichen
Der heilige Stephanus hat Jesus an die erste Stelle in seinem Leben gesetzt. Während jene hofften, Stephanus würde die gegen ihn erhobenen Vorwürfe widerrufen und die Verkündigung der Botschaft Jesu einstellen, blieb er standhaft und bekräftigte seinen Glauben. In seiner Rede vor dem Hohen Rat rief er den Anwesenden die Geschichte Israels ins Gedächtnis, warf ihnen vor, Propheten bis hin zu Jesus verfolgt und die Anweisungen Gottes missachtet zu haben.
Seine Standhaftigkeit zerstörte die Erwartungen der Menschen und versetzte die religiösen Obrigkeiten in Rage. Auch heute kennen manche Familien ähnliche Dynamiken: Wer sich nicht den Erwartungen anderer beugt, muss mit Kritik, Ablehnung und Lästerparaden hinter seinem Rücken rechnen. Das ist der Preis hoher Erwartungen und der Inanspruchnahme der eigenen Freiheit. Stephanus zeigt: Mut bedeutet, sich auf das Wesentliche einzulassen, auf die Wahrheit, auf Christus, auch wenn andere enttäuscht werden.
Weihnachten ist kein Punkt auf der To-do-Liste. Weihnachten ist kein Ego-Moment, kein Konsumfest, kein Pflichterfüllungsritual. Wer nur Termine abhakt und Erwartungen erfüllt, verpasst Weihnachten. Wer jedoch freiwillig liebt, anderen ihre Freiheit lässt, innehält und Christus die erste Stelle einräumt, zuerst die Begegnung mit ihm sucht, wie der heilige Stephanus es tat, erlebt Weihnachten wirklich. Weihnachten wird dann echt, wenn wir die Begegnung mit Christus über äußere Pflichten stellen. In dieser Hingabe trägt das Fest den wahren Sinn und wir erfahren einen Frieden und eine Liebe, die nur von Gott kommen können.










