Der 3. Oktober ist nicht nur der Tag der Deutschen Einheit, sondern am 3. Oktober jährt sich auch der Todestag von Franz Josef Strauß. Dass sein selbst ernannter Meisterschüler Peter Gauweiler 36 Jahre später einmal vor einem Meer von Fahnen mit weißen Tauben bei einer Demonstration der sogenannten Friedensbewegung sprechen würde, hätte sich der CSU-Urvater wohl nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen können.
Gauweiler sieht in seinen Mahnungen durchaus keinen Bruch zu der Politik von Strauß. Ein Feuer dürfe nicht mit Benzin gelöscht werden. Es sei Wahnsinn, „jetzt Raketen nach Russland reinschießen zu lassen“. Das CSU-Urgestein sieht sich mit seinen Ermahnungen auch in einer Linie mit Papst Franziskus.
Der Höhepunkt: die Rede Sahra Wagenknechts
Höhepunkt der Demonstration des Bündnisses „Nie wieder Krieg“, das von unterschiedlichen Organisationen, größtenteils aus dem linken Spektrum, getragen wird, war freilich die Rede von Sahra Wagenknecht. Sie nahm bezeichnenderweise Annalena Baerbock ins Visier. Die Außenministerin sei „ein Sicherheitsrisiko“, so die BSW-Politikerin. Sie prägte damit ein Argumentationsmuster, das sich durch viele Reden bei der Hauptkundgebung an der Berliner Siegessäule zog. Vor allem die Ampel-Politiker – der Vorsitzende der IG Metall Jugend, Joshua Müller, nannte etwa auch explizit Olaf Scholz, Boris Pistorius und Annalena Baerbock – wurden angegriffen und als tendenzielle Kriegstreiber dargestellt. Erinnerungen an alte kommunistische Slogans der Zwischenkriegszeit werden wach: „Wer hat euch verraten – Sozialdemokraten.“
Überhaupt ist an diesem Nachmittag die alt-linke Folklore sehr dominant. Auf mancher gelben Ordnerweste sieht man Hammer und Sichel. Kommunistische Organisationen schwenken rote Fahnen. Und um 16.22 Uhr erklingt dann endlich auch „die Internationale“, allerdings in einer Rap-Version. Viele strecken dazu die Faust in die Luft.

Die Organisatoren – am Ende wird ein „Berliner Appell“ verkündet – geben zumindest nach außen hin vor, ein breites gesellschaftliches Bündnis anzustreben. Das Spektrum der Erstunterzeichner deckt den ganzen linken politischen Bereich ab, von SPD-Vertretern über Gewerkschaften und Umweltorganisationen – die ehemalige evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann ist auch dabei – bis hin zu dezidierten Marxisten.
„Es muss demokratisch aussehen“
Ob allen Unterzeichnern die alte marxistische Taktik bekannt ist, nach der man solche Bündnisse gerne möglichst breit fasst, um im Hintergrund die Regie zu führen? Wie sagte doch Walter Ulbricht: „Es muss demokratisch aussehen.“ Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der „Friedensbewegung“ vor vier Jahrzehnten gegen den Nato-Doppelbeschluss könnte für diese Gefahren sensibilisieren. Damals war es nämlich so.
Diese Berliner Demo war jedenfalls keine Wiederholung der Kundgebung im Bonner Hofgarten 1981, die für viele der damaligen jungen Generation eine Art von politischem Woodstock war. Die Veranstalter sprachen am Ende der Demo von 50.000 Teilnehmern. Die Polizei zählte am Mittag circa 10.000 Menschen. Man wird die endgültigen Zahlen abwarten müssen.
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