Ist ein Nationalfeiertag für die Beziehung zwischen Bürger und seinem Staat das, was der Valentinstag für ein Liebespaar darstellt? „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau“, sagte der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann in den 70er Jahren auf die Frage, ob er diesen Staat liebe. Damit brachte er eine Grundstimmung auf den Punkt, die zumindest für die alte Bundesrepublik bestimmend war und auch heute noch in weiten Teilen Westdeutschlands mehrheitsfähig sein dürfte.
Dahinter steht, das darf man natürlich nicht vergessen, die Erfahrung der übersteigerten, in götzenhafte Verehrung umgeschlagenen Vaterlandsliebe während der Zeit des NS-Regimes. Die Generation Heinemann hatte endgültig genug von Militärparaden und heiligen Schwüren in schwülstigen Feierstunden. Man wollte nicht mehr zackig sein, die „Bonner Republik“ war eine runde Sache.
Was es heißt, ein deutscher Patriot zu sein
Nun sind wir einige Generationen weiter, haben das Glück der Deutschen Einheit erlebt und müssen uns nun in dieser anderen Welt die Frage stellen, was es denn heißen könnte, ein deutscher Patriot zu sein. Die Bonner Zivilität sollten wir nicht völlig vergessen. Aber die Zusammenhänge können wir heute etwas anders gewichten. Mit Blick auf das Heinemann-Zitat vielleicht so: Gerade weil ich meine Frau liebe, sollte ich auch dem Gemeinwesen zugetan sein. Jeder Bürger strebt nach dem guten Leben für sich und seine Lieben. Das macht er aber nicht abgekapselt vom Rest. Er lebt in einem Land, in einem Gemeinwesen, das Geschichte hat und in dieser zu dem geworden ist, was es ist. Er hat Interesse daran, dass dieses Gemeinwesen – oder wie es ganz richtig in unserer Nationalhymne heißt: „das deutsche Vaterland“ – blühe, denn dann blüht auch das eigene Leben.
Eigentlich ganz einfach – und in den meisten Ländern auch selbstverständlich. Nur in Deutschland ist der Patriotismus immer noch im falschen Sinne politisiert. Er ist vielfach nicht einfach selbstverständlich. Die Extremformen sind leider immer noch vorhanden: Entweder wird er total abgelehnt, Nationalhymne und Fahne gelten als böse faschistoide Symbole. Oder der Patriotismus degeneriert zum Nationalismus – dem schlimmsten Feind der echten Vaterlandsliebe, denn er ist von Hass auf die Anderen, nicht von der Liebe zum Eigenen getrieben. Dem Großteil der Bevölkerung ist aber die ganze Fragestellung vermutlich einfach vollkommen egal – das ist sozusagen der Extremismus der Lethargie, auch toxisch für unsere res publica.
Auf Papst Franziskus hören
Wir sollten auf Papst Franziskus hören: Bei der Audienz einer ökumenischen Pilgergruppe aus Sachsen erinnerte er nun an das „Wunder der Deutschen Einheit“: „Im Oktober 1989 habt ihr eine Ahnung davon bekommen, als es einigen evangelischen und katholischen Christen in Dresden gelang, der Polizei entgegenzutreten. Es war wie ein Wunder, dass damals kein einziger Schuss fiel, und sich in der Folge ein friedlicher Weg auch in anderen Staaten auftat, den niemand für möglich gehalten hätte und der schließlich zum ,Wunder der Deutschen Einheit‘ führte.“ Über dieses Wunder können wir uns freuen und Zuversicht daraus schöpfen, dass es sich lohnt, als Patriot für sein Land einzustehen.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.