Was für ein Abenteuer: In den Wirren ihres zerfallenden Reiches rettete das österreichische Kaiserpaar nicht nur das eigene Leben und das seiner Kinder, sondern auch einige kulturgeschichtlich bedeutende Schmuckstücke aus dem Familienbesitz. Während in Österreich die Sozialisten ab 1919 eine umfassende Enteignung der Habsburger durchsetzten, veräußerte die kaiserliche Familie einige Stücke, um sich im Schweizer Exil über Wasser zu halten.
Doch obwohl es dann wirtschaftlich bergab ging und die Familie weitgehend mittellos auf Madeira und im spanischen Baskenland ums Überleben kämpfte, hielt Kaiserin Zita den Schatz zusammen. Mehr noch: Als die Nazis die Familie durch halb Europa jagten, als Zita in Belgien und Otto von Habsburg in Paris nur knapp den Häschern Hitlers entrannen, da brachte Zita den Familienschmuck nach Kanada in Sicherheit.
Am Donnerstag der Vorwoche gaben die Habsburger bekannt, dass der Schatz unbeschädigt und wohlbehalten in Kanada ist und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Doch wie reagiert Österreichs Kunst- und Kulturminister Andreas Babler, der zugleich SPÖ-Chef und Vizekanzler ist? Gratuliert er der österreichischsten aller Familien im Namen der Republik und vereinbart einen Besichtigungstermin? Verhandelt er mit den Eigentümern über eine Sonderausstellung in der Wiener Schatzkammer oder im Kunsthistorischen Museum? Nein, nichts von alledem.
Mehrfache Enteignung der Habsburger
Stattdessen wies Babler die „Finanzprokuratur“ als Anwaltschaft der Republik an, die Eigentumsfrage zu klären, damit der Habsburgische Familienschmuck der „Rückholung“ zugeführt werden kann. Was einmal den Habsburgern gehörte, das gehört nach Auffassung der österreichischen Sozialisten irgendwie grundsätzlich jetzt der Republik. Mit dieser Einstellung raubte man der bedeutendsten Herrscherfamilie Europas bereits 1919 alles „bewegliche und unbewegliche“ Vermögen, wie es im Gesetz über die „Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen“ vom 3. April 1919 heißt. Ganz auf dieser Linie will der SPÖ-Chef jetzt offenbar auch an den toskanischen „Florentiner“-Diamant, an eine wertvolle Uhr der französischen Königin Marie-Antoinette und an den diamantbesetzten Vlies-Orden von Kaiser Joseph II. heran.
Was mit der Exilierung und Enteignung der Habsburger 1919 begann, fand seine Fortsetzung übrigens bei Adolf Hitler, der das wenige Privatvermögen, das den Habsburgern in der Zwischenkriegszeit zurückerstattet worden war, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich 1938 gleich wieder verstaatlichte. Die Zweite Republik hielt daran ausdrücklich fest – bis heute. In dieser Tradition sammelt Österreichs „linke Reichshälfte“ nun Argumente, den Habsburgern den neu aufgetauchten Familienschmuck abzunehmen, egal ob dieser (wie der „Florentiner“) erst durch Franz Stephan von Lothringen in habsburgischen Familienbesitz gelangte oder wie besagte Uhr von Kaiserin Maria Theresia ihrer Tochter Marie-Antoinette nach Paris geschickt wurde.
Benito Mussolini als Kronzeuge
Beim „Florentiner“ wird nun medial sogar als Argument gespielt, dass Italiens Diktator Benito Mussolini der kaiserlichen Familie im Jahr 1923 „den Verkauf der ehemals der toskanischen Krone gehörenden Vermögenswerte untersagte“. Nein, nicht in Giorgia Melonis Italien, sondern in Österreich wird Mussolini als Kronzeuge für eine vierte Enteignung der Habsburger ins Feld geführt. Während die Weltpresse über das abenteuerliche Leben von Kaiserin Zita staunt, erweist sich Österreich wieder einmal als Republik der Neidgenossen.
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