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Kann es Fortschritt ohne Grenzen geben?

Festakademie für Manfred Spieker. Zur Eröffnung der Woche für das Leben in Osnabrück gab es eine Fachtagung zur Frage der Optimierung des Menschen.
Peter Schallenberg sprach auf der Festakademie für Manfred Spieker
Foto: Screenshot DT | Peter Schallenberg sprach auf der Festakademie für Manfred Spieker über das christliche Naturrecht.

Am heutigen Samstag hat der Bundesverband Lebensrecht in Osnabrück im Rahmen einer Fachtagung die Eröffnung der Woche für das Leben begleitet. Die Woche für das Leben wurde offiziell mit einem ökumenischen Gottesdienst im Dom in Osnabrück eröffnet. Die Fachtagung fand in diesem Jahr als Festakademie zum 80. Geburtstag von Manfred Spieker statt und stellte sich die Frage: „Wohin führt die Optimierung des Menschen?“ Nach der Begrüßung und einem Stehempfang gab es drei Vorträge.

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Christoph Böhr, Professor für Philosophie an der Hochschule in Heiligenkreuz, sprach über die Frage „Alles erlauben, was möglich ist? Begründungsfragen eines ‚guten‘ Handelns“. Peter Schallenberg, Moraltheologe und christlicher Sozialwissenschaftler, hielt einen Vortrag mit dem Titel „‚Du aber wähle das Leben!‘ Naturrecht und Lebensschutz in der Sozialethik“. Jörg Benedict, Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie in Rostock, sprach zum Thema „Der ‚verleugnete Rechtsstaat‘ Rechtstheoretische Anmerkungen zu Transformationen des Rechts“.

 

 

Was ist erlaubt? 

Christoph Böhr stellte die Frage, ob ohne Gott alles erlaubt wäre, was möglich ist. Böhr wies darauf hin, dass heute religiöse Begründungen nicht einmal mehr aggressiv zurückgewiesen würden. Ein Fingerzeig sei dennoch die Begründung für das Gute bei Paulus, der schrieb, wenn die Heidenvölker, die das Gesetz nicht kennen und dennoch etwas nach dem Gesetz tun, weil die Naturordnung das fordert, haben sie sozusagen das Gesetz in sich selbst. Das Gesetz sei von der Natur her in den Menschen hineingelegt, so Böhr. 

Moralismus entstehe Böhr zu Folge, wenn in einer Gesellschaft die Religion absterbe und einzelne Facetten einer zulässigen Weltsicht radikal absolut gesetzt würden. Aus dem Vernunftsbegriff leitete Böhr die Notwendigkeit der Moral her. Menschenwürde gehe, so Böhr erst in zweiter Linie auf religiöse Überzeugungen zurück. Die Heiligkeit der Person sei nicht die Folge einer Selbstheiligung. Sondern die Menschheit sei in der eigenen, jeder eigenen Person und in jeder Person ist heilig. Das in sich Gute verkörpere die Menschheit in der eigenen Person. Die Begründung eines guten Handelns liege auf der Hand. Es sei keinem Menschen alles erlaubt, was möglich wäre. Erlaubt sei, was die Anerkennung der Menschheit in der je eigenen Person zulasse. „Das rechte Tun ist eingeschrieben in uns Menschen“, schloss Böhr. Es schloss sich eine Diskussion an, die sich sehr um die Frage der Würde des Menschen und der Moral drehte. 

Das Naturrecht 

Peter Schallenberg sprach in seinen Vortrag über das christliche Naturrecht. „Was fügt Gott unseren philosophischen Überlegungen hinzu?“, diese Frage stellte Schallenberg seinem Vortrag voran. Ausgehend von der Frage nach der Erbsünde zog der Moraltheologe den Bogen dazu, dass jeder Mensch zum guten Leben berufen sei, das eben mehr als Austausch von gegenseitigen Interessen sei. Gottes Gnade setze die Natur voraus, so Schallenberg. Gottes Gnade erkenne darüber hinaus das Streben nach den höheren Gütern. Die Rede vom christlichen Menschenbild, so Schallenberg sei  zuweilen nur ein weichgespültes Naturrecht. Es gehe um die doppelte Frage: Woher komme ich ? – Wohin gehe ich? Die christlich- jüdische Tradition kennt darauf die Antworten Schöpfung und Erlösung. 

Den Raum des Lebens bezeichnete Schallenberg als Advent des ewigen Lebens. Jeder liebe den Advent. Aber an Weihnachten sehne sich niemand mehr nach dem Advent. Es gelte Gott anzustreben und die Wesensart des Menschen über die Natur hinaus zu denken. Der Mensch erläuterte Schallenberg sei ein Wesen aus vergänglicher Materie und unvergänglichem Geist. Nach christlicher Überzeugung ist der Mensch mehr geistlich. Technik ist richtig, aber nur, wenn sie gut ist. Christliches Naturrecht setze römisches Naturrecht voraus. Christen aber sollten sich Schallenberg zu Folge nicht politisch oder gesellschaftlich einmischen, ohne die Offenbarung zu thematisieren. Sonst braucht man uns nicht. Für Politik aber ganz konkret für Lebensschutz gilt: So zu handeln als gäbe es Gott. 

Jörg Benedikt sprach zur Frage, was mit unserem Recht passiert.
Foto: DT/ screenshot | Der Jurist Jög Benedict sprach zur Frage, was mit unserem Recht passiert.

Wohin geht das Recht? 

Was nach Philosophie und Theologie der Jurist noch beitragen könnte, beantwortet Jörg Benedict mit: „Nichts“. Das Publikum verstand den dahinterstehenden Humor. In seinem Vortrag befasste sich Benedict mit den Gedanken des Jubilars, welche Folgen die „Kultur des Todes“ aufzeigt. Die Frage von Recht und Unrecht sei unabhängig von der Staatsform. Die Anzahl der Personen, die bei der Verfassung einer Rechtsnorm spiele bei der Frage Recht oder Unrecht keine Rolle. Es gehe um Gerechtigkeit und den Gedanken und den Begriff des Rechtsstaats. Benedict erinnerte an das Augustinus – Zitat, wonach der Staat eine Räuberbande sei, nehme man das Recht weg. 

Als Beispiel, wie man verstehe, was Recht sei, nannte der Jurist König Salomo als Beispiel, der zu Beginn seiner Regentschaft von Gott ein hörendes Herz erbat, damit er Recht von Unrecht unterscheiden könne. Gesetzgeber, so Benedict, müssen von Gerechtigkeit und Weisheit geleitet sein. Aber Macht korrumpiere, darum bedürfe es der Bändigung der Macht durch das Recht oder eben der inneren Tugend des Politikers. 

Was geschehe, wenn beides versage, können man an der Abtreibung erkennen. Das Tötungsverbot sei ein Verbot Konflikte durch Gewalt zu lösen. Mit der Legalisierung der Abtreibung werde genau dies unterlaufen. Der Rechtsstaat werde geleugnet. Politiker gäben sich damit als Aktivisten einer höheren Moral.

Das Unrecht im Recht

Gerechtigkeit, so Benedict, dagegen sei ein stetiges Ringen, das Rechte zu tun. Als Beispiel dafür nannte er das Ringen Jakobs mit Gott. Wie die Bindung der Gewalt an das Recht aussehe, zeige Artikel 20 Grundgesetz, erläuterte der Juraprofessor hier am konkreten Beispiel. Dies funktioniere nur, wenn die Macht sich bremsen lasse, was sie im Fall der Abtreibung nicht tue. Mit einem Verweis auf die jüngsten drei Jahre stellte der Jurist dar, wie schnell es gehen könne, den Rechtsstaat samt allen Grundrechten abzuräumen. Es liege folglich in den Händen der Macht, das Recht zu bestimmen. 

Abschließend stellte der Juraprofessor die Frage: „Wie kommt das Unrecht in das Recht?“ Die Dosis mache das Gift. Mit Arsen werde ein Körper tröpfchenweise vergiftet. Auch das Recht verändert sich langsam. Selbst Revolutionen gehen neue Gedanken voraus. Eine Änderung im Denken und im Sprechen gehe jeder Änderung des Rechts voraus. Um das zu illustrieren stellte Benedict dar, wie die EU aus der Tötung eines Menschen ein Menschenrecht mache. Der Jurist illustrierte die Sprache der EU, hier besonders den Begriff der reproduktiven Gesundheit. Weiter hinten in den Texten taucht dann für alle, die weiterlesen die Abtreibung als Bestandteil dieser reproduktiven Gesundheit auf. DT/pwi

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost einen umfassenden Bericht über die Fachtagung zur Eröffnung der Woche für das Leben in Osnabrück.

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