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Das Dilemma der CDU und der Fall Prien

Die Union merkt langsam, dass die Grünen kein Wunschpartner sein können. Trotzdem kommt sie an ihnen nicht vorbei. Daran ist die Union selbst schuld.
Ministerin Karin Prien
Foto: IMAGO/M. Popow (www.imago-images.de) | Karin Prien wird nun Rassismus vorgeworfen. Und zwar nicht von irgendwem. Die Kritik kommt aus der eigenen Koalition, vom grünen Regierungspartner.

Es ist für manche vielleicht nur eine Randnotiz aus der norddeutschen Provinz. Tatsächlich zeigt sich aber an einem aktuellen Fall, der sich um die Schleswig-Holsteiner CDU-Bildungsministerin Karin Prien dreht, in welchem Dilemma die CDU steckt. Prien, das muss man wissen, ist so etwas wie das „liberale Aushängeschild“ der Union. Sie gehörte in den Hochzeiten der Flüchtlingskrise zu den Initiatoren der „Union der Mitte“, einer Gruppe, die Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücken stärken wollte und sich als Counterpart zu der Werteunion sah, die sich als Stimme der Konservativen verstand.

Dieser Karin Prien wird nun Rassismus vorgeworfen. Und zwar nicht von irgendwem. Die Kritik kommt aus der eigenen Koalition, vom grünen Regierungspartner. Prien hatte vor einigen Tagen in einem Radiointerview mit dem NDR vor dem Hintergrund der Debatte um sichere Herkunftsstaaten für Flüchtlinge auch über die Grüne Aminata Touré gesprochen, die Sozialministerin des Landes: „Natürlich ist Aminata Touré durch ihre eigene Fluchtgeschichte geprägt. Aber am Ende muss man in der Lage sein, als Politiker sich auch von seinem eigenen Schicksal ein Stück weit zu lösen und sich auch neben sich zu stellen und auch Entscheidungen mitzutragen, die einem persönlich weh tun.“ Die Eltern von Touré sind 1991 aus Mali geflohen, die Ministerin wurde dann ein Jahr später in Deutschland geboren. Die Reaktion von Johanna Schierloh, der Landessprecherin der Grünen Jugend: „Die Aussage, eine Integrationsministerin solle sich freimachen von der eigenen Fluchtgeschichte in der Bewertung sicherer Herkunftsstaaten ist bodenlos und zeugt von internalisiertem Rassismus.“ Und: „Die Landesregierung sollte sich fragen, ob jemand, der eine solche Aussage macht, für rassismuskritische Bildung in Schulen zuständig sein sollte.“

Auch die Grünen haben mit extremer Ideologie zu kämpfen

Dass die Union keine Koalitionen mit der AfD schließen kann, ist in der Partei völlig unumstritten. Zu eindeutig sind die rechtsextremen und völkischen Tendenzen bei den Blauen, von der Putin-Begeisterung ganz zu schweigen. Das Beispiel aus Schleswig-Holstein zeigt aber, dass auch die Grünen mit extremer Ideologie zu kämpfen haben. Denn es kann nur Ideologie sein, die einen dazu führt, aus den Sätzen von Karin Prien „Rassismus“ herauszulesen. Das Problem für die Union, während sie nach rechts hin alle Schranken hat runterfahren lassen, ist sie dieser linken Ideologie ihres Partners in vielen Bundesländern nahezu schutzlos ausgeliefert. Und zwar aus machttaktischen Gründen. Um Mehrheiten jenseits einer Großen Koalition zu bilden, wird sie an den Grünen nicht vorbeikommen. Und auch in möglichen Dreierbündnissen, die in den Ländern wie auch im Bund zur Regel werden, kann die Union nur links von sich Partner finden.

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Nun muss man natürlich sehen, dass die Grünen nicht nur durch ihren Jugendverband repräsentiert werden. Es gibt ja auch zum Beispiel Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Trotzdem müssen die Schwarzen erhebliche Toleranz aufbringen, um solche Ausfälle wie in Kiel über sich ergehen lassen zu können. Umgekehrt, das ist sicher, gäbe es sicherlich kein Verständnis dafür, dass eine Partei aus verschiedenen Flügeln besteht und deren Protagonisten ab und an im Namen der „reinen Lehre“ auf die Pauke hauen wollen. Stellen wir uns nur einmal vor, ein national-konservativer Unionspolitiker würde in einer ähnlich schrillen Tonlage wie die junge Grüne zum Beispiel der Ampel vorwerfen, deren Migrationspolitik sei Vaterlandsverrat. Dann wäre aber etwas los. Kurz: Wenn die Union von den Grünen sich alles mehr oder weniger gefallen lässt, dann ist das nicht gelassene Souveränität, sondern eher so wie bei einem Kind, das vor seiner Nanny kuscht. Man hat die vermeintliche moralische Überlegenheit der Grünen anerkannt und wird nervös sobald deren Zeigefinger wackelt. 

Wie man auf diese Weise die Wähler gewinnen will, die bei Umfragen jetzt ihre Sympathie für die AfD erkennen lassen, scheint schleierhaft. Friedrich Merz hat ja Recht, wenn er sagt, mit jedem Gendern in einer ÖRR-Sendung würden „ein paar mehr hundert Stimmen“ an die AfD gehen. Warum zieht der CDU-Chef aber nicht daraus die Konsequenz und schaltet um auf Attacke?

Die Union muss unterschiedliche Flügel integrieren

Da sind wir wieder bei Karin Prien. Sie war es, die während des letzten Bundestagswahlkampfes forderte, Ex-Bundesverfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen aus der Partei zu werfen. Dieser kandidierte damals in Süd-Thüringen für die Christdemokraten für ein Bundestagsmandat. Sicher, Maaßen radikalisierte sich damals sichtlich in seiner Wortwahl. Aber das ist vor allem auch als Folge davon zu sehen, dass es seitens der CDU-Bundesspitze keinerlei Versuche gab, Maaßen als konservativen Frontmann einzubinden. Was man auch im Einzelnen über Maaßen denken mag, er bot seiner Partei eine strategische Chance. Man hätte ihn einerseits als ein Gesicht der Volkspartei CDU aufbauen und gleichzeitig so aber auch an die Partei binden und zur Mäßigung zwingen können. Diese Chance wurde vertan. Ob die Umfrageergebnisse für die Union im Osten heute anders aussehen würden, wenn man so gehandelt hätte? Darauf kann es keine eindeutige Antwort geben. 

Aber der Versuch wurde nicht unternommen – ein Beleg dafür, dass die Union, obwohl ihre Parteigranden ständig von der „Volkspartei“ schwärmen, nicht begriffen hat: Wenn sie nicht ungünstige Koalitionen mit anderen Parteien schließen will, dann muss die Union selbst eine Koalition aus unterschiedlichen Flügeln bilden. Merkelisten müssten Seite an Seite mit den Konservativen dafür kämpfen, für die gemeinsame Union möglichst viele Stimmen zu gewinnen. Und danach müsste klar sein, dass jeder Flügel sich an bestimmten politischen Punkten durchsetzen kann und ihm dabei Parteifreunde von der anderen Seite nicht in die Quere kommen. Doch von so einem Zustand ist die aktuelle Union meilenweit entfernt. Stattdessen wird nun mancher konservative Christdemokrat mit Blick auf den Fall Prien sich die Hände reiben und heimlich denken: „Die Revolution frisst ihre Kinder.“

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