Friedrich Merz werfen seine Kritiker gerne vor, dass er keine administrative Erfahrung habe. Nie Minister, schon gar nicht Regierungschef. Der CDU -Chef hat seine politische Karriere in erster Linie als Abgeordneter gemacht. Das wichtigste Amt für ihn ist denn auch nicht der Parteivorsitz, sondern ganz in seinem Element ist der Sauerländer als Anführer seiner Fraktion. Merz ist Parlamentarier durch und durch und mit seinem Vorstoß, der dem Bundestag die lebendigste Woche seit Jahren, ja Jahrzehnten beschert hat, hat er dem Parlamentarismus einen großen Dienst erwiesen.
Helmut Kohl hat in seinem ganzen Leben, wenn man ehrlich ist, nie etwas anderes als Politik gemacht. Kein Wunder, wenn er die CDU als seine Familie betrachtet hat. Die Partei war sein Leben, das Umgekehrte gilt übrigens auch. Angela Merkel fehlt zwar jede Herzenswärme gegenüber der Union, in die sie nur der historische Zufall befördert hat, sie wusste aber wie wichtig ein Apparat für eine Organisation ist, sicherlich ein Erbteil ihrer DDR-Sozialisation. Und sie konnte so einen Apparat so führen, dass er wie eine Machtmaschine funktioniert.
Die Ära der Raute ist zu Ende
Ganz anders Merz, er kommt aus einem freien Beruf, er ist Rechtsanwalt. Er mag Wettbewerb, er will sich messen. Er liebt den rhetorischen Kampf, denn er kann ihn gewinnen. Die Freude an der Leistung ist etwas zutiefst Bürgerliches. Auch das gute Argument ist eine Leistung. Das Parlament ist für ihn der Sportplatz. Am Ende muss man nicht immer oben auf dem Treppchen stehen – aber das olympische Motto „Höher, schneller, weiter“, das ist die Leitlinie. Das ist die Leistung von Coach Merz, er hat es in dieser Woche geschafft, seine Fraktion mitzureißen. Die träge Zeit, die Ära der Raute ist zu Ende. Auch die kritischen Einwürfe der Spieler-Mutti vom Rand ändern daran nicht viel. Zwölf Abgeordnete der Union zogen bei der Abstimmung nicht mit, davon war eine krank, gut eine Handvoll gehört dem nächsten Bundestag nicht mehr an, das ist nicht viel. Ein Zwergen-Aufstand der Rest-Merkelianer.

Die Leistung dieser Woche liegt darin, dass Friedrich Merz der Union nun ein klares Profil gegeben hat. Die AfD will seine Partei zerstören, dass weiß er und das hat er auch gesagt. Gleichzeitig hält er die Äquidistanz zu den Grünen. Die linke Seite des Bundestages hat noch einmal gewonnen. Nicht weil ihre geschichtsklitternde Antifa-Rhetorik überzeugen würde, sondern weil die Rest-Merkelianer und einige Linksliberale kalte Füße bekommen haben.
Merz scheint begriffen zu haben, dass er weder bei den eingefleischten AfD-Wählern wildern kann, noch bei der vermeintlichen neuen Merkel-Mitte, die sich zu den Grünen flüchtet. Er setzt vielmehr auf den rechtsbürgerlichen Wähler, der eine andere Migrationspolitik will, ohne dabei blau zu werden. Wenn man so will, hatte Merz in dieser Woche die CDU neu gegründet. Ob das dann für eine Mehrheit reicht, ist noch eine andere Frage. Aber der politischen Stabilität in Deutschland würde es gut tun, wenn es so eine solide Mitte-Rechts-Kraft gibt. Das müsste eigentlich auch die Linke wissen. Aber die Linke hat eben Probleme mit Markt und Wettbewerb. Gegen gute Argumente von der anderen Seite hilft am besten Geschichtspolitik. Weil man so die linke Straße mobilisieren kann, die dann Parteizentralen besetzt, wie bei der CDU in Hannover geschehen. Das ist auch ein Statement zum Parlamentarismus.
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