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Bundestag beschließt Bannmeilen um Abtreibungskliniken und Beratungsstellen

Zuwiderhandeln kann mit Bußgeldern von bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Impressionen aus der Plenardebatte und von der Demo gegenüber dem Reichstagsgebäude.
Szene vom Marsch für das Leben 2023
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Szene vom Marsch für das Leben 2023: Abtreibungsgegner, die im Umkreis von 100 Metern von Abtreibungseinrichtungen und Schwangerenkonfliktberatungsstellen demonstrieren, können künftig mit einem Bußgeld belegt werden.

An seinem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause hat der Deutsche Bundestag am Freitag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linken den „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes“ (Bundestagsdrucksache 20/10861) beschlossen. In der von SPD und Bündnis/Die Grünen beantragten „Namentlicher Abstimmung“ stimmten 381 Abgeordnete für das Gesetz, 171 votierten dagegen.

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Mit dem Gesetz errichtet der Bund gewissermaßen „Bannmeilen“ um sämtliche Abtreibungseinrichtungen und Schwangerenkonfliktberatungsstellen in Deutschland und verpflichtet die Länder, diese zu überwachen. Wer sich künftig im Umkreis von 100 Metern dort aufhält, um für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder zu beten oder um ihnen Hilfe und Beratung anzubieten, kann nun von den Ordnungsbehörden mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt werden. In der Debatte, die um 13.30 Uhr mit 20-minütiger Verspätung begann und gut 40 Minuten dauerte, ergriffen insgesamt zwölf Abgeordnete das Wort. In der über weite Strecken hoch emotional geführten Diskussion kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Abgeordneten der Ampelfraktionen und denen der Oppositionsfraktionen CDU/CSU und AfD.

Harter Schlagabtausch zwischen Ampel und Opposition

So bestritten etwa die CDU-Abgeordnete Bettina Margarethe Wiesmann und die CSU-Abgeordnete Susanne Hierl, dass das von der Bundesregierung gewünschte Gesetz nötig sei. Schon das geltende Recht erlaube es, Beleidigungen oder Nötigungen, so es diese denn gäbe, entsprechend zu ahnden. Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch hielt der Ampelregierung gar vor: „Sie erfinden ein Problem, das es nicht gibt.“ 

Die SPD-Abgeordnete Josephine Ortleb sprach hingegen von einem „Spießrutenlauf“, die Frauen „vor Beratungsstellen“ „jeden Tag in Deutschland“ erlebten. Das Gesetz sei nötig, um schwangere Frauen zu schützen und um zu verhindern, „dass zum Beispiel jemand mit einem blutigen Fötus vor sie springt“. Die beiden Parlamentarierinnen Denise Loop (Bündnis 90/Die Grüne) und Gökay Akbulut (Die Linken) machten sich in ihren Reden gar Parolen der Abtreibungslobby wie „Mein Körper, meine Entscheidung“ (Loop) und „my body, my choice“ (Akbulut) zu eigen.

Als letzte Rednerin erklärte die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge: „Heute ist ein guter Tag für Frauen. Während die Union mal wieder die Augen und die Ohren verschließt und nichts gesehen und nichts gehört haben will, während die AfD die Frauen am liebsten nur noch als Gebärmaschinen betrachten möchte, stehen wir als SPD, stehen wir als Ampel für Fortschritt in der Frauenpolitik. Wir machen etwas, was selbstverständlich sein sollte, an der Seite von Frauen in diesem Land sein sollte. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte.“

Zuvor hatte der fraktionslose Abgeordnete Thomas Seitz (ehemals AfD) an den signifikanten Anstieg der Abtreibungszahlen (2023: 106.000) erinnert und erklärt: „Schon diese Zahlen zeigen, dass das suggerierte Horrorszenario, dass unzählige Frauen durch Gehsteigbelästigung an der Beratung gehindert und die Arbeit der Beratungsstellen kriminell sabotiert würden, reine Fantasie ist. Konkrete Zahlen und Vorfälle konnte die Abtreibungskoalition erst gar nicht liefern.“ Der gut informierte Abgeordnete, der aus den wenigen Gerichtsurteilen zitierte, die es bisher gibt, klärte seine Abgeordneten-Kollegen auch gleich darüber auf, dass Grund für alle diese Verfahren nicht etwa „übergriffige Versammlungen, sondern übermäßige Beschränkungen durch die Ordnungsämter“ gewesen seien.

Lebensrechtler demonstrieren gegenüber dem Reichstagsgebäude

Unterdessen hatte der Bundesverband Lebensrecht (BVL) im Regierungsviertel vor und während der Debatte zu einer Demonstration vor dem Paul-Löbe-Haus geladen. Dabei kam es mitunter zu absurden Szenen. „Sie haben total Recht“, sagt Julia Klöckner. Am Westeingang des Paul-Löbe-Hauses, direkt gegenüber dem Reichstagsgebäude, hatten sich rund 20 Lebensrechtler mit Plakaten und Transparenten postiert. Sie wollten mit ihrer Demonstration ein Zeichen parallel zur Debatte im Plenarsaal setzen. Und natürlich möglichst auch mit Abgeordneten ins Gespräch kommen. Und dann kam eben Julia Klöckner vorbei, durch Zufall. 

Zwischen dem Paul-Löbe-Haus und dem Reichstagsgebäude ist um diese Zeit an einem Plenartag viel los. Die Christdemokratin stutzte kurz, schaute sich die Plakate an – und dann folgt eben auch schon der Satz: „Sie haben total Recht.“ Die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin, die einmal katholische Religion an einer Grundschule unterrichtet hat, wollte ganz offensichtlich mit den Lebensschützern ins Gespräch kommen. Doch da brach es aus einer Teilnehmerin heraus: „Alle Parteien sind doch dafür.“ Klöckner wollte noch etwas entgegnen. Doch die Demonstrantin blockte ab. Schließlich ging Klöckner weiter, der 51-Jährigen schien wohl ein weiterer Austausch nicht sinnvoll. Die Demonstrantin wurde sofort von ihren Mitstreitern gerügt: „So kann man das nicht machen“, sagten einige.

Lob für Union – Gruppenfoto mit Hubert Hüppe

Cornelia Kaminski, Vorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), die zusammen mit dem BVL die Demo organisiert hatte, lobte in ihrem kurzen Einleitungsstatement via Megaphon die Unterstützung von christdemokratischen Abgeordneten. So habe man es etwa geschafft, dass bei der Anhörung auch Experten wie der Bonner Jura-Professor Christian Hillgruber eingeladen worden seien. Schließlich schaute noch ein weiterer dieser Unterstützer vorbei: Hubert Hüppe. Seit Jahrzehnten ist der CDU-Bundestagsabgeordnete der Lebensrechtsbewegung eng verbunden. Parlamentarier und Demonstranten machten ein Gruppenfoto – und dann war die Demo auch schon zu Ende. Die einzige Anpöbelei erfolgte von einem Passanten, der etwas zu sehr der politischen Farbenlehre zu vertrauen schien. „Den grünen Mief abwählen“, rief er und meinte ganz offensichtlich die Regierungspartei. Das Transparent der Demonstranten war ebenfalls in grün gehalten.

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