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Jüdisches Leben fördern, Antisemitismus bekämpfen

In Köln konstituiert sich der Verein „Jüdisches Leben in Europa“. Dazu kamen prominente Persönlichkeiten in die Domstadt.
Der Kölner Weihbischof Steinhäuser mit dem Kölner Gemeinderabbiner Yechiel Brukner.
Foto: Constantin Graf Hoensbroech | Der Kölner Weihbischof Steinhäuser mit dem Kölner Gemeinderabbiner Yechiel Brukner.

Der Ort hätte symbolträchtiger nicht sein können: In den Räumlichkeiten der Kölner Synagogen-Gemeinde (SGK), der nachweislich ältesten jüdischen Gemeinde Mittel- und Nordeuropas, konstituierte sich am 30. März 2023 der Verein „Jüdisches Leben in Europa“. Dazu kamen prominente Protagonisten des öffentlichen Lebens, darunter auch der Limburger Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), in dem stadtbildprägenden neoromanischen Gebäude am Rande der Innenstadt zusammen. Der Verein verfolgt das Ziel, jüdisches Leben im Raum der Europäischen Union und darüber hinaus sowie dessen über zwei Jahrtausende zurückreichende Geschichte und Kultur positiv und öffentlichkeitswirksam zugänglich zu machen und zu vermitteln. Zu den Zielen der Vereinsarbeit gehört ausdrücklich auch der Einsatz gegen Antisemitismus und rassistische Indoktrinierung, um die Solidarisierung mit den Jüdinnen und Juden in den jeweiligen Ländern und übergreifend zu stärken. 

Erfahrungen aus Festjahr als Ausgangspunkt

In diesem Sinne kommentierte Bischof Bätzing: „Jüdisches Leben zu fördern und Antisemitismus zu bekämpfen, ist für mich eine Christenpflicht.“ Deshalb unterstütze er den neu gegründeten Verein. Neben dem Limburger Oberhirten gehören zu den Gründungsmitgliedern die stellvertretende Vorsitzende des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, sowie Annette Kurschus, Präses des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Von jüdischer Seite war unter anderen Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, vertreten.  

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Ausgangspunkt für die Vereinsgründung sind die Erfahrungen aus dem Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, das im Jahr 2021 begangen wurde und coronabedingt erst Mitte vergangenen Jahres offiziell beendet worden ist. Auch zahlreiche christliche respektive katholische Gemeinden, Institutionen, Bildungseinrichtungen und Initiativen hatten sich in die bundesweit über 2.400 Veranstaltungen eingebracht. Dieser Tage erst waren der Kölner Dompropst Monsignore Guido Assmann sowie der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser zum traditionellen Jahresempfang in die Synagoge gekommen und hatten dadurch die Verbundenheit des Erzbistums Köln im Besonderen sowie der katholischen Kirche im Allgemeinen mit der jüdischen Gemeinde unterstrichen. Der verstorbene Papst Benedikt XVI. hatte im Rahmen des Weltjugendtages im Jahr 2005 die Kölner Synagoge besucht und die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Religionen betont sowie jegliche Form von Antisemitismus verurteilt.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, betonte: „In Deutschland haben wir in dem Festjahr erlebt, dass es großes Interesse an der Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens gibt. In der europäischen Kultur ist das Judentum ebenso fest verankert. Wir wollen mit dieser Initiative dafür sorgen, dass auch dieses Wissen so weit wie möglich verbreitet wird.“ 

Interesse an jüdischem Leben, Kultur, Religion und Geschichte

SGK-Gemeindemitglied Andrei Kovacs, der den Verein neben dem Vorstand als Geschäftsführer nach außen vertritt, hatte bereits in seiner Zeit als Geschäftsführer des Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ das über Deutschland hinaus gehende Interesse an jüdischem Leben, Kultur, Religion und Geschichte registriert. In vielen Ländern stehe allerdings die Erinnerung an die antisemitischen Übergriffe und Gräuel, wie sie von Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus ausgegangen waren, im Mittelpunkt des Umgangs mit Jüdinnen und Juden. „Wir wollen einladen, jüdisches Leben und Kultur alltäglich zu erleben und auch aus den Gemeinden selbst viel sichtbarer in seiner ganzen Vielfalt in die Gesellschaft tragen.“ Durch Kooperationen, beispielsweise mit Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, sowie durch verschiedenste Veranstaltungen und die Umsetzung von spezifischen Konzepten sollen Begegnungen und länderübergreifend Synergien möglich werden.

In der Vereinssatzung ist dazu neben der Mitgliederversammlung, dem Vorstand und dem Kuratorium ein sogenannter Europabeirat als zusätzliches Gremium vorgesehen. Mit Abraham Lehrer steht der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland an der Spitze des Kuratoriums. Lehrer hatte das Festjahr bereits maßgeblich begleitet und mitgestaltet. Nun komme es darauf an, die vielen positiven Erfahrungen und Rückmeldungen nachhaltig zu vertiefen. „Wir bringen den Rückenwind aus dem Festjahr in die zukünftige Arbeit des neuen Vereins ein und wollen das in Europa fruchtbar machen. Es komme darauf an, die jüdische Stimme in den europäischen Gesellschaften hörbarer zu machen und einen Beitrag zu leisten, das zivilgesellschaftliche und demokratische Selbstverständnis zu verfestigen.

Bereits die Gründung des mittlerweile aufgelösten Vereins „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ zur Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung des Festjahres im Jahr 2021 war von Köln ausgegangen.  „Ich freue mich sehr, dass auch der neue Verein von Köln, also mitten aus Europa heraus, agieren und eine starke Stimme für Jüdinnen und Juden in Europa sein wird“, erklärt die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, ergänzt: „Jüdisches Leben ist ein wichtiger Teil der europäischen Geschichte und Gegenwart. Leider sind Judenhass und Verschwörungsmythen heute noch Realität in ganz Europa. Wir wollen mit dem Verein dazu beitragen, dass jüdisches Leben in Europa eine Zukunft hat und Antisemitismus endgültig der Vergangenheit angehört.“

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