Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung 100 Jahre „Mechelner Gespräche"

Pioniere der Freundschaft zwischen christlichen Kirchen

Die Mechelner Gespräche waren revolutionär: Anglikaner und Katholiken sprachen über mögliche Wiedervereinigung. Belgiens Katholiken würdigten nun den Meilenstein der Ökumene.
Lord Halifax
Foto: imago stock&people | Auf anglikanischer Seite nahm Charles Wood teil, der zweite Graf von Halifax – ein leidenschaftlicher Verfechter der kirchlichen Einheit.

Vor hundert Jahren fanden die historischen Mechelner Gespräche statt! Die katholische Kirche Belgiens wie auch die anglikanische Kirche würdigten das Ereignis vom 18. bis zum 21. September mit einem akademischen Kolloquium, einem Konzert des renommierten Christ’s College Cambridge Choir und der feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel in der Sint-Rombouts-Kathedrale. Was heute als selbstverständlicher Teil der ökumenischen Bewegung gilt, war in den 1920er-Jahren geradezu revolutionär: Vertreter der römisch-katholischen und der anglikanischen Kirche setzten sich zusammen, um über eine mögliche Wiedervereinigung zu sprechen.

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Die Mechelner Gespräche, die in den Jahren 1921, 1923 und 1925 stattfanden, waren ihrer Zeit weit voraus. Kardinal Désiré-Joseph Mercier initiierte sie, der damalige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, welcher eine bemerkenswerte Vision für die Einheit der Christen entwickelt hatte. In einer Atmosphäre der Freundschaft und des gegenseitigen Respekts lud er Vertreter beider Konfessionen in sein erzbischöfliches Palais ein.

Wäre Wiedervereinigung möglich?

Auf anglikanischer Seite nahm Charles Wood teil, der zweite Graf von Halifax – ein leidenschaftlicher Verfechter der kirchlichen Einheit. Die katholische Seite vertrat neben Kardinal Mercier der französische Priester Fernand Portal. Diese kleine Gruppe wagte es, über Themen zu sprechen, die damals als nahezu unüberwindbar galten: die Gültigkeit anglikanischer Weihen, die Rolle des Papsttums und die Möglichkeit einer korporativen Wiedervereinigung.

Was diese Gespräche so außergewöhnlich machte, war nicht nur ihr Inhalt, sondern auch ihr Zeitpunkt. Sie fanden statt in einer Ära, in der die konfessionellen Gräben noch tief waren und das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Öffnung zur Ökumene vier Jahrzehnte entfernt lag. Die Mechelner Gespräche waren somit echte Pionierarbeit und schufen einen Präzedenzfall für den respektvollen theologischen Dialog zwischen getrennten christlichen Kirchen.

Ein Paradigmenwechsel

Die Katholische Universität Leuven spielte sowohl historisch als auch bei den Jubiläumsfeierlichkeiten eine zentrale Rolle. Professor Peter De Mey, Ökumene-Spezialist an der Fakultät für Theologie und Religionswissenschaften der KU Leuven, betonte bei der Jubiläumskonferenz: „Die Mechelner Gespräche waren der Beginn einer neuen Ära. Sie zeigten, dass theologische Differenzen nicht unüberwindbar sind, wenn man sich mit Respekt und in freundschaftlicher Atmosphäre begegnet."

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Aus kirchenrechtlicher Sicht markierten die Mechelner Gespräche einen Paradigmenwechsel im Umgang der Katholischen Kirche mit anderen christlichen Gemeinschaften. Besonders bemerkenswert war, dass die Gespräche ohne offizielle vatikanische Autorisierung stattfanden – Kardinal Mercier handelte auf eigene Initiative. Sie endeten 1926 recht abrupt mit der Enzyklika „Mortalium animos" von Papst Pius XI., die die katholische Teilnahme an ökumenischen Bestrebungen stark einschränkte. Erst das Zweite Vatikanische Konzil ebnete wieder den Weg für eine offizielle katholische Beteiligung an der ökumenischen Bewegung.

Hochkarätige Stimmen zum historischen Ereignis

Erzbischof Luc Terlinden von Mechelen-Brüssel unterstrich die bleibende Bedeutung der Gespräche: „Die Mechelner Gespräche lehren uns, dass die Suche nach Einheit Geduld, Demut und vor allem gegenseitigen Respekt erfordert. Kardinal Mercier hatte den Mut, Brücken zu bauen, wo andere nur Gräben sahen." Kardinal Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, würdigte die visionäre Kraft der damaligen Gesprächspartner: „Was vor hundert Jahren in Mechelen begann, war mehr als nur eine Serie von theologischen Gesprächen. Es war der Beginn einer neuen Beziehung zwischen unseren Kirchen, geprägt von Freundschaft und dem gemeinsamen Suchen nach der Wahrheit."

Stephen Cottrell, der anglikanische Erzbischof von York und Primas von England, betonte: „In Mechelen trafen sich nicht nur Theologen, sondern Christen, die vom Heiligen Geist bewegt waren. Sie erkannten, dass unsere Trennung ein Skandal ist, der das Zeugnis des Evangeliums schwächt."
Die Anwesenheit von Peter Wood, dem „Earl of Halifax” und Urenkel von Charles Wood, schlug eine lebendige Brücke zur Geschichte. Mit bewegenden Worten erinnerte er an das Vermächtnis seines Urgroßvaters: „Charles Wood war überzeugt, dass die Einheit der Kirche nicht nur ein frommer Wunsch, sondern ein Auftrag Christi ist."

Vermächtnis für die Zukunft

Ein besonders bewegender Moment war die Enthüllung einer Gedenktafel in der Sint-Rombouts-Kathedrale. Bei der Enthüllung sagte Kardinal Koch: „Diese Tafel ist mehr als ein Erinnerungsstück. Sie ist ein Aufruf an kommende Generationen, den Weg der Einheit weiterzugehen, den unsere Vorgänger mutig begonnen haben." Den liturgischen Abschluss bildete eine anglikanische Evensong in der Kathedrale – eine symbolträchtige Geste, die die gewachsene Nähe zwischen beiden Traditionen unterstrich.

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Die Mechelner Gespräche mögen vor hundert Jahren ohne konkrete Vereinigung geendet haben, doch ihr Geist lebt fort. Sie legten das Fundament für den Anglican-Roman Catholic International Commission (ARCIC) Dialog, der seit 1970 bedeutende theologische Übereinkünfte erreicht hat.
Kardinal Koch schloss seine Ansprache mit den Worten: „Die Einheit der Christen ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses in der Welt. Was Kardinal Mercier und seine Gesprächspartner vor hundert Jahren begonnen haben, müssen wir mit derselben Leidenschaft und Überzeugung fortsetzen."

Die Mechelner Gespräche lehren uns, dass persönliche Begegnungen, theologischer Austausch in Freundschaft und der Mut, neue Wege zu gehen, Berge versetzen können – auch wenn die sichtbaren Ergebnisse manchmal erst Generationen später deutlich werden. Ein Vermächtnis, das nach hundert Jahren nichts von seiner Kraft verloren hat.

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