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Franz Reinisch: Gottes Gnade und das Gewissen

Vor 80 Jahren wurde der Schönstatt-Pater Franz Reinisch hingerichtet: Er hatte sich als einziger Priester geweigert, den Fahneneid auf Hitler zu leisten.
Papst Franziskus segnet im Oktober 2014 Franz Reinischs Bild
Foto: schoenstatt.org | Papst Franziskus segnet im Oktober 2014 Franz Reinischs Bild für das Reinisch-Zimmer im Domus Pater Kentenich.

Im April 1534 weigerten sich der ehemalige englische Lordkanzler Thomas Morus und der Bischof von Rochester John Fisher der vom englischen Parlament verabschiedeten „Suprematsakte“ – die König Heinrich VIII. zum Oberhaupt der englischen Kirche machte – ihre Zustimmung zu erteilen. Morus und Fisher wurden deshalb hingerichtet. Johannes Paul II. ernannte Thomas Morus zum Patron der Regierenden und der Politiker am 31. Oktober 2000: „Vom Leben und Martyrium des heiligen Thomas Morus geht eine Botschaft aus, welche die Jahrhunderte durchzieht und zu den Menschen aller Zeiten von der unveräußerlichen Würde des Gewissens spricht.“

Märtyrer des Gewissens hat es durch die Jahrhunderte hindurch gegeben, so auch in der Zeit des Nationalsozialismus. Ihrem Gewissen folgten etwa die Studenten der „Weißen Rose“ sowie andere Menschen, die dem antichristlichen und menschenverachtenden System den Gehorsam verweigerten und einen solchen Widerstand mit ihrem Leben bezahlten.

Unbedingter Gehorsam

Eine spezielle Form der Gehorsamsverweigerung bestand in der Ablehnung des Fahneneides auf Hitler. Nach dem Tod von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 2. August 1934 wurde die Eidesformel abgeändert: Statt „Volk und Vaterland allzeit treu und redlich [zu] dienen“ sollten die Rekruten geloben, „dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, unbedingten Gehorsam [zu] leisten“. Von den 18 Millionen Soldaten der Wehrmacht waren es nur ganz wenige, die den Eid verweigerten – im Unterschied zu den Fahnenflüchtigen, die auf etwa 30 000 geschätzt werden. Die Gründe zu desertieren mögen unterschiedlich sein. Der Eid wurde hingegen aus Gewissensgründen verweigert. Abgesehen von Zeugen Jehovas beziehungsweise Bibelforschern, die nicht den speziellen Hitler-Eid, sondern überhaupt den Militärdienst ablehnen, waren es nach neuesten Erkenntnissen etwa 20 Katholiken und neun evangelische Christen, die diesen folgenschweren Schritt taten.

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Neben den bereits seliggesprochenen Franz Jägerstätter (2007) und Josef Mayr-Nusser (2017) ist der bekannteste von ihnen wohl Pater Franz Reinisch, dessen Seligsprechungsprozess auf Diözesanebene bereits abgeschlossen ist. Der Pallottiner- und Schönstatt-Pater wurde im Juli 1942 wegen „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und – vor genau 80 Jahren – am 21. August 1942 hingerichtet.

Sündhafter Schwur

Bereits 1939 hatte Reinisch im Schönstätter Exerzitienhaus geäußert: „Den Eid, den Soldateneid auf die nationalsozialistische Fahne, auf den Führer, darf man nicht leisten, das ist sündhaft. Man würde ja einem Verbrecher einen Eid geben ... Unser Gewissen verbietet es uns, einer Obrigkeit zu folgen, die nur Mord und Totschlag in die Welt bringt um der lüsternen Eroberung willen.“ Daran hielt er bis zuletzt fest.

Geboren wurde Franz Reinisch am 1. Februar 1903 in Feldkirch-Levis, Vorarlberg. Sein Vater war promovierter Jurist, und so begann auch er zunächst ein Jura-Studium an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Nach 30-tätigen Exerzitien in Wyhlen bei Basel und angesichts des moralischen Elends, das er 1923 in Kiel beim Studium der Rechtsmedizin kennenlernte, wird in ihm der Wunsch, „Menschen für Christus zu gewinnen“ wach. Er entscheidet sich, Priester zu werden. Nach drei Jahren im Priesterseminar Brixen wird Reinisch am 29. Juni 1928 zum Priester geweiht. Bald kommt er in Berührung mit den Pallottinern in Salzburg. Im November tritt er ins Pallottiner-Noviziat in Untermerzbach bei Bamberg ein. Über die Pallottiner lernt Franz Reinisch im August 1934 Schönstatt kennen – bis 1964 blieb die Schönstatt-Bewegung organisatorisch und personell eng mit den Pallottinern verbunden. Endlich hat er seine Berufung gefunden. In seiner Begeisterung schreibt Franz: „Wer ein echter Pallottiner sein will, muss Schönstätter sein.“

Gerade in der Zeit beginnt aber auch seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Er ist darüber empört, dass im Zusammenhang mit dem sogenannten „Röhm-Putsch“ Ende Juni 1934 das Regime ohne Gerichtsurteil Menschen ermorden lässt, aber auch dass Hitler völkerrechtswidrig Österreich ins Deutsche Reich eingliedert. Wie etwa auch Dietrich Bonhoeffer erkennt Reinisch die Alternative: „Entweder Nazi oder Christ“ – beides zusammen geht nicht.

Sterben als Sühnezeichen

Mit Kriegsbeginn wird die Kirchenverfolgung schärfer. Franz Reinisch erhält im September 1940 Rede- und Predigtverbot. Dies wird ihm zum Verhängnis: Weil er keine Pfarrstelle besetzen darf, kann er zur Wehrmacht einberufen werden. Am 1. März 1941 erhält denn auch P. Reinisch den Bescheid, sich für die Einberufung bereit zu halten. Der eigentliche Gestellungsbefehl wird ihm am Osterdienstag 1942 zugestellt. Bewusst einen Tag später als befohlen trifft Franz Reinisch am 15. April 1942 in der Kaserne der Sanitäts-Ersatz-Abteilung 13 in Bad Kissingen ein. Er erklärt sofort seine Weigerung, den Fahneneid auf Hitler zu leisten, weswegen er in das Wehrmachtgefängnis Berlin-Tegel eingeliefert wird. Zur Verhandlung vor dem Reichskriegsgericht kommt es am 7. Juli – das Todesurteil stand ohnehin bereits fest. Zur Vollstreckung wird der Schönstatt-Pater ins Zuchthaus Brandenburg-Görden verlegt.

In seiner Schlusserklärung sagte er: „Der Verurteilte ist kein Revolutionär, das heißt Staats- und Volksfeind, der mit Faust und Gewalt kämpft, er ist ein katholischer Priester, der die Waffen des Geistes und des Glaubens gebraucht. Und er weiß, wofür er kämpft.“ Franz Reinisch will sein Sterben als Sühnezeichen verstanden wissen. Sein irdisches Leben endet am Freitag, dem 21. August 1942, um 5.03 Uhr.

Fahneneid auf den Führer verweigert

Franz Reinisch ist der einzige katholische Priester, der den Fahneneid auf Hitler verweigerte. Das war ihm bewusst: „Ich weiß, das viele Geistliche anders denken als ich; aber so oft ich mein Gewissen überprüfe, ich kann zu keinem anderen Urteil kommen. Und gegen mein Gewissen kann und will ich mit Gottes Gnade nicht handeln.“

Seine Eltern stehen ebenfalls zu seinem Entschluss. So schrieb ihm sein Vater ins Gefängnis: „Das Leid ist kurz und geht bald vorüber. Am Ende des auferlegten Leides steht die ewige Freude. Finis tuus gloriosus erit! Das Ende Deines Leides bzw. der Beginn der Ewigkeit wird herrlich sein.“ Und die Mutter: „Ich habe nichts hinzuzufügen als zu sagen, ich will noch mehr beten und opfern, bleib stark, Franzl, der Himmel ist unser Lohn.“

Inzwischen ist sein Seligsprechungsprozess auf Diözesanebene seit Juni 2019 abgeschlossen, womit Akten und Dokumente nach Rom zur Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen geschickt wurden. Als Märtyrer (des Gewissens) braucht es zur Seligsprechung kein Wunder. Darauf spielt Manfred Scheuer, Bischof von Linz und stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, in dem einstündigen Dokumentarfilm „Pater Franz Reinisch – Der Film“ (Angela Marlier, 2016), der bei YouTube.com zu sehen ist, an: Franz Reinischs Martyrium liege „auf der Linie der altkirchlichen Märtyrer, die Nein zum Kaiser gesagt haben“. Als Buchstabierung des Glaubensbekenntnisses habe auch er gesagt: „Ich widersage dem Bösen.“

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