In meiner letzten Kolumne vor 14 Tagen habe ich Ihnen mein Leid wegen meines aus der Mode gekommenen Vornamens geklagt und darüber, wie schwer es ist, einen Namenspatron zu finden, wenn man „Rudolf“ heißt. Deswegen habe ich mich schon vor längerer Zeit einfach an einen anderen Heiligen „drangehängt“. Mein persönlicher Lieblingsheiliger ist der heilige Thomas Morus. Ich weiß nicht mehr genau, wie diese Verbundenheit ursprünglich begann. Ich erinnere mich zwar noch, dass mir als Jugendlicher einmal der Film „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“ gezeigt wurde, den ich aber (damals!) stinklangweilig fand.
Ein Heiliger mit Humor
Und einmal musste ich im Englischunterricht ein Referat über Heinrich VIII. halten, worauf ich ebenfalls keine Lust hatte. Doch je mehr ich über den frauenmordenden König las, desto mehr faszinierte mich die Gestalt des Thomas Morus. Dieser war ein loyaler Freund des Königs und dessen wichtigster Mitarbeiter. Ein frommer Katholik war er auch, der sich gegen die aufkommende Reformation Martin Luthers stemmte. Es wird erzählt, dass er hin und wieder in London mit Erasmus von Rotterdam im Garten zusammensaß und mit ihm auch über die korrupte römische Kurie lästerte. Ein Heiliger, der mit Freunden über den Papst spottet? Der Humor von Thomas Morus wird oft erwähnt, Erasmus von Rotterdam selbst soll den Heiligen so charakterisiert haben: „Es ist, als sei es ihm ständig ums Lachen. Von Jugend auf hatte er solche Lust am Spaßmachen, dass man sagen könnte, er sei dazu geboren.
Kein Eid auf die Anglikaner
Als Heinrich VIII. begann, das katholische Verständnis vom Sakrament der Ehe zu unterminieren und schließlich sogar seine eigene Kirche gründete, wollte sich Thomas Morus ganz ins Private zurückziehen, um seinen eigenen Glauben, aber auch seinen Kopf zu retten. Der König bestand aber darauf, dass sein ehemals engster Mitarbeiter und Freund einen Eid auf Heinrich als das Oberhaupt der neugegründeten anglikanischen Kirche ablegte. Der Heilige lehnte ab und wurde in den Tower geworfen. „Hochverrat“ lautete das Urteil. Bis zum Schluss wollte Heinrich ihm die Möglichkeit geben, es sich noch einmal anders zu überlegen. Doch Thomas Morus entschied sich, dass es diese Kirche mit all ihrer Korruption und Sünde dennoch wert war, den Kopf für sie hinzuhalten. Am sechsten Juli 1535 legte er selbigen auf den Hackblock und strich noch einmal seinen Bart zur Seite. „Schließlich hat der keinen Hochverrat begangen“, sollen die letzten Worte von Thomas Morus gewesen sein, bevor das Beil niedersauste.
Blick hinter die Kulissen
Für mich als katholischen Journalisten ist Thomas Morus zu einer Bezugsperson geworden, weil ich durch meine Arbeit Einblicke hinter die Kulissen der Amtskirche bekomme, die mich oft sehr wütend machen. Wie oft muss ich über Verbrechen und Korruption berichten, die ausgerechnet von Mitgliedern der Kirche begangen werden. Was hat das noch mit der Kirche Jesu Christi zu tun? Und ja, auch ich sitze hin und wieder mit ausgewählten Freunden beim Bierchen zusammen und muss Dampf ablassen. Dann schimpfe ich privat über den einen oder anderen Bischof. Doch wenn ich auf das Leben von Thomas Morus blicke, dann wird mir wieder klar, worauf es ankommt. Menschen machen Fehler, begehen sogar Verbrechen. Auch innerhalb der Kirche.
Sie bleibt heilig
Dennoch glaube ich fest an ihre Heiligkeit. Sie ist von Christus selbst gestiftet worden, um sein Erbe, die Sakramente, zu verwalten, um das Feuer des Evangeliums weiterzutragen und um jenen Menschen Halt zu geben, die sich auf die Suche nach Gott begeben. Dafür lohnt es sich zu leben.
Wenn mich dann hin und wieder der „heilige Zorn“ packt über jene Mitglieder der Kirche, die das Evangelium verraten, dann ist es der heilige Thomas Morus, der mich an die entscheidende Frage erinnert: Bist du trotzdem bereit, für diese Kirche deinen Kopf hinzuhalten?
Ich hoffe, dass auch ich dann höchstens meinen Bart zurückziehe.
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