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Bischof Hanke plädiert für „Ökologie des Herzens“

Umweltschutz, theologisch: Wie Christen mit der Schöpfung umgehen, tangiert auch ihre Christusbeziehung, sagt der Eichstätter Bischof.
"Berühre mich nicht"
Foto: gemeinfrei / wikimedia commons | Der Auferstandene als Gärtner (mit Hacke) bei Fra Angelico, um 1440.

Wieso liegt das Grab Christi in einem Garten? Und was hat der Sündenfall mit der ökologischen Krise zu tun? Jedenfalls, das wurde auf einer Studientagung deutlich, die das Bistum Eichstätt in Kooperation mit dem „Institut Simone Weil - Lehrhaus für Psychologie und Spiritualität“ veranstaltete, hat die Bibel eine Menge zum Umgang mit der Schöpfung zu sagen. Etwas verkürzt ließe sich sagen: Umweltschutz ist auch eine Frage der Gottesbeziehung.

Dem Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke OSB ist das Thema Nachhaltigkeit – man möge sich von dieser oft wohlfeil benutzten Floskel nicht täuschen lassen – ein echtes Herzensanliegen. So will sein Bistum „als zweite Diözese“, wie auf der Bistumswebsite nachzulesen ist, klimaneutral werden. Den ehemaligen Plankstettener Abt bewegt dabei aber nicht der grüne Zeitgeist, sondern tief wurzelnde theologische Reflexion, die Hanke den Teilnehmern der Studientagung am 17. März ausbreitete.

Schöpfergeist und Weltseele

„Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie“ (Gen 1, 28): Ist sie das, die biblische Lizenz zur Ausbeutung der Welt, deren Folgen wir seit geraumer Zeit beobachten können? Nein. Aber die beiden Schöpfungsberichte sind der Ort, von dem für die Christen die Deutung der Welt richtigerweise ihren Ausgang nimmt. Zwar stelle die Bibel durchaus einen Gegenentwurf zu den altorientalischen Schöpfungsmythen dar, so Hanke. Die Welt sei nicht mehr selbst göttlich, und der Mensch gerufen, Mitschöpfer, sozusagen Kulturschaffender zu sein. Damit sei aber eben nicht gemeint, dass die Natur nur Verfügungsmasse sei, die der Vollendung durch Menschen bedürfe. Vielmehr durchwirke der Schöpfergeist das Sein „gleich einer Weltseele“. Die Aufgabe des Menschen sei es, die Welt im Sinne Gottes, wie im Garten Eden, zu pflegen.

Die Misere verortete Hanke dann auch nicht im Bibeltext selbst, sondern im Paradigmenwechsel zu Beginn der Neuzeit: Gott regiere nicht mehr im Sinne einer präsenten Weltseele, sondern als distanzierter „Herr über das All“ (Isaac Newton). An die Stelle der Beziehung Gottes zur Welt sei die Mechanik getreten – und damit die Interpretation des Schöpfungsberichts als Aufforderung zur Ausplünderung. In jüngerer Zeit sei dieser Blick in der agnostischen, materialistischen Interpretation der Welt als „Zufallssumme von Atomen und Molekülen“ aufgegangen, die aus dem Angriff auf die Natur geradezu eine Norm mache. Auch heutige Versuche der Lösung der ökologischen Krise zielten damit teils eher auf technische Innovation als auf die notwendige Änderung der inneren Haltung ab.

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Liegt die Lösung also im Zurück zum Mittelalter? Nein. Es gelte, sich von jedem Zeitgeist freizumachen, das biblische Zeugnis ganzheitlich zu betrachten, und sich dementsprechend auszurichten. Die Urversuchung des Menschen sei (immer schon) die Maßlosigkeit. Grenzen, die zum Schutz des Menschen gedacht waren, überschreite dieser – wie in der Geschichte vom Sündenfall beschrieben. Mit der seit dem Sündenfall zerbrochenen Einheit aber harre die Schöpfung der Vollendung. Gott überlasse jedoch seine Schöpfung nicht dem Elend, er schicke seinen „Logos“, um sie zu versöhnen. Durch einen Menschen sei das Elend in die Welt gekommen, durch einen Menschen werde es geheilt, paraphrasiert Bischof Hanke den Römerbrief. Allerdings durch einen, „der hineinreicht in Gott und zugleich die ganze Schöpfung umspannt“ – Jesus Christus.

Christus, der Gärtner

Das Kreuz sei, jedenfalls beim Evangelisten Johannes, nicht nur Zeichen des Martyriums, sondern der Neuschöpfung. Blut und Wasser fließen aus Jesu Seite – wie das Wasser aus dem Felsen bei Moses, was ein Bild für die Taufe sei; das Blut stehe für die Eucharistie. Die wenigen, die unter dem Kreuz ausharrten, symbolisieren die Kirche, die Trägerin der Neuschöpfung. Der Kreuzesstamm sei damit auch der neue Paradiesbaum – und die Lokalisierung des Grabes Jesu in einem Garten kein Zufall. Maria Magdalena halte Christus für den Gärtner: für Hanke kein Irrtum, sondern eine Deutung; Christus als Gärtner, der die Schöpfung erneuert.

„Daraus folgt, dass die Art und Weise, wie der Christ mit der Schöpfung umgeht, seine Christusbeziehung tangiert.“ Es gebe keine Frömmigkeit, keine Gottesbeziehung vorbei an der Schöpfungswirklichkeit. Der eigene Glauben bewähre sich also im dankbaren Umgang mit der Natur genauso wie im Umgang mit dem Nächsten. Man solle Freude an der Schöpfung haben, und „aus dieser Freude heraus“ so handeln, „wie es der Intention des Schöpfers entspricht“ – und zwar grundsätzlich, unabhängig davon, ob gerade Klimakrise sei. „Es geht um uns!“, endet Hanke. Die Schöpfung blute aus vielen Wunden – und die (österliche) Neuschöpfung durch Christus sei Einladung in eine individuell erneuerte innere Haltung: die der Ökologie des Herzens.

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