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Campo Verano: Roms größter Friedhof

Was hat eine Telefonsäule mitten auf einem Friedhof zu suchen? Und warum steht eine Konservendose Bohnen an einem Grab? Ein Bummel über Roms größtem Friedhof löst so manches Rätsel .
Eingangstor zum Campo Verano, Cimitero Comunale Monumentale Campo Verano, der größte Friedhof von Rom im Stadtteil Tiber
Foto: H.Tschanz-Hofmann, imago-images | Eingangstor zum Campo Verano, Cimitero Comunale Monumentale Campo Verano, der größte Friedhof von Rom im Stadtteil Tibertino, Italien 1f-20717200

Am römischen Hauptbahnhof Termini geht es meist chaotisch zu – von den langen Monaten des coronabedingten Stillstands mal abgesehen. Unverständliche Lautsprecheransagen schallen durch die Bahnhofshalle und mischen sich unter das multikulturelle Stimmengewirr. Auch außerhalb des Bahnhofgebäudes auf der Piazza dei Cinquecento, dem Platz der fünfhundert, der an die 1887 in der Schlacht bei Dogali gefallenen fünfhundert italienischen Soldaten erinnert, wird es nicht ruhiger. Unzählige Buslinien starten von hier und verbinden die entlegensten Winkel der Ewigen Stadt miteinander. Am Rande der Piazza dei Cinquecento steht ein Monument zu Ehren des heiligen Johannes Pauls II. Für viel Wirbel hatte die sieben Meter hohe Bronzeplastik bei ihrer Enthüllung im Jahr 2011 gesorgt.

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Die Römer sind bekannt dafür, neuen Bauwerken und Monumenten in ihrer Stadt skeptisch zu begegnen. Man denke an den Brunnen auf der nahen Piazza della Repubblica, die von den Römern den liebevollen Spitznamen „Fritto Misto“ bekam – Italienisch für einen frittierten gemischten Fischteller. Und auch für die Figur Johannes Pauls II. waren schnell passende Vergleiche gefunden: sie erinnere an eine aufgestemmte Blechdose, an eine zerbrochene Glocke oder einen Torpedo. Die Kritik, die vor allem auch von kirchlicher Seite kam, ging damals so weit, dass dem Künstler Oliviero Rainaldi nichts übrigblieb, als die Figur zu überarbeiten. Doch auch diese Version konnte keine Begeisterungsstürme ernten. Noch immer wendet die Figur, die doch eigentlich Besucher in der Ewigen Stadt willkommen heißen soll, dem Bahnhof den Rücken zu. Die Römer haben für das Monument meist nur ein unverständliches Kopfschütteln übrig. Und so fristet der bronzene Johannes Paul II. ein recht stiefmütterliches Dasein inmitten des chaotischen Treibens rund um den Bahnhof.

„Die Römer sind bekannt dafür,
neuen Bauwerken und Monumenten in ihrer Stadt
skeptisch zu begegnen“

Östlich des Bahnhofs liegt das römische Viertel San Lorenzo. Im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert entstanden, lebten hier zunächst hauptsächlich Bahnarbeiter. Andere verirrten sich nur selten in die Gegend, denn das Viertel hatte keinen besonders guten Ruf. Auf die Bombardierung San Lorenzos während des zweiten Weltkriegs folgte der Wiederaufbau des Viertels in den fünfziger Jahren. Doch es dauert noch ein knappes halbes Jahrhundert bis sich San Lorenzo zum Ende des Jahrtausends zum begehrten Szene-Viertel wandelte. Günstige Mieten zogen Künstler an, die hier Ateliers und Galerien eröffneten und das einstige Arbeiterviertel zu dem vor allem bei jungen Römern und Studenten beliebten In-Viertel machten. Quer durch das Viertel führt die Via dei Volsci vorbei an zahlreichen Bars, Restaurants und Kunstgalerien zur Piazzale del Verano. Hier befindet sich mit San Lorenzo fuori le Mura nicht nur die dem Viertel ihren Namen gebende Kirche des heiligen Laurentius, sondern auch der Eingang zum „Cimitero Comunale Monumentale Campo Verano“, wie der größte Friedhof Roms offiziell heißt.

Wie an so vielen Ecken Roms liegen auch die Wurzeln des Verano in der Antike. Zur Zeit der römischen Republik gehörte die Gegend der römischen Senatorenfamilie Verani und hatte ihnen bereits als Friedhof gedient. Die Katakomben der Santa Ciriaca, deren berühmtestes Grab das des heiligen Laurentius ist, belegen, dass der „Campo dei Verani“ seit jeher dem Totengedenken diente. Erste Pläne eines modernen Friedhofs lieferte Giuseppe Valadier zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts. Das von Napoleon 1804 erlassene Edikt von Saint-Cloud, das alle bislang geltenden Vorschriften zur Bestattung Verstorbener neu regelte und unter anderem die Beisetzung von Toten außerhalb der Stadtgrenzen anordnete, machte die Planung eines neuen Friedhofs für Rom unumgänglich. Dieser erste Plan sah zunächst sechs quadratische Felder vor, die Platz für etwa vierhundert Gräber boten.

Wenige Touristen in einer fantastischen Welt

Auch nach Napoleons Abdankung im Jahr 1814 hielt die wiedereingesetzte päpstliche Regierung an den neunen Bestattungsvorschriften und Friedhofsplänen fest. Doch größer sollte der Friedhof werden und mehr Platz für mehr Gräber bieten. So bekam der Verano seine heutige Form und Gestalt durch den römischen Architekten Virginio Vespignani, den Gregor XVI. und nach ihm Pius IX. mit der Leitung des Projekts beauftragten. Grundstückszukäufe erlaubten um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine Erweiterung des Geländes, das sich heute auf einer Fläche von rund 83 Hektar erstreckt. Neben der Gegend rund um das imposante Eingangstor, die so genannte „area del Quadriportico“, gehören der jüdische Friedhof im Nordwesten, der Friedhof für protestantische Christen sowie der Militärfriedhof im nördlichen Teil zum Verano.

Nur sehr wenige Touristen verirren sich hin und wieder hier her. So ist man meist ziemlich alleine auf dem Verano und kann voll und ganz eintauchen in diese fantastische Gräber-Welt. Illustre Grabmonumente und -kapellen warten bereits am Eingang im Bereich des von Vespignani entworfenen Arkadengangs. Genau hier hat auch er selbst in einem von seinem Sohn Francesco entworfenen Grabmal seine letzte Ruhe gefunden. Auf einem Clipeus, einem typischen antiken Dekorationselement an Sarkophagen, an der Vorderseite des Grabmals, ist die Jungfrau Maria zu sehen. Antike Clipei zeigten meist die Totenmasken der Ahnen und dienten ihrer Verehrung. Die Wahl Maria zu zeigen, machte aus dem in seiner Gesamtform sehr an ein antikes heidnisches Grab erinnernde Monument – die S-förmige Kannelierung zu beiden Seiten des Brustbildes Marias bezieht sich klar auf die Antike – ein christliches. Zum anderen bezog sich Francesco mit dem Antikenbezug im Grabmal des Vaters eindeutig auf die antiken Wurzeln des Verano und mischte in diesen noch einen ganz persönlichen hinzu. So kann man an der Seite des Monuments nicht nur das Handwerkszeug des Architekten erkennen, sondern zudem Auszüge der Pläne des Friedhofs wie Vespiagnani ihn einst geplant hatte.

Familienmausoleum der Rossellinis mit Telefonanschluß

Vorbei an prunkvollen Familienkapellen und Einzelgräbern, die mit Skulpturen, Reliefs, Bronzeplastiken, ja sogar mit Gemälden verziert und geschmückt sind, steht man ganz unvermittelt vor der Familienkapelle der Rossellinis. Ein schlichter Bau aus Travertin mit einer im Halbrund abschließenden Fassade und kleinem Rundfenster mit Kreuz. Die Tür ins Mausoleum ist mit einem Eisengitter gesichert. Links und rechts des Eingangs symbolisieren Alpha und Omega den Beginn und das Ende des Lebens. Eine hohe Pinie wirft schützend ihren Schatten über das Familiengrab. Einige Meter entfernt, entdeckt man am Wegrand eine gusseiserne Telefonsäule wie man sie noch um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts benutzte. Eine kleine Tafel erläutert die traurige Geschichte, die hinter der Telefonsäule Mitten auf dem Friedhof steckt. Im Jahr 1946 war der berühmte italienische Regisseur Roberto Rossellini mitten in den Dreharbeiten seines Films „Deutschland im Jahre Null“, als sein Sohn Marco Romano mit gerade einmal neun Jahren an einem Blinddarmdurchbruch verstarb. Rossellini und seine damalige Frau wachten Tag und Nacht am Grab. Damit Rossellini aber dennoch weiter an seinem Film arbeiten konnte, ohne dabei das Grab verlassen zu müssen, zog die Teti, die damalige italienische Telefongesellschaft, kurzerhand eine Telefonleitung auf den Friedhof. Rossellini führte die Filmarbeiten vom Grab des Sohnes fort und schöpfte aus seiner Trauer Kraft – „Deutschland im Jahre Null“ wurde eines seiner ersten Meisterwerke.

Auch wenn Rom seit den sechziger Jahren mit dem Flaminio einen neuen städtischen Friedhof besitzt, werden auf dem Verano noch immer Verstorbene bestattet.

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Bud Spencer bekommt Dosenbier und -bohnen ans Grab

Mehr einer Pilgerstätte verrückter Fans als einer Grabstätte gleicht das Grabmal Carlo Pedersolis, den die meisten besser unter seinem Künstlernamen Bud Spencer kennen. Seit er im Juni 2016 verstarb, pilgern treue Fans zur Grabstätte und lassen ein Fläschchen Bud-Bier oder eine Dose Bohnen da, die der „gigante buono“, der „gutmütige Riese“, wie ihn die Italiener liebevoll nennen, in den zahlreichen Spaghetti-Western immer so gerne gegessen hat. Die Liste der Berühmtheiten, die auf dem Verano begraben sind, ist lang. Aber es sind nicht nur die berühmten Namen auf den Grabsteinen, sondern die Vielzahl der verschiedenen Dekorationsstile an den Gräbern, gepaart mit ihren Geschichten, die einen Besuch auf dem Campo Verano zu etwas ganz Besonderem machen.

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Natalie Nordio Das Römische Reich Grabkapellen und Mausoleen Johannes Paul II. Napoleon Pius IX. Päpste

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