Irankrise, Coronavirus, Synodaler Weg – die Nachrichten verderben jede gute Stimmung. Ist die demotivierende Tagespolitik wirklich alles, was unsere Aufmerksamkeit verdient? Was gibt uns die Kraft, die Tagespolitik beiseite zu schieben und das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren?
Im vergangenen Jahr besuchte ich zweimal Rom, die ewige Stadt. Die Schönheit der Stadt, ihre Gebäude und Statuen, das Zusammenspiel mit Fluss und Hügeln, die Menschen, die es sich zu eigen machen, das fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Als ich an einem Nachmittag am Tiber entlanglief, sah ich durch ein Fenster in die Kirche Santa Maria Annunziata in Borgo; genau in dem Moment war Anbetung und auf dem Altar war das Allerheiligste ausgestellt. Als wir nachts die Spanische Treppe herabgingen, ergab sich ein Gespräch mit einem älteren Mann, der ebenfalls dem Geheimnis der Schönheit auf der Spur war, und mit dem wir dann lange über Gott, die Welt im Allgemeinen und Rom im Besonderen reden konnten.
Rom ist keine zufällige Schönheit. Die Kraft, die hinter dem lebendigen Gesamtkunstwerk steht, ist der katholische Glaube. Er hat das antike Erbe aufgenommen, veredelt, fortgesetzt. Die Baumeister und Bildhauer, denen wir die Kirche, Paläste, Statuen verdanken, arbeiteten ad maiorem Dei Gloriam. Jeder für sich, aber der gemeinsame Impetus ließ aus den vielen Einzelkunstwerken die eine, ewige und schöne Stadt werden.
„Das Schöne ist keine vergängliche ,beauty', es ist dauerhaft,
es ist Ausdruck des Wahren und weist zugleich zu ihm“
Die große Schönheit, La Grande Belezza, ist der Titel eines Films von Paolo Sorrentino, der das Leben der Menschen im Angesicht des Schönen behandelt, in Rom natürlich, wo sonst. Die Erzählung zeigt ein Wechselspiel zwischen dem Lärm der Welt und dem elenden, ja manchmal leeren Menschen auf der einen Seite und den kleinen, unbeständigen, aber immer wieder präsenten Augenblicken der Schönheit auf der anderen Seite. Durch die Erkenntnis des eigenen ,Klein-Seins‘ ist man für die ewige, große Schönheit bereit, die uns vor der Banalität rettet. Das Schöne ist keine vergängliche „beauty“, es ist dauerhaft, es ist Ausdruck des Wahren und weist zugleich zu ihm.
Mir als Mutter ist es ein großes Anliegen, meinen Kindern diese Erkenntnis zu eröffnen: durch die Kunst, durch das Reisen, durch schöne Begegnungen. Das Schöne zu sehen und sich davon emporheben zu lassen war immer ein Wesensmerkmal des Katholischen. Die Schönheit und Vielfalt der Messgewänder, die Gesänge, der Kerzenschein, der Weihrauch, die schöne Sonntagskleidung sind das einfachste Mittel, Gott zu finden. Das levitierte Hochamt in unserer Brüsseler Gemeinde ist Sonntag für Sonntag ein Fest für die Sinne, das zugleich auf das weist, was uns übersteigt. Wir missionieren niemanden mit Streit, Strukturdebatten und Synoden. Wir gewinnen Herzen, wenn wir unseren desillusionierten, säkularen Mitmenschen ihre Sehnsucht nach Schönheit, Wahrheit und Ewigkeit beantworten. Deshalb sollten wir als Christen keine Angst haben, uns durch das Schöne, durch die Form hin zu den Inhalten, zum Guten und Wahren führen zu lassen. Es ist der Weg, der die Kirche groß, Rom zur ewigen Stadt und mich zu einer gelassenen Frau gemacht hat, die keine Angst vor schlechten Nachrichten hat.
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