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Karmel in Mayerling: „Wir bleiben unserem Weg treu“

Kronprinz Rudolf, die Zukunftshoffnung der Habsburger, fand hier seinen Tod. Aus dem Ort der Tragödie wurde eine Stätte des Gebets – Nun aber plagen den Karmel in Mayerling Geldsorgen.
Karmel Mayerling
Foto: Stephan Baier | Seit 131 Jahren beten die Karmelitinnen in Mayerling (im Bild: Schwester Regina und Priorin Maria Magdalena) für alle Menschen, die in Not sind.

Wo der österreichische Kronprinz Rudolf, die Zukunftshoffnung der Habsburger-Monarchie, vor 131 Jahren mit seiner Geliebten Mary Vetsera in den Tod ging, beten seither gemäß kaiserlicher Stiftung die Karmelitinnen. Aus dem Ort der Tragödie und des Todes sollte ein Ort der Sühne und des ständigen Gebets werden. So wollte es Kaiser Franz Joseph nach dem Tod seines Sohnes. Und so beten und fasten nun seit dem Jahr 1889 die frommen Schwestern im ehemaligen Jagdschloss des Erzherzogs in Mayerling. Einfach und bescheiden leben sie alle: die Jüngste mit ihren 28 Jahren, wie die Älteste, die seit 74 Jahren Karmelitin ist, mit stolzen 96. Die letzte, dringend nötige Renovierung brachte immerhin kleine Waschbecken und eine Heizung in jede Klosterzelle. Zuvor hatten sich die Schwestern aus einer Waschschüssel auf dem Boden gewaschen.

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Doch nun drücken schwere finanzielle Sorgen den Karmel St. Josef: Seit einigen Jahren ist der Tourismus sehr zurückgegangen. Damit bricht dem Karmel in Mayerling, wie Priorin Maria Magdalena im Gespräch mit der „Tagespost“ erläutert, die finanzielle Grundlage weg. Die Original-Schauplätze der geheimnisumwitterten Tragödie von Mayerling lockten früher Scharen von Touristen in den Wienerwald. Seit der Corona-Pandemie kommen kaum noch Gruppen. Die Gehälter für die Angestellten in der Ausstellung übersteigen nun die Einnahmen. „Wir hatten nie eine Hostienbäckerei oder Paramentik. Lebensmittel bekommen wir gar nicht gespendet. Manche Karmel erhalten Kisten mit Essen und Blumen, wir dagegen müssen alles kaufen“, sagt Mutter Maria Magdalena.

Zisterzienser aus Heiligenkreuz hilft wo er kann

Die finanziellen Sorgen belasten die zehn Schwestern in Mayerling. Dennoch versichert die Priorin glaubwürdig: „Wir fühlen uns von Gott getragen und haben Vertrauen in den heiligen Josef. Durch seine Fürsprache haben wir schon viel erhalten. Er hat uns noch nie im Stich gelassen!“

Allein auf das Gebet will sie sich aber nicht verlassen: „Wir müssen schon auch selbst etwas tun!“ Mit einer externen Firma, die professionell um Touristen warb, machten die Schwestern keine guten Erfahrungen. Voll des Lobes sind sie dagegen für Pater Johannes Paul Chavanne vom nahen Zisterzienserstift Heiligenkreuz. Der dynamische Pater macht kräftig Werbung, legt überall Folder aus und stellt Kontakte zu Medien her.

Während wir uns unterhalten, klopft es an der Tür und Pater Bernhard Vošicky betritt das Sprechzimmer. Der Heiligenkreuzer Zisterzienser ist einer der gefragtesten Beichtväter Österreichs und Stammgast in Mayerling. Was sich bei einer Karmelitin denn Woche für Woche so an Sünden sammle, will ich von der Priorin wissen. „Mit der Zeit bekommt man ein sensibleres Gespür“, antwortet sie ernst. Und dann schmunzelnd: „Oft denke ich: Schau, was sich da wieder angesammelt hat!“

„Die jungen Leute suchen das strenge, gut-katholische Ordensleben. Sie wollen keine Abstriche machen.“

Das Leben im Karmel hat etwas Radikales. Mutter Maria Magdalena hatte als junge Frau die Autobiografie der heiligen Thérese von Lisieux gelesen und wusste sofort: „Das ist mein Weg! Ich möchte dem lieben Gott alles schenken – nicht nur einen Teil.“ Diese Entschiedenheit sei auch heute attraktiv, ist sie überzeugt: „Die jungen Leute suchen das strenge, gut-katholische Ordensleben. Sie wollen keine Abstriche machen.“ Die Priorin kann das belegen: In diesen Tagen tritt die 27-jährige Jennifer in den Karmel Mayerling ein. Sie studierte eifrig Medizin und geht jetzt – als fertig ausgebildete Ärztin – in den Karmel. „Da fragt man sich doch: Warum hat sie all die Jahre studiert?“, lächelt die Priorin. „Sie hat sich ganz für das kontemplative Leben entschieden!“ Wie einst die promovierte Philosophin Edith Stein, eine Schülerin des Phänomenologen Edmund Husserl, von der Mutter Maria Magdalena sagt: „Im Karmel hat sie ganz klein und bescheiden gelebt, war ungeschickt bei den Hausarbeiten und beim Kehren.“ Oder wie die 42-jährige Petra, die im Dezember in Mayerling eintreten will. „Sie hat seit vielen Jahren den Herzenswunsch, Karmelitin zu werden, aber ihre 96-jährige Oma, für die sie sich verantwortlich fühlte, war unversorgt. Jetzt ist die Oma gut versorgt, und Petra steht der Weg in den Karmel offen.“ Wie einst Thérese von Lisieux oder Edith Stein, die sich im Karmel klein machten und zu großen Heiligen wurden. Zu einem Ort der Sühne und des immerwährenden Gebets – wie es der Wunsch von Kaiser Franz Joseph nach dem tragischen Suizid seines Sohnes war – ist Mayerling tatsächlich geworden. Auch zu einem Ort der Gnade.

„Wir bleiben unserem Weg treu“, sagt die Priorin im Gespräch. „Unser Leben ist erfüllend. Wenn man am richtigen Platz ist, dann ist man glücklich.“ Dass jede Schwester ihre eigene Lebensgeschichte mitbringt, dass es im Karmel „wie in einer Familie“ auch Höhen und Tiefen, ja sogar Zwistigkeiten gibt, räumt sie sanft lächelnd ein.

Nachdenklich wird sie, wenn sie von den großen Sorgen und Nöten erzählt, die die Menschen auf der Suche nach Trost von außen herantragen: Mutter Maria Magdalena erzählt von einer verzweifelten Frau, die ein Kind durch einen Unfall und das zweite durch Suizid verloren hat, von inneren Spannungen und Gewalt in vielen Familien, von explodierenden Scheidungsraten und wachsenden Depressionen draußen in der Welt.

Und davon, dass sie die vielen Gebetsanliegen auf Zettel schreibt, „damit wir all diese Anliegen immer und immer wieder ins Gebet hineinnehmen“. Dorthin, wo bei aller Tragik des Lebens stets Hoffnung wohnt.

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