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Seit 50 Jahren geht die Piusbruderschaft ihre eigenen Wege

Seit 50 Jahren geht die Piusbruderschaft ihre eigenen Wege. Sie vermisst in der Kirche das Sakrale. Die Amazonas-Synode kann sie darin nur bestärken.
Priesterweihe der Piusbruderschaft
Foto: Armin Weigel (dpa) | Was der traditionalistischen Piusbruderschaft weiter Zustrom sichert, ist die sich in der Kirche ausbreitende und für viele anstößige Formlosigkeit.

Als beim „Warmlaufen“ zur Amazonas-Synode – mit Bischofsweihen, dem Konsistorium mit 13 neuen Kardinälen und dem Eröffnungsgottesdienst am Sonntag – auch ein kleiner Eichenbaum in den vatikanischen Gärten einzupflanzen war, kam es zu einem kleinen Eklat. Der Papst war da, aber auch Franziskaner aus Assisi, die den Baum mitgebracht hatten, Vertreter katholischer Umweltschutzorganisiationen und viele Indigene aus dem Amazonasgebiet. Es war ein Kult, der eher Mutter Erde und der durch das Bäumchen repräsentierten Natur galt. Eine barfüßige Indiofrau brachte eine Schale Erde, kippte den Inhalt an den Baum, berührte sie mit der Stirn und streichelte sie. Allerlei bunte Transparente, die auf dem Rasen lagen, waren voll mit Natursymbolik, nicht gerade mit christlichen Insignien. Franziskus hatte eine vorbereitete  Ansprache  mitgebracht. Aber am Ende ließ er das Manuskript liegen, betete ein Vater Unser und ging. Dieser Akt indigener Religiosität hatte ihm nicht gefallen.

Traditionalistische Vereinigungen finden weiter Zulauf

Es ist diese Auflösung der „katholischen Form“, die viele Gläubige unsicher macht. Auf dem Petersplatz steht jetzt ein von dem Neu-Kardinal Michael Czerny SJ, dem Mann des Papstes für die Migranten, in Auftrag gegebenes Metallmonument, das Flüchtlinge und Auswanderer aller Zeiten und Weltgegenden auf einem Boot zeigt: Titel der Plastik: „Unbewusste Engel“. Kein Kreuz, kein Heiliger ist zu sehen, nur oben ragen die Spitzen zwei Engelsflügel aus der Masse der Flüchtlinge hervor. Martin Mosebach hat 2002 seiner Programmschrift gegen die neue Liturgie der katholischen Kirche den Titel „Häresie der Formlosigkeit“ gegeben. Solange traditionsbewusste Katholiken sehen, wie sich in der Liturgie althergebrachte Formen auflösen, dass sich der genannte Kardinal Czerny ein Brustkreuz aus dem Holz eines Flüchtlingsboots hat anfertigen lassen, finden traditionalistische Vereinigungen weiter Zulauf.

Die bekannteste von ihnen ist die Priesterbruderschaft St. Pius X., die Erzbischof Lefebvre am 13. Oktober vor fünfzig Jahren mit der Eröffnung eines Seminars gegründet hat. Mit einer Messe und Prozession haben fünfhundert Anhänger der Bruderschaft diesen Gründungstag am vergangenen Wochenende in Fribourg begangen. Unter Benedikt XVI. und zur Anfangszeit des Pontifikats von Franziskus sah es so aus, als könnten Rom und die Lefebvrianer wieder zusammengekommen. Bischof Bernard Fellay, der die Bruderschaft fast 25 Jahre leitete, konnte aber – bei allen Sympathien für Benedikt XVI. – die Hardliner in seinen Reihen nicht gewinnen.

Ratzinger war und ist vielen Traditionalisten suspekt

Joseph Ratzinger war und ist als moderner Theologe und Vordenker des Konzils vielen Traditionalisten suspekt. Aber als Papst hat Benedikt die Form geachtet – und sogar den „alten Ritus“ aus dem Eisschrank der Liturgiegeschichte zurückgeholt. Franziskus war pragmatisch, ließ die Priester der Piusbruderschaft im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit offiziell Beichte hören und war zu Konzessionen bereit. Doch sein damaliger Glaubenspräfekt Gerhard Müller war dagegen. Der wollte die Anerkennung der Konzilstexte durch die Lefebvrianer. Als das Generalkapitel der Piusbrüder 2018 den Italiener Davide Pagliarini zum Nachfolger Fellays wählte, war klar, dass eine neue Eiszeit im Verhältnis zu Rom beginnt.

Zu Kurienreform und Amazonas-Synode befragt, sagte Pagliarini jetzt im September dem Pressedienst der deutschen Sektion der Bruderschaft: „Der Eindruck, den viele Katholiken derzeit haben, ist der einer Kirche am Rand einer neuen Katastrophe.“ Und zu „Amoris laetitia“ meinte er, dieser Text „stellt in der Geschichte der Kirche der letzten Jahre das dar, was Hiroshima oder Nagasaki für die moderne japanische Geschichte ist: Menschlich gesprochen, sind die Schäden irreparabel.“

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Bekannte Lehrfragen trennen die Piusbrüder von Rom

Es sind die einschlägig bekannten Lehrfragen – Ökumene, Versöhnung mit den Juden, interreligioser Dialog, Liturgie –, die  die Piusbrüder von Rom trennen. Was ihnen aber auch weiter Zustrom sichert, ist die sich in der Kirche ausbreitende und für viele anstößige Formlosigkeit. Sie vermissen das Sakrale, die über Jahrhunderte gewachsene Kunst der katholischen Kirche, das Sakrale in die Gotteshäuser und in kirchliche Versammlungen zu holen. Da ist der Indio als neues Paradigma des Christentums vielen ein weiterer Stein des Anstoßes.

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