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Kirche wird „von den Marktplätzen unserer Welt vertrieben“

Tausende Rosenkranz-Beter scharen sich in Wien um Kardinal Schönborn, Erzbischof Lackner und Missio-Chef Karl Wallner.
Zweitägige Maria-Namen-Feier im Wiener Stephansdom
Foto: Georg Hochmuth (APA FILE) | Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner sprach im Wiener Stephansdom von einer „antichristlichen Gebärdung“ einer Mehrheit, die sich etwa gegen Menschen richte, die sich gegen Abtreibungen aussprechen.

Den Verfall der Werte in der Gesellschaft prangerte der Erzbischof von Salzburg, Franz Lackner, am Wochenende bei der zweitägigen Maria-Namen-Feier im Wiener Stephansdom an. „Höchste Werte – wie Ehe, Familie zwischen Mann und Frau oder das Leben als göttliche Gabe von seinem Anfang bis zum gottgewollten Ende – werden eingeebnet und auf einen Minimalkonsens reduziert“, so Lackner in seiner Predigt am Samstag. Die Kirche werde „von den Marktplätzen unserer Welt vertrieben“. Der Salzburger Erzbischof, der traditionell den Ehrentitel „Primas Germaniae“ trägt, sprach von einer „antichristlichen Gebärdung“ einer Mehrheit, die sich etwa gegen Menschen richte, die sich gegen Abtreibungen aussprechen.

Stille Kraft, die die Welt verändert

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, bezeichnete in seiner Predigt am Sonntag – den österreichischen Künstler André Heller zitierend – die „Weltmuttersprache Mitgefühl“ als jene stille Kraft, die die Welt verändert. „Jeder versteht diese Sprache“, so Schönborn. Mitgefühl mache die Welt erst menschlich. Gottes Mitgefühl gelte besonders denen, die verloren sind. Er wolle alle retten. Der Wiener Kardinal, der einst Redaktionssekretär des unter Kardinal Joseph Ratzinger erstellten „Katechismus der Katholischen Kirche“ war, würdigte, dass Papst Franziskus „endlich einen tiefen Wunsch von Papst Johannes Paul II. verwirklich“ habe, indem er die Ablehnung der Todesstrafe in Katechismus aufgenahm. Auch der schlimmste Verbrecher trage noch das Bild Gottes in sich und besitze deshalb eine unverlierbare Würde.

"Wer [...] den Gedanken der Sühne
verstanden hat, kann mit dem Leiden
umgehen. Gott hat dem Sinnlosen
einen Sinn zugesprochen"
Pater Karl Wallner

Pater Karl Wallner, langjähriger Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz und seit drei Jahren Nationaldirektor der „Päpstlichen Missionswerke in Österreich“ (Missio), rief die Bedeutung der Sühne in Erinnerung. Bei Sühne und Buße gehe es um „das Wegbringen von Sünden“: bei der Buße um die eigenen, bei Sühne um die Sünden der anderen. Sünden seien durch Sühne abzuarbeiten. „In der Heiligen Messe wird das blutige Sühnopfer, das die Communio mit Gott begründet, dargestellt.“ Die Leidenssühne Christi sei die Ausdrucksgestalt der universalen Liebe Gottes, darum sei Golgotha der unüberbietbare Ausdruck von Gottes Liebe. „Diese Liebe will Jesus auch von uns: eine Liebe, die bereit ist, sich wehtun zu lassen. Niemand kann dem Leiden entgehen, es gibt kein Leben ohne Leiden, Enttäuschungen, Schmerzen, Tod. Wer aber den Gedanken der Sühne verstanden hat, kann mit dem Leiden umgehen. Gott hat dem Sinnlosen einen Sinn zugesprochen“, so Wallner. Der Christ solle das Leid nicht suchen, sondern bekämpfen. Er könne aber zugleich den innersten Sinn der Existenz Christi übernehmen: ein Leben für die anderen.

Erinnerung an Befreiung Wiens von der osmanischen Belagerung

Die seit 1958 in Wien begangene Maria-Namen-Feier erinnert an die Befreiung Wiens von der osmanischen Belagerung im Jahr 1683. Nach dem Sieg der polnischen, luxemburgischen und österreichischen Truppen über die osmanischen Heere am 12. September 1683 hatte Papst Innozenz XI. das Fest Maria Namen für die ganze Kirche verbindlich festgesetzt. Veranstaltet wird die Maria-Namen-Feier in Wien von der österreichischen Gebetsgemeinschaft „Rosenkranz-Sühnekreuzzug um den Frieden der Welt“ (RSK), die der Franziskaner-Pater Petrus Pavlicek im Jahr 1947 aufgrund einer Inspiration durch die Gottesmutter im Wallfahrtsort Mariazell gründete.

Sein Nachfolger an der Spitze des RSK, Pater Benno Mikocki, eröffnete die diesjährige Maria-Namen-Feier auch im Gedenken an jene österreichischen Politiker, die sich betend für die Befreiung des Landes von der ausländischen Besatzung der Nachkriegsjahre eingesetzt hatten, Bundeskanzler Julius Raab und Außenminister Leopold Figl. Unter den Teilnehmern der Feier und der anschließenden öffentlichen Prozession war die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler.

DT/sb

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