Der Irak hat am Samstag beschlossen, anlässlich des Besuchs von Papst Franziskus einen nationalen „Tag der Toleranz und Koexistenz“ einzuführen. Dieser soll künftig stets am 6. März begangen werden und an das historische Treffen des Papstes mit dem schiitischen Großayatollah Ali Al-Sistani erinnern.
Auf Leid nicht mit Verbitterung oder Flucht reagieren
Der Papst selbst appellierte an die leidgeprüften Christen im Irak, auf ihre vielfachen Nöte weder mit Emigration noch mit Verbitterung zu reagieren. Wörtlich sagte der Papst in der dem heiligen Joseph geweihten Kathedrale der Chaldäer in Bagdad am Samstag: „Angesichts von Problemen gibt es immer zweierlei Arten der Versuchung. Die erste ist die Flucht: weglaufen, sich abwenden, nichts mehr wissen wollen. Die zweite Versuchung ist, mit Zorn zu reagieren, mit Gewalt.“ Die Christen jedoch sollten wie Jesus selbst „mit der demütigen Kraft der Liebe, mit seinem geduldigen Zeugnis“ reagieren.

Wie am Tag zuvor in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad erinnerte Franziskus auch in seiner Predigt in der chaldäischen Kathedrale an die irakischen Märtyrer der jüngsten Vergangenheit: Die Liebe habe sich am Kreuz stärker erwiesen als die Sünde. „Es ist diese Liebe, welche die Märtyrer in der Prüfung hat siegen lassen.“ Diese Liebe sei „unsere Stärke, die Stärke zahlreicher Brüder und Schwestern, die auch hier unter Vorurteilen und Beleidigungen, Misshandlungen und Verfolgung in Jesu Namen gelitten haben“, so der Papst. Er rief die Christen dazu auf, täglich Zeugnis zu geben: „Um selig zu werden, muss man nicht ab und zu zum Helden, sondern jeden Tag zum Zeugen werden.“
Eine liturgische Premiere
Franziskus feierte am Samstagabend in Bagdad als erster Papst der Kirchengeschichte eine Messe im ostsyrischen Ritus der Chaldäer. An dem Gottesdienst im Stadtzentrum von Bagdad nahmen auch muslimische Würdenträger sowie Staatspräsident Barham Ahmad Salih Quassim und Ministerpräsident Mustafa Al-Kadhimi teil.
Der Patriarch der chaldäischen Katholiken und Vorsitzende der irakischen Bischofskonferenz, Kardinal Louis Raphael Sako, dankte dem Papst für seine „mutige Reise“. Als Pilger bete der Papst im Irak für eine menschlichere, brüderlichere, solidarischere und friedvollere Welt. Patriarch Sako sagte, dass die gemeinsame Identität aller Menschen die unterschiedlichen religiösen und nationalen Identitäten und ihre Besonderheiten nicht bedrohe, sondern sie bereichere und befreie von Extremismus und Terrorismus. Der Besuch des Papstes ermutige die Iraker, ihre schmerzvolle Vergangenheit zu überwinden. Sako betonte, die Christen im Irak hätten „eine Berufung und eine Mission, die wir - ungeachtet aller Schwierigkeiten - nicht aufgeben können“. Sie seien nicht zufällig im Irak, sondern nach einem göttlichen Plan.
Die mit Rom unierte chaldäisch-katholische Kirche zählt weltweit mindestens 500.000 Gläubige, die jedoch mehrheitlich in den USA, Europa und Australien leben. Sie ist die größte christliche Gemeinschaft im Irak, wo die Zahl der Christen unterschiedlicher Konfessionen und Riten heute auf 200.000 bis 300.000 geschätzt wird. DT/ sba
Die Tagespost berichtet umfassend vom Besuch des Papstes im Irak
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