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Dominikaner: Vorbild für den Bettelorden waren Regeln der Ketzer

Wie in den Zeiten größter Wirren der Predigerorden entstand. Zum achthundertsten Todestag des heiligen Dominikus.
Der Heilgen Dominikus
Foto: imago stock&people (imago stock&people)

Mit Ketzern kannte sich Dominikus aus. Dass der in eine wohlhabende Familie in der Nähe von Burgos in Kastilien Hineingeborene, der eine Zeit lang Mitglied des Domkapitels in Osma-Soria war, nicht der Familie derer von Guzmán entstammt, ist ein Ergebnis der jüngeren Wissenschaft.

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Zwischen Alpen und Atlantik herrschte religiöse Anarchie

Wie dem auch sei, hier geht es also um Dominikus, den späteren Gründer des Predigerordens. Doch zuerst die Ketzer. Und das kam so: Im Jahr 1203 war der König von Kastilien, Alfons VIII., auf einen sehr merkwürdigen Gedanken gekommen. Er wollte seinen 13-jährigen Sohn mit einer Nichte des dänischen Königs Waldemars verheiraten. Also musste jemand dahin, quer durch Europa, um zu schauen, ob es diese Nichte überhaupt gibt, ob sie heiratsfähig ist und sich auch sonst alles arrangieren lässt. Als Brautwerber suchte sich Alfons Bischof Diego von Osma aus, und eben den jungen Dominikus. Der Grund ist ganz einfach. Es mussten Geistliche sein, denn die hatten ja das Lateinische studiert. Und das war damals die Sprache, mit der man auch auf Reisen gehen und an fremden Höfen vorsprechen konnte.

Aus der portugiesisch-dänischen Verbindung zweier Dynastien wurde aber nichts, denn Diego und Dominikus blieben in Südfrankreich hängen, genauer gesagt in der Gegend um Toulouse. Dort herrschte Chaos. Nicht nur, dass vier verfeindete Fürstenhäuser das Land zwischen Alpen und Atlantik in eine Art Libyen des 13. Jahrhunderts verwandelt hatten, aus ganz Europa waren Aussteiger und Sektierer hierhin geströmt, um sich in einer Gegend ohne staatliche Gewalt den „Katharoi“, den „Reinen“ anzuschließen, Anhängern einer alten Geheimreligion, die heimkehrenden Kreuzrittern aus dem Orient gefolgt waren. Die Katharer fanden viel Gefolgschaft unter den Gebildeten, unter Kaufleuten und Ärzten, aber auch unter jungen Menschen und dem Adel auf dem Land.

Waldenser und Katharer auf dem Vormarsch

Während es in der katholischen Kirche und hier vor allem im Klerus drunter und drüber ging, erklärten sich die Reinen als bedürfnislos und aßen kein Fleisch. Sie glaubten, dass Gott nur die Seele erschaffen habe. Alles Fleischliche sei Satans Schöpfung, insbesondere die Sexualität. Das Kreuz aber sei ein Fluch. Denn mit dem Tod Jesu Christi am Kreuz habe der Satan Gott besiegt. Später sollte Dominikus auch die Waldenser kennenlernen. Während die Katharer eigene Theologen, Priester, Bischöfe, Sakramente und sogar Konzilien hatten, lebten die nach dem Kaufmann und Laienprediger Petrus Valdes benannten Sektierer antiautoritär und demokratisch in etwa dreitausend Gemeinschaften in Südfrankreich und Norditalien. Sogar der Gleichberechtigung von Mann und Frau redeten sie das Wort – für das Mittelalter etwas ganz Neues.

In Rom sitzt Papst Innozenz III. Angesichts der Anarchie in Südfrankreich – politisch wie in Glaubensfragen – ruft er für die Region den Notstand aus. Und er bittet die Äbte der Zisterzienser-Klöster aus ganz Europa, in Südfrankreich als Prediger gegen die Ketzer anzutreten. Aber solche Äbte sind wahre Potentaten. Ihre Mission misslingt. Der Autor Hans Conrad Zander hat einmal einen Fall beschrieben: „So zieht auch Seine Gnaden Arnold Amalrich, der mächtige Abt von Citeaux, predigend übers Land. Um sich einen furchterregenden Haufen von bis an die Zähne bewaffneten Soldknechten. Hinter sich einen langen Tross von Pferden, Maultieren und Dienern. Die Brust, als Zeichen seiner kirchlichen Würde, behangen mit Juwelen und mit Gold.“

Dominikus und der Bischof kommen daher wie die Apostel

Es wird ein totales Fiasko. Wo Abt Arnold auftaucht, geht seine Predigt unter im Hohngelächter der Bevölkerung. Auf der Landstraße kurz vor Montpellier begegnet der Abt mit seinem prunkvollen Tross zwei einsamen Wanderern. Es sind zwei verstaubte Spanier, die eigentlich seit drei Jahren in Dänemark sein sollten. Sie predigen so katholisch wie Abt Arnold. Aber seltsam: Obwohl der eine von beiden Bischof ist, haben sie keine Söldner bei sich und keine Diener, keinen Schmuck und kein Geld. Barfuß kommen sie daher. Wie die Apostel. Wie die Ketzer. Erschüttert darüber, dass geistliche Herren in solche Armut geraten konnten, bittet Arnold Amalrich die beiden Spanier, für den Abend in Montpellier seine Gäste zu sein.

Die Versuche der Kirche, mit den Katharern zu reden und vor ihnen zu predigen, scheitern. Die Ketzer radikalisieren sich. 1208 wird der höchste Vertreter der katholischen Kirche, der Päpstliche Legat Peter von Castelnau, ermordet. Feierlich ruft Innozenz III. den König von Frankreich auf, zwischen Pyrenäen und Alpen die Ordnung wiederherzustellen. Der Albigenser-Krieg wird eines der grausamsten Blutbäder der Geschichte. Die Kirche selber aber gründet, um ihr Problem mit den Ketzern zu lösen, die „Heilige Inquisition“.

Dominikus gründet kontemplatives Frauenkloster

Hier kann nur zusammengefasst werden: Der verhinderte Brautwerber zieht aus seinen insgesamt zwölf Jahren in Südfrankreich einige Lehren. Zunächst die Frauen. Dominikus war aufgefallen, dass die Frauen bei den Katharern des Languedoc eine überragende Hauptrolle spielten. Sie richteten die Versammlungsorte her, sorgten sich um die Bekleidung, organisierten die Aufnahme der Novizen und waren überhaupt die eigentlichen Hüterinnen der neuen Riten und Regeln der Katharer.

Deshalb gründete Dominikus zusammen mit Bischof Diego im Jahr 1206 in den Ruinen des Dörfchens Prouille in der Nähe von Fanjeaux zwischen Carcassone und Toulouse – also mitten im Hoheitsgebiet der Ketzer – mit einigen Augustinerinnen ein erstes kontemplatives Frauenkloster als Zuflucht für Frauen, die sich von den Katharern lösen und wieder zur römisch-katholischen Kirche zurückkehren wollten.

Ideal des Predigerordens entsteht

Dann die wahre Reform. Nach all den missglückten Versuchen, erst mit dem Wort dann mit dem Schwert Frieden zu schaffen, erkennt Dominikus, dass der radikale Eifer der Sektierer genauso wenig vom Satan kommt wie die Sexualität. Er ist vielmehr das spiegelverkehrte Abbild der in gleichem Maße radikalen Korruption der Mächtigen. In diesem Fall der Kirche. So sind in fast allen Kirchen Südfrankreichs die Kanzeln vermietet an Jahrmarktschreier. Die Geistlichen selbst predigen nicht mehr. Sie sind voll beschäftigt mit Pfründenjagd und Ämterschacher. Was es also für Dominikus braucht, ist das bedürfnislose Leben eines Aussteigers verbunden mit der Treue zum katholischen Glauben und einer entsprechenden Bildung. Das Ideal des Predigerordens steht ihm vor Augen. 1215 trägt er Papst Innozenz seinen Plan vor. „Wir verbieten dir aufs strengste“, so die Antwort „einen neuen Orden zu ersinnen.“ Originell sei die Idee sowieso nicht. Ein versponnener Eiferer aus Umbrien liege ihm die ganze Zeit mit einem ähnlichen Projekt in den Ohren. Der Papst meinte Franz von Assisi.

Doch Dominikus gibt nicht auf. Zurück in Toulouse belebt er mit seinen Gefährten die uralte Gemeinschaft der Augustiner Chorherren neu. Nach der „Regel des heiligen Augustinus“, einer fast vergessenen Ordensverfassung. Der Papst hatte ja nur vom Ersinnen eines neuen Ordens gesprochen. Dann setzte die kleine Truppe ein Schriftstück mit dem Titel „Gebräuche“ auf. Da steckte dann die ganze Würze drin: Keine ehrwürdigen Abteien draußen auf dem Land, sondern kleine Kommunen mitten in den Städten. Keine Äbte, sondern alle Ämter demokratisch in freier Abstimmung wechselnd besetzt. Bedürfnislos leben, vegetarische Ernährung. Pferde zum Reiten sind verboten wie auch die Annahme von Pfründen. Ein Bettelorden soll es sein. Von den Leuten, vor denen sie gepredigt haben, erbittet man zum Essen.

Die Lebensregel der Dominikaner erinnert ganz an die Lebensregel der Ketzer. Der Nachfolger von Innozenz, Honorius III., erkennt die Regel schließlich an und macht die Dominikaner zu seinen „filii speciales“, zu seinen „besonderen Söhnen“.

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