Klar: Als Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz ist der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, geradezu natürlich „papabile“. 2019 von Franziskus mit der Kardinalswürde versehen, stand der 69-jährige Zuppi zuletzt als Sondergesandter des Papstes in Sachen Ukrainekrieg (eigentlich im Verantwortungsbereich von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin) im Rampenlicht. Die Besuche in Kiew, Washington und Moskau, bei denen Zuppi mit Selenskyj, Biden, nicht aber Putin zusammentraf, führten bekanntlich nicht zu einem Ende des Krieges – halfen aber wohl bei den Bemühungen des Vatikans, wenigstens einige der nach Russland entführten ukrainischen Kinder wieder zurück in ihre Heimat zu bringen.
Zuppi war als Mann für internationale diplomatische Missionen eine naheliegende Wahl, da er – seit seiner Jugend der auch in der vatikanischen Außenpolitik einflussreichen Gemeinschaft Sant’Egidio nahestehend – als einer der Architekten des Friedenschlusses des 18 Jahre dauernden mosambikanischen Bürgerkriegs gilt. Bei der Aushandlung des Allgemeinen Friedensabkommens von Rom von 1992, das den Konflikt beilegte, war Zuppi einer der vier Mediatoren der Verhandlungsparteien. Praktisch wirkte Zuppi aber nicht nur in höheren diplomatischen Sphären, sondern, ganz nach Franziskus‘ Ideal, auch als Seelsorger an sozialen Brennpunkten in Rom. Auch hier prägte ihn die Gemeinschaft Sant‘ Egidio, die sich neben dem Friedensengagement besonders um die „Freundschaft mit den Armen“ bemüht.
Homosegnung und tridentinischer Ritus
Doch wie tickt Zuppi, der Mann der Orthopraxie, theologisch? Er sei „sehr am linken politischen Flügel der Kirche“ angesiedelt, und werde Franziskus' Erbe wohl weiterführen, mutmaßt die von den konservativen Vatikanjournalisten Diane Montagna und Eward Pentin betriebene Website „collegeofcardinalsreport.com“. Als Beleg dienen Zitate, nach denen Zuppi den Zölibat als „veränderbar“ bezeichnet hat, und sich zur von Papst Franziskus geforderten Synodalität bekannte. Den Diakonat der Frau hat Zuppi allerdings 2023 abgelehnt; Franziskus' umstrittene Erklärung „Fiducia supplicans“ zur Möglichkeit der „pastoralen“ Segnung unverheirateter, auch gleichgeschlechtlicher Paare verteidigte Zuppi wiederum in einer Grundsatzrede vor der Italienischen Bischofskonferenz. Im Segen komme der „liebevolle Blick der Kirche“ zum Ausdruck, der allen Getauften gelte, die die „volle Würde der Kinder Gottes haben und als solche unsere Brüder und Schwestern sind“.
Eher nicht auf Franziskus‘ Linie zeigte sich Zuppi in der Frage der vorkonziliaren Liturgie. In der Diözese Rom einst auch für die Gemeinde „Santissima Trinità dei Pellegrini“ zuständig, die von der Petrusbruderschaft betreut wird, feierte Zuppi 2014 als erster römischer Weihbischof eine Heilige Messe im tridentinischen Ritus. Auch nach Franziskus‘ Motu proprio „Traditionis custodes“, das die Bedingungen für die Feier der tridentinischen Liturgie stark einschränkte, feierte Zuppi noch eine traditionelle Vesper mit Geistlichen der Petrusbruderschaft und des Institutes Christus König. Zu „Traditionis custodes“ sagte im Nachgang nur, er glaube, dass der Papst der Meinung sei, die Direktive sei sinnvoll, und man müsse sie mit großer Achtsamkeit und Verantwortlichkeit beachten.
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