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Teresa von Avila: Pionierin der Kirchenlehre

Ein Kongress in der Geburtsstadt von Teresa von Avila stellt die Heilige als Meisterin des Gebets vor. Teresa von Avila ist zwar die erste Kirchenlehrerin in der Geschichte, das bedeutet aber keinen Dammbruch der apostolischen Lehrvollmacht.
Heilige Teresa von Avila

Über die Rolle der Frauen wird in Kirchenkreisen mit Verve geredet. Doch woran erkennt man die wahren Stärken der Frau? Papst Franziskus hat vor wenigen Tagen in einer Hommage an Teresa von  Avila (1515 1582) die Christusbeziehung und die Bereitschaft, Gottes Willen zu erfüllen, als Maßstab für die tatsächliche Bedeutung der Heiligen unterstrichen.

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Ziel des Gebets ist nicht der spirituelle Kick

Vor gut 50 Jahren schrieb die Karmelitin Geschichte: Paul VI. erkannte ihr am 27. September 1970 als erster Frau den Titel Kirchenlehrerin zu. In einer Videobotschaft an einen Kongress der Katholischen Universität  vila und der Katholischen Universität Eichstätt rühmte der Papst Franziskus Teresa vor wenigen Tagen für ihre unbeirrbare Entschlossenheit, an der Einheit mit Christus festzuhalten und den ihr von Gott anvertrauten Auftrag zu erfüllen. "Wir leben heute wie Teresa von  vila in schweren Zeiten, in denen starke Freunde Gottes gebraucht werden." Das Herausragende dieser "außergewöhnlichen, kreativen und innovativen Frau" beruhe jedoch auf ihrer Verbindung mit Christus im Gebet.

Und gerade mit Blick auf diese existenzielle Voraussetzung für das Leben mit Gott scheint der Lernbedarf immens zu sein. Beten ist weder die Suche nach dem spirituellen Kick, noch die Seelenwanderung durch das namenlose Nirgendwo, sondern die Begegnung mit Christus. Der Papst warnte auch vor Fehlhaltungen: Teresa habe gelehrt, dass das Gebet nicht dazu da ist, um außergewöhnliche Erfahrungen zu machen, sondern um sich mit Christus zu verbinden. "Das Zeichen dieser Verbindung sind die Werke der Nächstenliebe", so Papst Franziskus.

Nur ein Zeichen der Geschlechtergerechtigkeit?

Die Erhebung der ersten Frau zur Kirchenlehrerin galt vor 50 Jahren als kleine Sensation, der wenige Wochen später die von Katharina von Siena folgen sollte. Es ging dem Konzilspapst Paul VI. allerdings nicht um Geschlechtergerechtigkeit, als er mit Teresa eine Meisterin des Gebets in den Fokus der Kirche rückte. Die Wiener Theologin Marianne Schlosser zitierte die Frage Pauls VI., welches der gegenwärtigen Probleme durch Teresa gelöst werde und beantwortete sie mit dem Hinweis auf die Not des modernen Menschen. Der Lärm der Welt ziehe die Menschen weg von den Schätzen des inneren Lebens, habe der Papst erklärt. Der Verarmung, die sich aus der Unfähigkeit vieler Menschen zum Gespräch mit Gott ergibt, setzt die Kirche mit Teresas Schriften den Reichtum weiblicher Gotteserfahrung entgegen: Dass Gott in der Seele des Beters wirken will, dass inneres Beten für die Heilige nichts anderes ist als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft zusammenkommen, weil wir sicher sind, dass er uns liebt, bleibt ihre unverändert aktuelle Lehre.

Schlosser ging zudem auf die Frage der Vereinbarkeit des Pauluswortes, demzufolge Frauen nicht lehren dürfen und in der Gemeinde schweigen sollen und der Verleihung des Kirchenlehrertitels ein. Das paulinische Lehrverbot habe der Papst auf das apostolische Amt bezogen und einen Zusammenhang zwischen Kirchenlehrertitel und Weiheamt klar verneint. Der Titel Kirchenlehrer knüpft nach Darstellung Pauls VI. aber nicht an die apostolische Lehrvollmacht an, auch wenn ihn bis 1970 nur Bischöfe, Priester und ein Diakon (Ephräm der Syrer) erhalten hatten, sondern wurzele im gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen. Schlossers Fazit: "Im Fall der Kirchenlehrerinnen handelt es sich um ein Lehrcharisma, das der prophetischen Erkenntnis nahesteht und auch von Frauen ausgeübt werden kann.

Feder geführt vom Heiligen Geist

Die biblische Begründung hierfür findet sich in der Apostelgeschichte 2,17 "Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein".
Paul VI. war nicht der erste, der Teresa posthum als Lehrerin würdigte. Der römische Kirchenhistoriker Silvano Giordano OCD beleuchtete die Fülle der Zeugnisse, die belegen, dass Teresas Ernennung zur Kirchenlehrerin auf eine fest verankerte Überzeugung in der Kirche zurückging. Das Profil Teresas als Lehrmeisterin zeichnete sich schon in der Editionsgeschichte ihrer Werke ab, deren Erstausgabe bereits sechs Jahre nach ihrem Tod 1588 von dem Augustiner Luis de Le n vorgelegt wurde. Der Herausgeber schrieb: "Ich habe Teresa nicht persönlich gekannt, aber ich habe keinen Zweifel, dass der Heilige Geist aus vielen Stellen spricht, dass er ihr die Feder und die Hand führte."

Das neunzehnte Jahrhundert erwies sich Giordano zufolge als wichtige Etappe für die Anerkennung Teresas als Kirchenlehrerin. Nach der Französischen Revolution erschien 1810 eine französische Neuedition der Werke der Heiligen. Als überaus hilfreich für ihre Erhebung zur Kirchenlehrerin bewertete der Kirchenhistoriker die Bollandisten: Mit der von ihnen erarbeitete Dokumentation "Acta Sanctorum" sei "die Vorstellung der Kirchenlehrerin in der Welt gewesen", in erster Linie dank des Jesuiten Josef Vandermoere SJ. Er hielt 1845 zu Teresa von Avila fest, sie könne zwar nicht unter die Kirchenlehrer gezählt werden, werde aber mit Recht für ihre herausragende Lehre anerkannt. Zugleich empfahl Vandermore Teresas Bücher zur Lektüre und druckte einen Stich ab, auf dem die Heilige mit den Insignien des Doktorats   Hut und Kette abgebildet wurde. Als Kronzeugen für Teresas Lehrbefähigung diente in den "Acta Sanctorum" jedoch Francisco de Ribera SJ, Teresas erster Biograf. Er hatte ihr außer Heiligkeit eine herausragende Lehre bescheinigt.

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Teresianische Reform Reformgedanken von Papst Franziskus geprägt

Zu diesem Zeitpunkt galt Teresa von  Avila bereits als Klassikerin des Altkastilischen. Kardinal Aquilino Bocos Merino CMF erinnerte an die Fähigkeit der Heiligen, mystische Erfahrungen in einer bilderreichen Sprache zu veranschaulichen, vor allem aber an ihre intensive Lektüre. Dass in den Frauenkonventen des Karmel auf Bildung geachtet wurde und auch ein Bücherkanon für die Bibliothek vorgesehen war, geht auf Teresa zurück.

Zugleich zog er Parallelen zwischen Teresas Reform und den Impulsen von Papst Franziskus zur Erneuerung der Kirche: Die Heilige habe Erfahrungen im Umgang mit Berufungen gehabt, sei zu den Wurzeln ihres Ordens zurückgekehrt, habe schöpferische Treue und die Gabe der Unterscheidung bewiesen, so dass die teresianische Reform die Kernelemente der Reformgedanken von Papst Franziskus enthalte. Wie begrenzt die Schnittmengen der teresianischen Spiritualität mit der Gegenwart sind, unterstrich Kardinal Ricardo Bl zquez von Vallodolid anhand der leidenschaftlichen Wahrheitsliebe der Heiligen. "Mit welchem Widerwillen würde sie reagieren, wenn sie die Menschen heute von der ,Postwahrheit  oder ,Fakenews  reden hörte."

Lehre quer zum Mainstream

Das Zeitgemäße Teresas liegt gerade in ihrer Widerständigkeit gegen Irrungen. In diesem Punkt ähnelt sie anderen Kirchenlehrerinnen: Katharina von Siena, Therese von Lisieux, Hildegard von Bingen. Marianne Schlosser legte deren unbequeme Rolle dar: "Alle vier Frauen erfüllen das Kriterium, etwas zu sagen, was notwendig gesagt werden musste   und zwar nicht nur damals, sondern heute. Und wie bei den meisten echten Propheten liegt ihre Lehre meist quer zum Mainstream."

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