Vorige Woche ist in Spanien ein Interviewbuch mit Papst Franziskus erschienen, in dem dieser seinen Vorgänger, Papst Benedikt XVI., als „Übergangspapst“ bezeichnete. Dem widerspricht der Biograf von Benedikt XVI., Peter Seewald in einem Interview mit der „Katholischen SonntagsZeitung für das Bistum Regensburg“. Benedikt XVI. habe nicht nur „entscheidende Weichen“ gestellt, sondern auch Geschichte geschrieben, so Seewald in dem Interview, das in dieser Woche erscheint. Laut dem Historiker Peter Watson sei er auf einer Ebene mit Beethoven, Bach und Hölderlin anzusiedeln.
Zu den Neuerungen, die Benedikt XVI. zu verdanken seien, gehören laut Seewald „offene Bischofssynoden“, die Benedikt als erster eingeführt habe. Er habe das vatikanische Finanzwesen umgebaut, „erzielte gewaltige Fortschritte im interreligiösen Dialog“ und „intensivierte die Beziehung zum Judentum, die nie besser war als in seiner Amtszeit“. Auch erinnert Seewald daran, dass Benedikt beim sexuellen Missbrauch derjenige gewesen sei, der als erster entscheidende Maßnahmen gemäß einer „Null-Toleranz-Strategie“ ergriffen habe.
Ein Hirte, der sich um die Menschheit sorgte
Auch habe Franziskus‘ Vorgänger „als Einziger die Erfahrung, den Kopf, das Herz, die Noblesse“ und die Demut gehabt, „um das Erbe des großen Johannes Paul II. in eine neue Zeit zu führen“. Seewalds Fazit: Benedikt XVI. gelte als der „größte Theologe, der jemals auf dem Stuhl Petri saß, und als der Kirchenlehrer der Moderne“ - und als der meistgelesene dazu. Für ihn selbst sei Benedikt XVI. ein Hirte gewesen, „der sich in der Sorge um die Menschheit“ und „die treue Überlieferung der Botschaft Christi nicht schonte“.
Auch die prophetische Gabe von Benedikt XVI. hebt der Schriftsteller und Journalist hervor. Nicht nur das Heidentum, das „heute in der Kirche selbst“ sitze, habe er angekündigt — und deswegen eine Entweltlichung gefordert — , sondern auch vorhergesehen, dass die Kirche zu einer „Kirche der Kleinen“ werden würde - eine vereinfachte Kirche, in die „eine große Kraft strömen“ würde.
Das Evangelium nicht nur gelehrt, sondern auch gelebt
Reform habe für den Papst immer ein Zurück zum Kern des Glaubens bedeutet, was sogar Walter Kasper — „bekanntermaßen nicht unbedingt ein Parteigänger Ratzingers“ — betont habe, als er nach dem Rücktritt des Papstes sagte, dass dieser „sehr viel zur Konsolidierung der Kirche im Glauben und zur Vertiefung des Glaubens beigetragen“ habe. Tatsächlich sei es sein Anliegen gewesen, „unter den Verkrustungen den eigentlichen Glaubenskern freizulegen und diesem Kern Kraft und Dynamik zu geben“.
Warum Papst Franziskus ihn Übergangspapst nenne, könne er nicht beantworten, so Seewald. „Einmal lobt er Benedikt, bezeichnete ihn sogar als ,großen Papst', … dann wiederum macht er ihn klein, nennt ihn Großvater, väterlicher Freund oder eben ,Übergangspapst‘“. Warum die Bezeichnung „Übergangspapst“ außerdem falsch sei: „In der Klarheit seiner Ansagen, der Schärfe seines Intellekts, der Brillanz seiner Ausdrucksweise kam ihm niemand gleich.“ Benedikt XVI. habe zudem über „eine warmherzige, menschliche Größe und Authentizität“ verfügt, „durch die er das Evangelium nicht nur lehrte, sondern auch lebte“. DT/dsc
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