Katholizismus trifft auf Ideologie — und die Grabenkämpfe, die durch die Causa Brosius-Gersdorf ein wenig in den Hintergrund gewandert sind, rücken wieder ins Blickfeld: Barron, der erfolgreiche Verkünder des Evangeliums, erhält am heutigen Sonntag in einer der Hochburgen deutsch-katholischer Linksideologie à la Synodaler Weg den Josef-Pieper-Preis — jene Auszeichnung, mit der die Josef-Pieper-Stiftung Barron als „Theologen und akademischen Lehrer“ ehrt, „der wie kaum ein anderer die modernen Medien zur Unterstützung der christlichen Verkündung nutzt", wie es auf der Internetseite der Stiftung heißt.
Neben den angekündigten Mahnwachen durch Mitglieder der Grünen, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), der Frauenverband kfd, die Reformgruppe „Freckenhorster Kreis“ und Mitglieder des Kreisverbands der Grünen in Münster sowie durch das Katholische LSBT+, haben sich Kritiker wieder zu Wort gemeldet, die Barron vorwerfen, „frauenfeindlich“, „fundamental“, „radikal“, „erzkonservativ“ und „diskriminierend“ zu sein. Hannah Lingnau meinte in einem Artikel im katholischen Onlinemagazin „Kirche und Leben", Barron verbreite menschenfeindliche Positionen „unter dem Deckmantel der Evangelisierung".
Parolen an Gebäudefassaden
Außerdem schmücken Parolen die Fassaden der Gebäude, in denen sich der Bischof an diesem Wochenende aufhält. So berichtete der Westdeutsche Rundfunk (WDR) am Samstag. „Fuck Trump“ steht beispielsweise auf der Fassade der Überwasserkirche und greift die Kritik an Barrons Nähe zum US-Präsidenten Donald Trump auf.
Während die Stifter des Preises diese Trump-Nähe als Beitrag zum demokratischen Dialog sehen, kritisierten Professoren der Universität Münster, dass durch die Preisverleihung der katholische Glaube für eine ausgrenzende Identitätspolitik in Anspruch genommen werde, „die ideologische Spaltungen verschärfe und Menschen ausgrenze, die nicht ins Bild passen“.
„Am Wohle aller ausgerichtete Auseinandersetzung"
Selbst Johannes Sabel, Leiter der Akademie des Bistums Münster, in der am Samstag ein Symposium der Josef-Pieper-Stiftung stattgefunden hat — der Preis wird diesen Sonntag im Münsteraner Priesterseminar „Borromäum“ verliehen —, findet einige Aussagen Barrons zwar problematisch, wie das katholische Nachrichtenportal „CNA“ berichtete, dies legitimiere aber nicht, „auch als liberale oder 'linke' Katholik*innen, das Schema einer Rechtsaußenperspektive zu übernehmen, die die Welt in Freunde und Feinde teilt". Er sehe es als seine Aufgabe an, die gegensätzlichen Positionen „in eine argumentative, rationale und am Wohle aller ausgerichtete Auseinandersetzung" zu bringen.
Immerhin ist Barron auch ein Meister des Dialogs. Der Eichstätter Dogmatikprofessor Benjamin Dahlke lobte Barron als wortgewandten Intellektuellen mit einer Freude am Dialog „über alle Lager inner- und außerhalb der Kirche hinweg“ (CNA). Mit „Word on Fire“ gründete er im Jahr 2000 eine Organisation zur Vermittlung des katholischen Glaubens, die die Welt im Nu erobert hatte. Auf YouTube hat Barron über zwei Millionen Abonnenten, auf Instagram folgen ihm mehr als eine halbe Million Menschen.
Er tritt seit Jahren als Kommentator und Gesprächspartner in nationalen und regionalen US-Medien auf und veröffentlicht Bücher und Zeitungsartikel. Dies ist selbst dem Vatikan nicht entgangen: Papst Franziskus ernannte Barron 2015 zum Weihbischof in Los Angeles und machte ihn sieben Jahre später zum Diözesanbischof von Winona-Rochester. Gerade „für seine unübersehbare Affinität zur Religionsphilosophie Piepers mit Schwerpunkt auf den Bedingungen und Schwierigkeiten der konkreten Grundlegung und Weitergabe des Glaubens heute" bekomme Barron laut Stiftung eben diesen Pieper-Preis.
„Kurios anmutende Abwehrreflexe“
Der emeritierte Wiener Theologe Ludger Schwienhorst-Schönberger kann die heftige Kritik an Barron nicht nachvollziehen. In einem Artikel der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Communio“ nannte er die Kritik an der Preisvergabe „kurios anmutende Abwehrreflexe“ von Menschen, „bei denen man den Eindruck hat, dass sie weder ein Buch von Josef Pieper noch eines von Robert Barron gelesen, geschweige denn verstanden haben.“
Und Sabel mahnte zu größerer Differenziertheit. „Die Aufgabe, Komplexität wahrzunehmen und zu erkennen, dass die Lage gar nicht in schwarz oder weiß aufzuteilen ist, sondern wirklich unterschiedlichste Aspekte und auch Positionen da sind, tritt leicht in den Hintergrund".
Vielleicht muss ein Satz von Thomas Sternberg, ehemaliger Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und früherer Direktor der Akademie des Bistums Münster, in Erinnerung gerufen werden. Sternberg ist einer der drei Stifter des Preises und gehörte bis 2016 dem Vorstand der Josef-Pieper-Stiftung an. Damals sagte er, Pieper und sein Denken eigneten sich nicht für „Vereinnahmungen gleich in welche Richtung“. DT/dsc
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