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Mutter Teresa von Kalkutta: "Sie kannte keine Kompromisse"

Mutter Teresa - Ihre geistliche Familie, die Missionarinnen und Missionare der Nächstenliebe, sowie die ihrem Werk verbundenen Priester und Laien wirken heute in der ganzen Welt.
Mutter Teresa, Gründerin des Ordens der Missionarinnen der Nächstenliebe
Foto: KNA-Bild (KNA) | Mutter Teresa, Gründerin des Ordens der Missionarinnen der Nächstenliebe, sagte: "Wir sind nicht hier, um Erfolg zu sehen, sondern um treu zu leben".

Vor 25 Jahren starb die heilige Mutter Teresa von Kalkutta. 1979 wurde in Essen die erste Niederlassung der Missionarinnen der Nächstenliebe in Deutschland gegründet. Dort lebt die gebürtige Schweizerin Schwester Lumena. Sie erlebte Mutter Teresa als Novizin und erinnert sich an eine Frau, der die Liebe zu Christus über alles ging.

Schwester Lumena, welche Erinnerungen haben Sie an Mutter Teresa aus Ihrer Zeit im Noviziat?

Wir haben sie sehr nahe erlebt. Sie hat sich sehr gern mit der geistigen und praktischen Heranführung junger Kandidatinnen zum Ordensleben beschäftigt. Das war ihr wichtig, weil sie erkannt hatte, dass man früh ansetzen muss. Sie verstand Liebe und Strenge zu vereinen, die ein persönliches Reifen förderten. Sie wusste, wohin sie uns führen wollte: in die ungeteilte Nachfolge Christi.

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Was haben Sie von ihr gelernt?

Sie war authentisch. Was sie gesagt hat, hat sie auch gelebt. Das Wesentliche, das sie uns beigebracht hat, war, in der Präsenz Gottes zu leben. Ihr Satz "Kleine Dinge mit großer Liebe tun" hat den Tagesablauf bestimmt. Sie hat uns auf die kleinen Dinge aufmerksam gemacht und uns gezeigt, Christus im Ärmsten der Armen zu erkennen und Ihm im Hier und Jetzt zu dienen, ein kontemplatives Leben zu führen. Sie kannte keine Kompromisse. Man merkte, dass es sie drängte, uns das Beste zu geben.

"Was wir im Alltag verrichten,
soll nicht für etwas, sondern für jemanden,
Christus, geschehen."

Ein Beispiel?

Wir haben von ihr Anweisungen, Instruktionen und Briefe bekommen, die besonders die drei evangelischen Räte beinhalten, und unser viertes Gelübde, "von ganzem Herzen und freien Dienst  den Ärmsten der Armen" zu schenken. Was wir im Alltag verrichten, soll nicht für etwas, sondern für jemanden, Christus, geschehen. Das geht nur, wenn wir eine tiefe Beziehung zu Christus pflegen, in der heiligen Eucharistie, im Gebet und in der Begegnung mit Ihm in den Ärmsten, das heißt, ganz in Ihn verliebt sein und dieses Verliebtsein wachsen lassen. Wir würden nicht alles für eine Superidee aufgeben und unsere Familie zurücklassen. Mutter Teresa hat schon mit sechs Jahren ihre besondere Liebe zum Herzen Jesu bekannt.

Wie würden Sie die Spiritualität Ihrer Gemeinschaft beschreiben?

Maria ist unser großes Vorbild und das Unbefleckte Herz Mariens  ist die Patronin unseres Ordens. Sie hat den Ruf Christi am Kreuz gehört: "Mich dürstet". Mich dürstet wurde Mutter und unserem Orden zum Charisma geschenkt,in dem wir Seinen Durst mit dienender Liebe stillen dürfen: "Das hast du Mir getan" und gleichsam wieder nach Seiner Liebe dürsten. Marias unbeflecktes Herz bringt uns zum Herzen Christi, aus dem wir in liebevollem Vertrauen, totaler Hingabe und Freude unsere Spiritualität leben können.

Wie hat Mutter Teresa neben den organisatorischen Anforderungen ihres Werks ihre Mütterlichkeit bewahrt?

Wir haben sie als Mutter erfahren, im Gebet, in der Arbeit und in frohem, humorvollem Zusammensein. Mutter Teresa war innig mit Maria verbunden,und diese mütterliche Zärtlichkeit strahlte sie in ihrer Umgebung sichtbar aus. Mit dem Rosenkranz betend an der Hand Mariens ging sie beispielhaft voran und war somit auch aufmerksam für das Kleinste und Letzte. Wenn man ihr gegenüberstand, gab es niemanden und nichts sonst. Man war die Hauptperson, die zählte. Sie hat Christus in ihrem Gegenüber erkannt.  

Nach dem Tod Mutter Teresas wurde bekannt, dass sie lange Zeiten geistlicher Dunkelheit durchlitten hatte. Wussten die Schwestern davon?

Nein, keine von uns wusste davon. Auch die Schwestern, die im Kanonisierungsprozess befragt wurden und die Mutter Teresa gut kannten, waren darüber nicht im Bild. Sie war eine frohe und ausgeglichene Frau. Lassen Sie mich ein Missverständnis klarstellen: Sie hatte keine Glaubenszweifel, auch wenn das oft vermutet wird. Bevor Mutter diese Erfahrung der Dunkelheit machte, war sie zutiefst mit Christus, für sie spürbar, vereint. In der plötzlichen Dunkelheit musste sie sich zuerst durchtasten und mit Sehnsucht nach ihrer großen Liebe suchen. Sie hat mit Hilfe ihrer Seelenführer erkannt, dass Christus sie in sein Leiden am Kreuz in die Gottverlassenheit hineinführen wollte, um diesen Durst nach Liebe der Seelen mit ihr zu teilen. So konnte sie die größte Armut, Gott nicht zu kennen, verstehen und den Ruf "Komm sei mein Licht" als Dienst und als Charisma tiefer erfassen.

"Sie war total verliebt in Christus."

Während viele Frauenorden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keinen Nachwuchs mehr fanden, wuchs ihre Gemeinschaft. Wie erklären Sie sich, dass Mutter Teresa soviel Gnade nicht zu Kopf stieg?

Sie war total verliebt in Christus. Gerade, als es in ihrer Seele dunkel wurde, ging es ihr nur noch um die Frage: Wo bist Du? Das Werk gehört Christus, das hat sie sich nicht zu eigen gemacht. Sie hat uns auch klar gesagt: "Wir sind nicht hier, um Erfolg zu sehen, sondern um treu zu leben". Wir sind als Schwestern nicht steril. Wir sind Mütter für die Ärmsten und diejenigen, die keine Mutter haben. Mutter Teresa selbst hat sich auch nicht unbedingt beliebt gemacht -  gerade mit ihrem Engagement für den Lebensschutz. Eben, weil es nicht um sie ging, sondern um die Würde der Geschöpfe Gottes.

Wie sehen Sie ihr Engagement für das Leben?

Mutter Teresa hat sich nie für ein Thema vereinnahmen lassen. Wenn sie in reiche Länder kam, wies sie aber darauf hin, dass es ein Armutszeugnis ist, keinen Platz für ein weiteres Kind zu haben. Sie sah darin keine Kampfansage, sondern es war ihr ganz normaler mütterlicher Instinkt und die Achtung vor dem, was Gott gehört. Auf den Punkt gebracht hat sie das Problem einmal in den USA: "Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind umbringen kann, dann bleibt nichts mehr übrig." Sie hatte einen prophetischen Blick. Rückblickend ist es auch so gekommen: Die Euthanasie und  weitere Angriffe auf die menschliche Würde wurden unter dem Mantel der Barmherzigkeit eingeführt.

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Schon zu Lebzeiten Mutter Teresas dachten manche, diese Frau hätte eine gute Priesterin werden können. Warum hält Ihr Orden dennoch an der Tradition der Kirche fest?

Unser Vorbild als Ordensschwestern ist Maria. Mutter Teresa hat einmal gesagt: Niemand hätte eine bessere Priesterin werden können als Maria. Welche Frau hätte glaubwürdiger als die Mutter Jesu sagen können: "Das ist mein Fleisch,das ist mein Blut?". Doch Maria sagt: "Ich bin die Magd des Herrn". Wir dürfen diese Aussage nicht als zeitgebunden abtun - so, als habe man es damals eben nicht besser gewusst. Christus kann nicht zum Menschensohn "verkleinert" werden; er war auch Gottessohn und spricht in unsere Zeit.

Wir dürfen nicht wegwischen, was uns nicht gefällt, sondern müssen uns selbst finden im Willen Gottes, der uns die wahre Freude und Zufriedenheit schenkt.  Nach rechts und links zu schauen, mit der Frage: "Habe ich die gleichen Rechte?", lässt eine Unzufriedenheit vermuten. Wichtiger ist die Frage: Haben wir die einmalige und wunderbare Berufung erkannt, die Gott uns als Frau und Mutter gegeben hat? Christus sagt: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme das Kreuz auf sich und folge mir nach". Mehr braucht es nicht zur Heiligkeit. Da würde Mutter Teresa auch heute keine Kompromisse machen.

 

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