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Lambeth Conference: Crux der Anglikaner

Mitten im ökumenischen Winter tagt die Lambeth Conference der Anglikaner. Diametral verschiedene Auffassungen prallen aufeinander.
Einzug in die Kathedrale von Canterbury
Foto: Sabine Kleyboldt (KNA) | Einzug in die Kathedrale von Canterbury zum Eröffnungsgottesdienst der Lambeth-Konferenz am 31. Juli 2022 in Canterbury (Großbritannien).

Alle zehn Jahre beraten Vertreter der Anglikaner in Großbritannien: 1100 Teilnehmer insgesamt, darunter 560 Bischöfe, knapp 100 Bischöfinnen, deren 50 Ehemänner sowie 440 Ehefrauen und etwa 45 ökumenische Gäste nahmen an der diesjährigen Lambeth Conference teil. Es verdankt seinen Namen dem Veranstaltungsort der ersten dieser Konferenzen 1867 in Lambeth. Trotz der nach außen gespiegelten und gewiss auch von vielen so empfundenen guten Gesamtstimmung waren die Debatten wie zu erwarten von großen Spannungen geprägt.

Anglikanische Gemeinschaft tief gespalten

Kein Wunder, denn die Vertreter der 42 anglikanischen Provinzen haben in vielen auch auf der Lambeth Conference erneut diskutierten Punkten diametral verschiedene Auffassungen. Dies betrifft vor allem das Thema Homosexualität. Hier ist die anglikanische Gemeinschaft tief gespalten. Deren Mehrheit, jene Geistlichen, die aus den Ländern des globalen Südens stammen, sind der Auffassung, dass es weder homosexuelle Priester, noch Bischöfe noch Segnungen für gleichgeschlechtliche Verbindungen geben dürfe. Wirft man einen Blick auf die Strukturen, wird der Graben noch deutlich tiefer.

Denn die aus der nördlichen Hemisphäre stammenden anglikanischen Kirchenvertreter sind deutlich zahlreicher, weil es hier ungeachtet der stark sinkenden Kirchenbesucherzahlen und vieler Austritte mehr Diözesen und mithin auch mehr zur Teilnahme berechtige Vertreter an der Lambeth Conference gibt. In der südlichen Hemisphäre hingegen gibt es keinen Rückgang hinsichtlich der Beteiligung an Gottesdiensten und gemeinschaftlichen Aktivitäten, aber wenige, sehr große Bistümer und entsprechend weniger teilnahmeberechtigte Delegierte. Dass sie dennoch eine so überwältigende Mehrheit in dieser Frage bilden, müsste in der prozentualen Berechnung demzufolge anders dargestellt werden.

Anglikaner für Mann und Frau

Denn nicht nur die offiziellen Kirchenvertreter sind in dieser Frage eindeutig positioniert. Eine Mehrheit der weltweit bis zu 85 Millionen Anglikaner ist zutiefst davon überzeugt, dass allein die Ehe zwischen Mann und Frau von Gott gewollt sei. Dies sieht in der westlichen anglikanischen Gemeinschaft anders aus.  Vor allem die diesmal erstmals eingeladenen Bischöfe, die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben, sprachen sich, ebenso wie die Mehrzahl ihrer westlichen Kollegen für eine Änderung der anglikanischen Position aus.

Welby konstatierte zwar, dass die Lehre der anglikanischen Kirche ihre Geltung behalte, dass Abweichungen in der Praxis, wie Segnungsfeiern, aber nicht sanktioniert würden. Für die Journalistin Sandi Toksvig, die sich in einem offenen Brief an Erzbischof Welby wandte und dessen Bekräftigung der kirchlichen Lehre als „schrecklichen Irrtum“ bezeichnete, war dieser Versuch eines Balanceaktes offenkundig nicht ausreichend. „Wie würde eine solche Bestrafung denn aussehen?“, fragte Toksvig in ihrem Brief, in dem sie den Erzbischof von Canterbury zu einem Vieraugen-Gespräch einludet. „Gibt es in der anglikanischen Kirche eine Strafecke, in der die Priester stehen müssen, die ein homosexuelles Paar gesegnet haben, bevor sie wieder in die Mahlgemeinschaft der Bigotten aufgenommen werden?“

Abhängigkeit der Staatskirche

Tatsächlich besteht in der westlichen Welt ein deutlich größerer gesellschaftlicher Druck, gleichgeschlechtliche Partnerschaften als gleichberechtigt zu akzeptieren und Segnungsfeiern anzubieten. Den Grund für diese Forderungen nennt Matthew Parris in seinem Kommentar in der London Times. Die englische Gesellschaft könne als Gesamtheit - unabhängig davon, ob sie gläubig oder Mitglied in der anglikanischen Kirche sei, von dieser eine Positionierung erwarten, die ihrem Status als Church of England entspreche.

Als Staatskirche, so Parris, müsse die Church of England sich der staatlichen Mehrheitsmeinung und den geltenden Gesetzen anschließen. Dieser Standpunkt ist auch deshalb aufschlussreich, weil die Lambeth Conference gesellschaftlich und medial kaum noch wahrgenommen wird. Die Times selbst veröffentlichte in deren Verlauf nur zwei Kommentare. Dennoch bestand für den Primas der Anglikaner, den Erzbischof von Canterbury Justin Welby, nicht nur in dieser Frage ein beträchtlicher Druck.

Afrikanische Bischöfe nicht anwesend

Um ein Auseinanderbrechen der weltweiten Glaubensgemeinschaft zu verhindern, entwickelte er für die Lambeth Conference das Modell „gemeinsam gehen“ und bemühte sich darum, die einander widerstreitenden Positionen als Weggemeinschaft zu präsentieren. Aber auch in diesem Punkt war Welby nur bedingt erfolgreich. Denn die Bischöfe von Nigeria, Uganda und Ruanda, die mit gut 20 Millionen Gläubigen ein Viertel der anglikanischen Gemeinschaft repräsentieren, nahmen angesichts der Differenzen gar nicht erst an der Konferenz teil.

Andere forderten eine Festschreibung der christlichen Position zu Ehe und Familie, wie sie auf der Lambeth Conference von 1998 verabschiedet worden ist. Die weitere Debatte in dieser Frage soll ausschließlich auf schriftlichem Wege geführt und anschließend ausgewertet werden.

Ökumenischer Winter

Einen weiteren wichtigen Aspekt des Treffens bildete die Ökumene. In dieser Frage zeigte Welby sich enttäuscht von dem, was bislang erreicht worden ist: „Ökumene ist eine der größten Herausforderungen“, betonte der Erzbischof von Canterbury vor Journalisten in London und fügte hinzu: „Ich mache diesen Job nun neuneinhalb Jahre, und ich muss sagen: Ich schäme mich sehr, dass wir noch keine größeren Fortschritte gemacht haben“ und forderte einen frischen Anlauf um den ökumenischen Winter zu beenden.

Eine ausgestreckte Hand zeigte Welby sowohl in Richtung der EKD als auch der katholischen Kirche. „Viele Menschen der Church of England sehen den Papst zwar nicht als jemanden, der hier rechtliche Autorität hat, aber doch als Vater der westlichen Kirche“, so Welby. Kardinal Koch betonte als Vertreter der katholischen Kirche in seiner krankheitsbedingt verlesenen Rede, dass die Suche nach Einheit zum Wesen des christlichen Glaubens gehöre und benannte zugleich die Gefahr, im ökumenischen Dialog in verschiedene Richtungen zu gehen, die in den letzten Jahren nicht geringer geworden sei.

Sehnsucht nach spirituellem Haus

Kurienkardinal Luis Tagle entwickelte in seinem Beitrag eine Vision für die nächste Dekade. „Ich sehne mich nach einem spirituellen Haus“, so Tagle. „Ich träume von diesem Haus für die Kirche, die Menschheitsfamilie und die Schöpfung. Lasst uns gemeinsam träumen!“.

Tagles Vision führte den Teilnehmern der Konferenz eine pilgernde Kirche, eine „Gemeinschaft von Reisenden“ vor Augen und betonte zugleich den in der Ökumene immer möglichen gemeinsamen Einsatz für Flüchtlinge, Vertriebene und die Opfer von Umwelt- und Klimakatastrophen. In diesem Bereich zeigt sich die Ökumene in den letzten Jahren in der Tat erfolgreich.

Hinweis auf das Reich Gottes

Erzbischof Justin Welby verwies auf seine gemeinsame Initiative mit Papst Franziskus und dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios, in der die Kirchenoberhäupter sich darum bemühen, das, was Welby einen „nicht erklärten Krieg mit großen Konsequenzen“ nennt, nämlich die Bedrohung des Weltklimas, zu bekämpfen.

Einigkeit bestand bei den Teilnehmern der Konferenz in der Frage der Notwendigkeit der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs. Die Kirche muss, so fordert es das Projekt „Safe Church“, ein sicherer Ort vor allem für verwundbare und verwundete Menschen sein. „Eine demütige, gastfreundliche Kirche, großzügig und voller Liebe ist nicht bloß eine nette Sache für die Gesellschaft: Sie weist auf das Reich Gottes hin“, betonte der Erzbischof von Canterbury zum Abschluss der Lambeth Conference.

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