Die Kritik an der Neuausrichtung des Päpstlichen Theologischen Instituts Johannes Paul II. für Ehe- und Familienwissenschaften sowie der damit verbundenen personellen Änderungen nimmt zu. Berthold Wald, emeritierter Professor für Systematische Philosophie an der Theologischen Fakultät Paderborn, erhebt in einem Brief an den Direktor des Instituts, Monsignore Pierangelo Sequeri, den Vorwurf, dass die Neugründung des Instituts mit der Approbation der neuen Statuten auf eine Weise umgesetzt werde, die grundlegenden Rechten und Pflichten akademischer Institutionen widerspreche. Das Schreiben liegt der „Tagespost“ vor.
Geltende Grundsätze auf beispiellose Weise ignoriert
In kirchlichen wie staatlichen Rahmenordnungen für die Errichtung und die Verwaltung universitärer Einrichtungen stehe die Mitwirkung akademischer Gremien bei der Beratung von Statuten und universitärer Ordnungen außer Frage. Gleiches gelte für das Selbstergänzungsrecht der Fakultäten bei der Auswahl der Professoren im Rahmen der kirchlichen Normen. Diese Grundsätze seien jedoch auf beispiellose Weise ignoriert worden, schreibt Wald, der Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentags war. „Es gab weder eine akademische Mitwirkung bei der Festlegung der neuen Statuten noch eine Anhörung der Professoren, die unter Berufung auf die neue Ausrichtung des Instituts allesamt die Kündigung erhalten haben.“
Als „folgenreichste“ Änderung bezeichnet Wald die ersatzlose Streichung des Lehrstuhls für Fundamentalmoral. Damit werde unausgesprochen die von Papst Johannes Paul II. für unverzichtbar gehaltene Ausrichtung des Instituts auf anthropologische und ethische Grundfragen unterlaufen. „Dass Johannes Paul II auch weiterhin die Namensgebung des Instituts prägt, wird niemanden über die nur scheinbare Kontinuität zum Vorgängerinstitut täuschen können, das eine starke philosophisch-anthropologische Grundlegung besaß.“
Institut weist Vorwürfe zurück
Das Institut selbst hatte bereits vor drei Wochen die Vorwürfe zurückgewiesen. Die akademische Neuaufstellung des Instituts sei von der römischen Bildungskongregation gebilligt worden und auf eine breitere Reflexion über die Familie ausgelegt, nicht als Themenersatz. Diese Erweiterung zeige noch stärker die zentrale Bedeutung von Ehe und Familie in Kirche und Gesellschaft.
Ebenfalls kritisch äußerten sich jüngst aber auch 49 Autoren des „Dizionario su Sesso, Amore è Fecondità“, einem umfangreichen Forschungsprojekts des Instituts. In einem offenen Brief an Monsignore Sequeri sowie den Großkanzler des Familieninstituts, Erzbischof Vincenzo Paglia bringen die Autoren ihr Unbehagen über die Entlassungen der beiden Professoren José Noriega und Livio Melina sowie weiterer Mitarbeiter des Instituts zum Ausdruck. Auch dieses Schreiben liegt dieser Zeitung vor.
„Wir sehen keinen überzeugenden Grund –
weder akademisch, noch von Seiten
des Lehramts, noch disziplinar –
der ihre Entlassung rechtfertigt“
Offener Brief an Erzbischof Paglia
„Wir sehen keinen überzeugenden Grund – weder akademisch, noch von Seiten des Lehramts, noch disziplinar – der ihre Entlassung rechtfertigt“, heißt es in dem Offenen Brief.
Wenn das Familieninstitut sein hochrangiges akademisches Profil sowie seine internationale Reputation behalten wolle, müsse man die Entlassungen zurücknehmen und die Gelehrten wieder am Institut beschäftigen.
Zuvor hatte der Vizepräsident des Instituts, Pater José Granados, im Gespräch mit der „Tagespost“ kritisch geäußert: Die Abschaffung des Lehrstuhls für Fundamentalmoral und das „ungerechte Hinausdrängen von Professoren, die die Sichtweise Johannes Paul II. lehrten“, lasse befürchten, dass die Nachfolger „eine andere theologische Linie vertreten, die nicht der Lehre des Gründers entspricht“.
Auch Vizepräsident des Instituts sieht Neuausrichtung kritisch
Zudem lehne er jede Verantwortung für die neuen Statuten ab, so Granados weiter. Erst am Tag der Veröffentlichung habe er von ihnen erfahren. „Nicht nur die Statuten, sondern vor allem die Personaländerungen (und insbesondere die Entlassungen) gefährden in meinen Augen das Erbe des heiligen Johannes Paul II.“
DT/mlu
Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.