Nach einer Heiligen Messe und der Begrüßung der Teilnehmer durch den Rektor der Akademie, Graf Albrecht von Brandenstein-Zeppelin, machte ein Vortrag von Winfried König den Auftakt. Der Priester und Physiker ging der Frage nach, wie die Wissenschaft auf der Suche nach der schönen neuen Welt aufgestellt ist. Dabei stellte König einen besonderen Aspekt der theoretischen Physik vor, nämlich die Quantenmechanik.
Hier, so der Priester, zeige sich ein besonderer Effekt, da die Natur im Experiment die Antwort auf die Frage verweigere. König bezog sich damit auf die Besonderheit, dass man bei einem sehr kleinen Teilchen entweder den Ort oder den Impuls kennen könne. In dem Zusammenhang ging König auf einen wissenschaftlichen Diskurs zwischen Albert Einstein und Nils Bohr ein, in dem es im Kern um die Frage der Kausalität geht.
Auch an anderen Beispielen zeigte König auf, das bestimmte Methoden der Wissenschaft nicht in der Lage sind, Kausalitäten aufzuzeigen. Den daraus folgenden Schluss, dass es nicht immer eine Ursache geben müsse, legte König wissenschaftstheoretisch als falsch dar, indem er aufzeigte, wie lückenhaft zum Beispiel induktive Beweismethoden sein können.
Relativismus in der Theologie und Philosophie
Der zweite Tag begann mit einem Vortrag von Manuel Schlögl, Professor für Dogmatik an der Kölner Hochschule für katholische Theologie. Schlögl widmete sich der Diktatur des Relativismus. Relativismus, so Schlögl, sei die Überzeugung, dass es grundsätzlich keine absoluten Wahrheiten gibt und unsere Werte, unser Selbstverständnis, unser Glaube ,,relativ" seien, abhängig vom jeweiligen sozio-kulturellen Kontext. Damit war der Rahmen für den Vortrag umrissen. Alles bleibt in diesem System verhandelbar und kontextbezogen. Der erkenntnistheoretische oder Wahrheits-Relativismus, so Schlögl, werde heute unterstützt von einem naturalistischen Weltbild. Es gebe zudem auch den ethischen oder Alltags-Relativismus. Biografische Veränderungen, Globalisierung und Streben nach Autonomie stützten diese Überlegungen. In seiner heutigen Gestalt habe der Relativismus einige Argumente auf seiner Seite, die sich nicht so einfach vom Tisch wischen ließen. Er präge auch bei uns Christen oft das Denken und Tun.
Das Katholische Lehramt setze sich schon lange mit dem Relativismus auseinander. Niemand nenne sich selber Relativist, so Schlögl, es sei weitestgehend eine Zuschreibung von außen. Nicht Personen bezeichne das Lehramt als Relativisten, vielmehr werden bestimmte Positionen als relativistisch genannt. Schlögl gab eine Reihe von Beispielen, wo sich das Lehramt mit dem Relativismus befasst hat. Das Begann schon mit Pius XI., der Relativismus als Spielart des Modernismus benannte. Johannes Paul II. sprach in ,,Veritatis splendor" von 1995 davon, die Demokratie brauche die Wahrheit als Vorgabe und Schutz vor dem Totalitarismus. Hier wies Schlögl auf das Böckenförde-Diktum hin, dass der säkulare Staat sich die Voraussetzungen, von denen er lebt, nicht selbst geben kann.
Ersatz für eine ideologische Leerstelle
Der Relativismus habe die ideologische ,,Leerstelle" nach dem Fall des Kommunismus besetzt. Das Schreiben ,,Dominus Jesus" wandte sich im Jahr 2000 gegen den Religionspluralismus. Über die „Diktatur der Relativismus“ predigte Kardinal Ratzinger im Vorkonklave 2005. Ratzinger warne darin unter anderem vor der Reduktion des Menschen auf das eigene „Ich und seine Bedürfnisse“, so der Dogmatiker. Ratzinger reihte sich damit in die Lehrtradition seiner Vorgänger ein. Gerade mit dem Thema Relativismus, so Schlögl, stehe Benedikt XVI. in einer langen Reihe von Päpsten.



Im Weiteren sprach der Kölner Dogmatiker über diese Diktatur des Relativismus als Herausforderung und über Aspekte zur Überwindung des Relativismus aus theologischer Sicht. Diktatur des Relativismus beschreibt den Relativismus in seiner normativen Gestalt und damit seine Gefahr für die Gesellschaft. Vernunft und Glaube könnten zur Überwindung des Relativismus durchaus wieder erneut zusammen gehen, so Schlögl, betrachtete aber die theologischen und philosophischen Aspekte zur Überwindung des Relativismus getrennt. Als Beispiele für Philosophische Denker wider den Relativismus nannte der Dogmatiker unter anderem Charles Taylor und Thomas Nagel.
Ein falsches Menschenbild
Der Relativismus lege, so Schlögl, ein falsches Menschenbild zugrunde, da sehr vieles von dem, womit wir uns befassen, gar nicht aus dem Menschen heraus komme, sondern an den Menschen herangetragen wird. Wahrheit sei mehr als Richtigkeit, so Schlögl, sie leuchte auf in moralischer Geltung, im Gewissensentscheid, im Sich-Verpflichtet-Wissen über die eigenen Bedürfnisse hinaus, bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Der Relativismus mache uns nicht frei, er mache alles „gleich gültig“. Auch die Agenda des Synodalen Weges sei vom Relativismus geprägt. Theologisch gelte, ein normativer Relativismus führe zum Ende aller Wissenschaft und zur Aushöhlung der Menschenrechte, betonte Schlögl. Der Dogmatiker forderte eine neue christliche Apologetik.
Eine neue christliche Anthropologie scheine das Gebot der Stunde. Man könne nicht Inhalt und Deutung voneinander trennen, womit sich Schlögl auf den Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke bezog. Die Botschaft von der Liebe Gottes sei an den Boten gebunden, der die Liebe selber sei, die gekreuzigte Wahrheit, die den Jüngern die Füße wasche, könne als ,,stärkstes Argument" gegen den Relativismus gesehen werden. Dies sei der Sieg der Liebe über die ,,Angst vor der Wahrheit"! Vernunft und Glaube könnten die Herausforderung durch die Diktatur des Relativismus bewältigen, endete Manuel Schlögl.
Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost eine umfassende Reportage über den diesjährigen Sommerkurs der Gustav-Siewerth-Akadamie.