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DBK und EKD läuten Paradigmenwechsel in der Ökumene ein

Dynamische Wahrnehmung ökumenischer Prozesse statt statischer Zielbestimmung: „Einheit in der Vielfalt“ heißt das neue Motto in der Ökumene, zu dem DBK und EKD ein „Gemeinsames Wort“ veröffentlicht haben.
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige
Foto: Peter Back via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Auch wenn es auf dem Weg der Ökumene immer wieder „Stolpersteine“ gebe, solle man sich nicht darauf konzentrieren, so der Magdeburger Bischof Feige.

Unter dem Titel „Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit. Zu den Chancen einer prozessorientierten Ökumene“ haben die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein 60-seitiges Gemeinsames Wort veröffentlicht, das ein „klares Bekenntnis zur Ökumene“ darstellen soll.

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Bei der Vorstellung des Dokuments in einer Online-Pressekonferenz am Donnerstag betonte der Vorsitzende der Ökumenekommission der DBK, der Magdeburger Bischof Gerhard Feige, seine zeitliche Verortung „zwischen den Feierlichkeiten zu 500 Jahren Reformation im Jahr 2017 und dem Zugehen auf 500 Jahre Confessio Augustana 2030“. Im Geleitwort erinnern Bischöfin Kirsten Fehrs, Amtierende Vorsitzende des Rates der EKD, und der DBK-Vorsitzende, der Limburger Bischof Georg Bätzing, an das 2017 verabschiedete Gemeinsame Wort „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“, in dem evangelische und katholische Christen ihre Verbundenheit bekundet hatten.  

Feige: "Einheit bleibt das Ziel der Ökumene"

Bischof Feige knüpfte bei der Pressekonferenz an die 2017 geprägte Formel „Sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ an. Um sie zu konkretisieren, sei ein „Kontaktgesprächskreis“ ins Leben gerufen worden, der jedoch aufgrund der Corona-Pandemie für längere Zeit unterbrochen wurde. Die Vorarbeiten seien dann von vier ehemaligen Mitgliedern des Kontaktgesprächskreises aktualisiert und „zu einem Ganzen“, zu dem vorgestellten Gemeinsamen Wort, aktualisiert worden.

Der Vorsitzende der Ökumenekommission der DBK hob drei Punkte aus dem Text hervor: „Einheit bleibt das Ziel der Ökumene, das den Kirchen von Christus selbst vorgegeben ist“. Diese Einheit sei jedoch weder vage noch „uniformistisch“. Die Einheit der Kirche werde „als dynamische Größe wahrgenommen“. Und drittens: „Wechselseitige Zusagen geben der künftigen Weggemeinschaft Verbindlichkeit“. Auch wenn es auf dem Weg der Ökumene immer wieder „Stolpersteine“ gebe, solle man sich nicht darauf konzentrieren. Auch wenn die Kirchen vor großen Herausforderungen stünden, sollten diese nicht auf Kosten der Ökumene gehen.

Auch Kirchenpräsident Volker Jung, Mitglied im Rat der EKD, sprach von einer „Umbruchsphase“ in den Kirchen. Allerdings dürfe „in den anstehenden Transformationen das gelebte ökumenische Miteinander nicht unter die Räder“ geraten. Die Perspektive, auf die es ankomme, sei „eine dynamische Wahrnehmung ökumenischer Prozesse“ statt einer statischen Zielbestimmung. Das sei ein Paradigmenwechsel im Verständnis der Ökumene. 

Feige zuversichtlich: Synodaler Rat wird kommen

Auch wenn evangelische und katholische Christen in ethischen Fragen unterschiedliche Position hätten, stünden die katholische und die evangelische Kirche vor gemeinsamen Herausforderungen, etwa dem Umgang mit sexualisierter Gewalt. 

Jung sprach auch den „Synodalen Weg“ an, dessen Entwicklung er wohlwollend begleitet habe. „Spätestens mit der Bildung eines Synodalen Rates“ müsse ein Gremium als „evangelisches Gegenüber“ benannt werden. Auch Bischof Feige ging mit aller Selbstverständlichkeit in der abschließenden Diskussion davon aus, dass es trotz des Stoppsignals aus dem Vatikan zu einem solchen Synodalen Rat kommen werde, wenn in Rom „Missverständnisse“ geklärt seien. Denn selbstverständlich solle ein solcher Rat im „Bereich des Kirchenrechtes“ stattfinden, weil die deutschen Bischöfe „nicht in Konfrontation mit Rom“ gehen möchten. 

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Thomas Söding, Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Bochum, ging insbesondere auf die Kapitel „Das biblische Zeugnis vom Weg der Kirche“ und „Die Kirche im ökumenischen Glaubensbekenntnis“ des Gemeinsamen Wortes ein. Es solle „Einheit als Ziel“ mit „Einheit als Weg“ verbunden werden: Im Johannesevangelium stehe die Bitte um Einheit im Zentrum des Gebetes, das Jesus in der Stunde des Abschiedes vor seinem Jüngern spreche, so das Gemeinsame Wort. Söding betonte, diese Einheit sei keine Uniformität, sondern Fülle. Die Leitbegriffe „sichtbare Einheit“ und „versöhnte Verschiedenheit“ seien nicht nur biblisch, sondern auch im Credo, im gemeinsamen Glaubensbekenntnis begründet. Es gehe um eine katholische, im Sinne von weltumspannende Kirche. 

Miteinander lernende Kirchen

Schließlich sprach Miriam Rose, Professorin für Systematische Theologie, von einer „dynamischen Verbundenheit“. Indem sie auf die Vielfalt der ökumenischen Akteure hinwies, unterstrich sie die Bedeutung der „Netzwerke“. Als Beispiel nannte sie junge Menschen, die sich für konkrete Projekte einsetzen. Vielleicht sei kein „Ökumene“-Etikett daran, aber auch das sei gelebte Ökumene. Die Probleme der Ökumene würden vom Kontaktgesprächskreis nicht kaschiert. Heute herrsche in der Ökumene eine „engagierte Nüchternheit“, die aber keine Resignation noch eine Ernüchterung bedeute. 

Diese Nüchternheit des Glaubens verstehe die Kirche und daher auch Ökumene als „vielschichtigen, ungleichzeitigen, immer offenen Prozess“. Daher heiße es im Dokument: „Ökumene als Prozess lässt sich durch die Erfahrung von Krisen nicht dauerhaft entmutigen oder verstören; sie wird durch die Erfahrung des Gelingens auch nicht realitätsblind oder illusorisch.“

Miriam Rose sprach auch von Lernprozessen: „Die Kirchen der Zukunft werden miteinander lernenden Kirchen“ sein. Sie fasste das Anliegen des Dokumentes mit den Worten zusammen: „Es ist eine prozessorientierte Ökumene in einer sich konflikthaft transformierenden Welt.“

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