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Das achte Türchen

Heute ist das Hochfest Mariä Unbefleckte Empfängnis. Über ein unverstandenes Marienfest.
Das achte Türchen des Tagespost-Adventskalenders
Foto: DT / Hoensbroech | Das achte Türchen des Tagespost-Adventskalenders

Liebe Leserinnen und Leser,

anlässlich des heutigen Marienfestes entführt uns Constantin Hoensbroech nach Venedig: Dort zieht ein über 1000 Jahre altes Marienbild bis heute Menschen von nah und fern in seinen Bann.

Ein gesegnetes Hochfest Mariä Unbefleckte Empfängnis!

Ihre Franziska Harter
Chefredakteurin


MIT DER BIBEL DURCH DEN ADVENT

Tageslesungen:
Eph 1,3-6.11-12
Lk 1,26-38

Unverstandene Muttergottes

Maria unbefleckte Empfängnis – das wohl am häufigsten missverstandene Marienfest  Von Manfred Hauke

Der Apostel Paulus spricht von der Erwählung aller Erlösten: Wir sollen „heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). Dieser Plan umschließt uns von Ewigkeit her in Christus, der dabei die Bande des Bösen löst, das durch die erste Sünde die Menschheit versehrt hat. Christus ist der „neue Adam“, dem bei der Wiederherstellung des Heils seine Mutter, die „neue Eva“, zur Seite steht.

Die Verheißung der Genesis kündigt den Sieg des künftigen Messias an, welcher der „Schlange“ den Kopf zertritt. Es ist der Nachkomme der „Frau“, die in Feindschaft gegenüber dem Bösen steht (vgl. Gen 3,15). Diese Feindschaft schließt jede Sünde in der Mutter des Sohnes Gottes aus, die der Engel Gabriel als „Gnadenvolle“ begrüßt (Lk 1,28).

Hier auch zum Anhören:

Audio

Eine Katechese des heiligen Johannes Paul II. über die erbsündenfreie Empfängnis Marias (29. Mai 1996, die 21. der 70 marianischen Katechesen 1995–97), kommentiert das Festgeheimnis mit einem Hinweis auf den heiligen Kirchenvater Irenäus, den Papst Franziskus zum Kirchenlehrer ernannte. Auf Irenäus geht das Bild Marias als „Knotenlöserin“ zurück: Ihr Jawort hat die Knoten der Sünde gelöst, die durch den Ungehorsam Evas verstrickt worden waren.

Sündenlose, neue Eva

„Irenäus stellt Maria als die neue Eva vor, die mit ihrem Glauben und ihrem Gehorsam den Unglauben und den Ungehorsam Evas ausgeglichen hat. Eine solche Aufgabe in der Heilsordnung setzt die Abwesenheit von Sünde voraus. Es war angemessen, dass – wie Christus, der neue Adam – auch Maria, die neue Eva, nicht die Sünde kannte und deshalb leichter in der Lage war, an der Erlösung mitzuarbeiten.“

Maria ist also ohne Sünde empfangen, um auf einzigartige Weise an der Erlösung mitzuwirken und so „Mutter aller Lebendigen“ (Gen 3,20) im Bereich der Gnade zu werden. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert daran, dass nach Irenäus Maria für „das ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist“ (Lumen gentium 55).

Der Autor Ist  Mariologe und Dogmatiker an der Theologischen Fakultät Lugano.


WEIHNACHTEN IM BILD

Madonna Nicopeia im Markusdom in Venedig
Foto: Hoensbroech | Madonna Nicopeia, Markusdom Venedig

Marias göttliche Mutterschaft

Die Madonna Nicopeia im Markusdom von Venedig  Von Constantin Graf von Hoensbroech

In wie vielen künstlerischen Formaten ist versucht worden, dieses Glaubensgeheimnis zu fassen? Eine alte und anrührende Darstellung ist die Nicopeia im Dom von San Marco in Venedig. Das ikonische Bild aus dem neunten Jahrhundert wurde in den zurückliegenden Jahrhunderten für das Gebet verwendet, und so wird es auch bis heute verehrt.

Die zahlreichen Gedenk- und Feiertage zu Ehren der Gottesmutter Maria – etwa das Hochfest gleich zu Jahresbeginn am 1. Januar – verlebendigen, dass durch Marias Mutterschaft das Wort Fleisch geworden und in die Welt gekommen ist. Ist daher nicht der gesamte Advent auch ein Marienfest? Sind es doch die letzten Wochen mit der gebenedeiten Frucht ihres Leibes.

Eine Lagune der schlichten Innerlichkeit

Im Markusdom ist es insbesondere an den Werktagen eine tiefgreifende Erfahrung, diesem Geheimnis von Marias Heiligkeit und Reinheit einerseits sowie andererseits ihrer Mutterschaft dank des Wirkens durch den Heiligen Geist nachzuspüren. Die morgendliche Frühmesse vor dem eigens für die Madonna Nicopeia geschaffenen Altar vollzieht sich meist mit nur wenigen Messebesuchern in schlichter Innerlichkeit im linken Querschiff des weiten und prächtig ausgestalteten Gotteshauses, während draußen die Lagunenstadt rasch vom geräuschvollen Treiben und dem anschwellenden Schwarm von Touristen erfüllt wird.

Geradezu liebevoll, mit leicht geröteten Wangen, birgt die Madonna Nicopeia, die thronende Madonna, das kniende Christuskind. Beide sind auf derselben vertikalen Achse dargestellt. Mit ihrer frontalen Statik sind sie den Betrachtern direkt gegenübergestellt und fordern unausweichlich zu einem Dialog, Gebet, zu Betrachtung oder Meditation heraus. Bis heute ist das Bild, das der Legende nach vom Evangelisten Lukas gemalt worden ist, ebenso ein Symbol für die Lagunenstadt wie das Wasser und die Gondeln.

Im zwölften Jahrhundert gelangte die byzantinische Ikone nach Venedig. Früher war sie mit zahlreichen Juwelen besetzt. Bis heute werden der Nicopeia, der Sieg bringenden Madonna, verschiedene Wunder zugeschrieben. Doch unbesehen davon ist das Bild mit der ihm innewohnenden Botschaft von Maria mit dem Kinde als die Mutter Gottes indes doch eigentlich selbst das Wunder.

Der Kölner Publizist schreibt zu Themen der Kunst- und Kulturgeschichte.


ADVENTLICHE KLÄNGE

„Macht hoch die Tür“

Ein Kirchenlied spiegelt das Wesen des Advents  Von Henry C. Brinker

„Macht hoch die Tür“ gehört zu den großen Adventschorälen und ist aus den Gesängen und Heiligen Messen der Adventszeit nicht wegzudenken. In der aktuellen Ausgabe des „Gotteslob“ findet man es unter Nr. 213.

In seinem Ursprung ist das Werk eng mit dem deutschen Protestantismus verbunden. Sein Text stammt von Georg Weissel (1623), die Melodie von Johann Anastasius Freylinghausen (1704). Schon die musikalische Gestalt drängt nach oben: Der Choral setzt mit einer weiten, offenen Quinte an – ein Öffnen, Weiten und Einladen für die Botschaft des Göttlichen. Die Melodie schreitet in ruhigen Vierteln voran, beinahe prozessionsartig, als zöge der Erlöser selbst durch die geöffneten Tore der Stadt und des Herzens. Der typische barocke Duktus – klar, fest, feierlich – vermittelt Zuversicht und königliche Würde.

Theologisch entfaltet der Text das Königtum Christi, aber nicht im politischen Sinn, sondern als sanfte, heilende Herrschaft, ähnlich wie beim Fest „Christkönig“ vor dem 1. Advent. Christus ist „der Heiland“, „ein König aller Königreich“, vor allem aber „ein König der Ehren“. Damit knüpft der Textdichter an Psalm 24 an, der die Öffnung der Tore für den „König der Herrlichkeit“ besingt. Gott kommt auf den Menschen zu. Aber der Mensch muss offen sein für die Ankunft des Erlösers. Die Tore stehen nicht nur für die Pforten Jerusalems, sondern für die inneren Zugänge des Menschen – Herz und Verstand, die im Glauben zusammenfinden.

Freudige Tonfolge statt Triumphmarsch

Bemerkenswert ist ein allgemeingültiges Ethos, das der Choral ausformuliert. Christus bringt keine Gewalt, sondern „Gerechtigkeit“ und „Sanftmut“. Damit wird der adventliche Erwartungshorizont um eine Botschaft der gelebten Barmherzigkeit erweitert. Erwartung fordert Umkehr, das kommende Reich Gottes ruft nach dem neuen Menschen.

Musikalisch transportiert die Melodie diese Haltung: Statt eines Triumphmarsches erklingt eine gemessen freudige Tonfolge, die einfängt, erbaut und beseelt. Einfachheit und Erhabenheit zugleich machen den Choral zu einem der eingängigsten Adventslieder – tröstend in dunklen Nächten, wegweisend für die Ankunft des Lichts.

„Macht hoch die Tür“ führt liturgische Tiefe, biblische Motivik und musikalische Sprache zu einer adventlichen Geste zusammen.

Der Autor ist Feuilletonist der „Tagespost“.


 

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