Passend zur Adventszeit sprechen die Lesungen des „Gaudete“-Sonntags vom Warten und von der freudigen Erwartung auf das Heil. Noch diesseitig geprägt, stellt Jesaja dem Volk Gottes die Rückkehr nach Zion in Aussicht, die es erwarten soll. Der Jakobusbrief fordert zum geduldigen Warten auf die baldige Ankunft des Herrn auf. Und Johannes der Täufer lässt Jesus fragen, ob er jener sei, auf dessen Kommen das Volk Israel schon so lange wartet.
Was ist der Sinn des Wartens? Zweifellos dient es, rein menschlich gesprochen, der Dramaturgie. Je länger man auf etwas warten muss, umso größer ist die Freude, wenn es eintrifft. Der Adventskalender übt die Kinder in dieses sehnsüchtige Warten ein und lehrt Geduld.
In christlichem Sinn verstanden, bedeutet das Warten aber noch mehr als die Übung der Tugend der Beharrlichkeit. Es ist der heilige Augustinus, der dies in seinem Kommentar zum 1. Johannesbrief (4. Predigt) zum Ausdruck bringt. Er erwähnt zwei Elemente. Das Warten soll zuerst reinigen: „Leere aus, was angefüllt werden soll! Mit Gutem sollst du angefüllt werden, drum gieß das Böse aus! Mit Honig gleichsam will Gott dich anfüllen; wenn du voll Essig bist, wo wirst du den Honig unterbringen?“
Die Adventszeit ist also zuerst einmal eine Zeit der Reinigung, des Entleerens dessen, was sich an Gottwidrigem angesammelt hat. Die Zeit des Wartens soll uns daran erinnern und uns ermutigen, das Kommen der Fülle des Heils durch Reue und Umkehr vorzubereiten.
Die zweite Dimension des Wartens ist die „Weitung“. Damit ich von der Fülle Gottes erfüllt werden kann, muss ich das Gefäß weiten: „Wie du, wenn du einen Raum füllen willst und die Größe der Gabe kennst, die du erhältst, den Rauminhalt des Sackes oder Schlauches oder was es sonst ist, erweiterst und durch die Ausweitung mehr Platz schaffst, so dehnt Gott durch den Aufschub die Sehnsucht und dehnt durch die Sehnsucht das Herz aus, um es durch die Ausdehnung aufnahmefähig zu machen.“
Wie aber soll diese Weitung geschehen? Der heilige Augustinus sagt: „Dies ist unser Leben: in der Sehnsucht uns zu üben. So weit aber üben wir uns in heiliger Sehnsucht, als wir unser Verlangen von der Weltliebe abtrennen.“ Anders formuliert: Je weniger unser Ego und unsere Anhänglichkeit an die diesseitigen Dinge in unserem Herzen Platz beanspruchen, desto mehr Raum gibt es für die Fülle Gottes.
Das geht über die Abkehr von der Sünde hinaus. Es ist das Bemühen der Jünger Jesu, in der Nachfolge Christi auch heute über das Minimum hinauszuwachsen. Der lange Advent unseres Lebens ist die Zeit, die dafür zur Verfügung steht. Im Himmel sind dann alle Gläser voll. Aber sie sind nicht gleich groß.
Jesaja 35, 1–6a.10
Jakobus 5, 7–10
Matthäus 11, 2–11
Zu den Lesungen des 3. Adventssonntags 2025 (Lesejahr A)
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