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Die Wahrheit kommt im Gewand des Humors

C. S. Lewis, der Autor der Narnia-Romane konnte mehr zu Papier bringen als seine gerne gelesenen Romane. Mit "Durchblicke" erscheinen nun weitere ausgewählte Texte des hellsichtigen und begnadeten Autors auch auf Deutsch.
Gedanken von C.S. Lewis
Foto: IN | Gedanken von C.S. Lewis gibt es jetzt in deutscher Erstausgabe.

Alle Welt kennen die Narnia-Romane von C. S. Lewis, und nicht nur Kinder. Auch als Erwachsener taucht man gerne wieder in den Wandschrank ein und stapft durch den Schnee im stillen, gefrorenen Land ...
Als Buch oder als Film begeistern diese Abenteuer jede neue Generation und machen sogar Tolkiens unschlagbarem „Herrn der Ringe“ Konkurrenz. Zum Lesen empfohlen sei ferner Lewis' nicht minder anziehende Perelandra-Trilogie: die Science fiction eines außerterrestrischen Kampfes um Gut und Böse, besonders fantastisch im zweiten Band, wo der Sündenfall auf einem anderen Planeten als auf der Erde verhindert werden soll ...
Groß erzählt, mit reicher Erfindung vorwärtsgetrieben, glänzend theologisch durchdacht.

Dass Lewis ein begnadeter theologischer Autor ist, spielt in diesen Romanen im Hintergrund, wenn auch für den, der das Christentum liebt, klar erkenntlich. Aber seine theologischen Essays seit den 1940er Jahren zeigen eine gedankliche Meisterschaft in der unmittelbaren Auslegung des Evangeliums für eine breite Leserschaft. Berühmt sind seine Ansprachen über das Christentum in BBC, aber auch seine hellsichtige Analyse der „Abschaffung des Menschen“ durch ein volltechnisiertes Leben.

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Endlich: Dem Mangel wird abgeholfen

Umso erstaunlicher ist, dass verschiedene Aufsätze Lewis' immer noch nicht auf Deutsch vorlagen. Dem ist nun abgeholfen mit einem Sammelband ausgewählter Essays, übersetzt von Norbert Feinendegen, dem gegenwärtig wohl besten deutschen C. S. Lewis-Kenner. Seine Einführung und die kenntnisreichen Anmerkungen sind selbst schon ein Gewinn.

Das Buch ist in drei große Kapitel eingeteilt: I. Philosophisch-theologische Durchblicke, II. Geistesgeschichtliche Durchblicke, III. Literaturwissenschaftliche Durchblicke. Stellvertretend seien je einige Themen aus diesen drei Kapiteln hervorgehoben. So locken bereits die Überschriften in Teil I zum Lesen: „Meditation in einem Geräteschuppen“, „Gespräch über das Fahrradfahren“, „Schreckliche rote Dinger“, und dann ernsthafter: „Über die Angst Jesu“, „Gott und das Böse“, „Der Schmerz der Tiere“. Besonders anziehend ist der Essay über „Christliche Wiedervereinigung“, in diesem Fall im Blick eines Anglikaners auf die Katholiken. In einer (nach Chesterton schmeckenden) witzigen Unterscheidung der Hauptvorurteile beider Konfessionen gegeneinander kommt Lewis zu dem Schluss, für einen Laien käme es erstrangig darauf an, über „Christentum schlechthin“ nachzudenken, so tiefgehend wie möglich. Das würde mit der Hilfe Christi die Irrtümer und Wahrheiten der jeweiligen Seite neutralisieren.

„Reiche Kontinuitäten von der Antike zum Mittelalter
und ebenso von dort zur Neuzeit“

Bei den Literatur-Gedanken von Teil III locken zwei Überschriften zum „Herrn der Ringe“ (Lewis war mit Tolkien befreundet) und: „Manchmal sagen Märchen am besten, was man sagen will“, dazu „Drei Weisen, für Kinder zu schreiben“ – was Lewis ja in den Narnia-Büchern großartig vorführte. Doch es geht auch um Science Fiction als Mittel der Verkündigung, um Dichtung, um Psychoanalyse und Literaturkritik (wobei Lewis besonders der Psychoanalyse den Kampf ansagt).

Hervorgehoben sei aber noch eine unglaublich kluge Augenöffnung. Im II. Teil zur Geistesgeschichte erscheint Lewis' Antrittsvorlesung auf dem für ihn errichteten Lehrstuhl für Literatur des Mittelalters und der Renaissance vom 29. November 1954 in Cambridge. Er bestreitet nämlich die gängigen Epochengrenzen, insbesondere den vermeintlichen Neuanfang in der Renaissance, und sieht gleitende, reiche Kontinuitäten von der Antike zum Mittelalter und ebenso von dort zur Neuzeit. Der härteste Epochenbruch sei vielmehr im 20. Jahrhundert geschehen, das den Menschen dem Dienst an der Maschine und ebenso der Zergliederung des Lebendigen, auch des eigenen Lebens, ausgeliefert habe. Damit wurden bisherige kulturelle Welten und ihre stabilen Erfahrungen fast unwiederbringlich verschüttet – vergleichbar dem Aussterben der Dinosaurier.Eine Fundgrube für 

Lewis sieht zwischen Vergil und Jane Austen weniger Distanz als zwischen ihr und Sigmund Freud. Die griechische Ilias und das germanische Hildebrandlied seien sich näher als die Dichtung des 19. Jahrhunderts jener des 20. Jahrhunderts. Ähnliches sei in der modernen Kunst geschehen, so im Kubismus und anderen Zertrümmerungen. Dieser Epochenbruch sei an der Religion überdeutlich geworden. Lewis spricht nicht vom „modernen Heidentum“, in welches sich das Christentum verflüchtige, sondern es stehe ursprünglichen Heiden, die ja an geheimnisvolle göttliche Wesen in der Natur glaubten, weit näher als postchristlichen Ungläubigen., die in der Natur nur eine mechanische Werkstatt sehen. Aufgrund dieses scharfen Bruchs sei der moderne Post-Christ nicht ins Heidentum „zurückgefallen“; „man könnte genauso gut glauben, eine verheiratete Frau gewinne durch Scheidung ihre Jungfräulichkeit zurück“.

Eine Fundgrube tiefen Nach- und Mitdenkens

Eine witzige Anwendung dieser These zeigt Lewis in einer großartigen „Weihnachtspredigt für Heiden“ und in dem meisterhaften kleinen Stück über „Xmas und Christmas“, das er im Stil eines verschollenen Werkes Herodots schreibt. Auf der einen Seite ein erschöpfendes, unverständliches Treiben um einen Tag namens Xmas, dessen Inhalt auch auf den zahllosen, unter Zwang geschriebenen Karten nirgends deutlich wird – auf der anderen Seite ein Fest bei einer Minderheit, die die Geburt eines Gottes feiert… Haben die beiden überhaupt miteinander zu tun?

Kurz: Das Buch ist eine Fundgrube für wunderbar tiefes, gleichwohl unangestrengtes Nachdenken und Mitdenken. Eine Fundgrube für Wahrheit, die im Gewand des Alltags und des Humors daherkommt – leichtfüßig, aber nicht leichtfertig. Diese „Durchblicke“ schaffen Luft zum Atmen. „Die Vergangenheit zu studieren befreit uns tatsächlich von der Gegenwart, von den Idolen unseres eigenen Marktplatzes.“ Aber das Schönste: Die Vergangenheit ist lebensdienlicher als die Gegenwart, und Lewis zeigt sie in ihrer zeitfreien Geltung. Sie ist eben nicht vergangen, nur verdeckt.


C. S. Lewis: Durchblicke. Texte zu Fragen über Glauben, Kultur und Literatur. Ausgewählt, zusammengestellt und übersetzt von Norbert Feinendegen. Fontis-Verlag, Basel 2019, 399 Seiten mit Fotografien, ISBN 978-3-03848-168-3, EUR 18,–

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