Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Zwischen Pest und Cholera

Die AfD ist nach aktuellen Umfragen zur stärksten Partei im Osten angewachsen. Sie kann durch ihre bloße Existenz vernünftige Regierungsbildungen blockieren.
Parteitag AfD-Landesverband Thüringen
Foto: Michael Reichel (dpa) | Björn Höcke, AfD-Landessprecher, hält beim Landesparteitag der Alternative für Deutschland im „Hotel Pfiffelburg“ eine Rede.

„AfD-Schock im Osten“: Ja, die Bild-Zeitung mag es eben gern reißerisch und präsentierte mit dieser Schlagzeile ihren Lesern die neusten Umfrageergebnisse von INSA. Aber die Alarmsirene schrillt völlig zurecht auf. Denn sollten die Werte sich tatsächlich verstetigen, würde es künftig massive Probleme bereiten, funktionierende Mehrheiten in den ostdeutschen Bundesländern zusammenzubekommen. Das haben die Meinungsforscher herausgefunden: Die AfD ist im Osten mit 26 Prozent die stärkste Partei. Auf Rang zwei folgt die CDU mit 23 Prozent. Die SPD liegt bei 20 Prozent, dann folgen die Grünen mit zehn Prozent, die Linken mit neun Prozent und schließlich die FDP mit acht Prozent. 

Keine bündnisfähige Partei

Schaut man in die Runde der Parteien, gibt es keinerlei Strategien, wie man mit diesem Szenario umzugehen hat. Das, was manche, die von stabilen Mehrheiten rechts der Mitte träumen, immer wieder gerne ins Spiel bringen, ist vollkommen unrealistisch: Ein wie auch immer geartetes Bündnis zwischen AfD, CDU und FDP. Sei es in der gescheiterten Thüringer Kemmerich-Variante oder in anderen Planspielen.

Lesen Sie auch:

Die AfD im Osten ist keine bündnisfähige Partei. Sie vertritt mit ihrem ostdeutschen Super-Star Björn Höcke klar völkisches Gedankengut und zeigt durch ihre Anbiederei an Putin nur allzu deutlich, was sie von freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnungen wie der unseren hält. Nämlich nichts. Trotzdem bestimmt sie aber allein durch ihre Existenz die Politik mit. Zwingt sie doch alle anderen Parteien, über alle inhaltlichen Gräben hinweg, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen. 

Solche Not-Bündnisse sind aber nicht, wie es wiederum manche gerne proklamieren, leuchtende Zeichen der wehrhaften Demokratie, weil sich hier sozusagen alle vermeintlich „anständigen“ Parteien gegen den einen bösen Buben vereinigen. Das Gegenteil ist der Fall. Solche „Zwangsehen“ sind letztlich politische Gefängnisse, in denen sich keine der beteiligten Parteien inhaltlich profilieren kann. Damit wird die parlamentarische Demokratie nicht gerade gestärkt. 

Auf die eigenen Stärken besinnen

Was bleibt also? Es ist letztlich eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Patentlösungen gibt es nicht. Doch, vielleicht eine: Die Konsequenz dieser Ergebnisse darf nicht sein, dass nun alle auf die AfD starren wie das Kaninchen vor der Schlange. Alle Parteien müssen sich auf ihre jeweiligen Stärken besinnen. Die CDU muss CDU-Politik machen, die Sozialdemokraten sozialdemokratische, die Grünen grün bleiben und die FDP liberal. Noch gefährlicher wird es nur dann, wenn jede politische Idee vorher darauf abgeklopft wird, ob sie denn nun der AfD schaden oder nützen könnte. Dann wäre jeder politischer Gestaltungsraum weg. Und die AfD, obwohl von aller Regierungsverantwortung frei, würde endgültig zur dominierenden politischen Kraft. 

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Sebastian Sasse Björn Höcke CDU FDP Parlamentarische Demokratie SPD Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

Plauderstunde mit Veganerquote: Was der Regierung zur „Weiterentwicklung der Demokratie“ einfällt, zeugt nicht von Vertrauen in die Regierten
30.07.2023, 05 Uhr
Jakob Ranke

Kirche

Und: Zur Euthanasie „habe ich Macron meine Meinung gesagt.“ – Franziskus ist vom Mittelmeer-Treffen in Marseille zurückgekehrt.
24.09.2023, 11 Uhr
Meldung
Die Theologie des Leibes nach Johannes Paul II. stand im Mittelpunkt einer Tagung im niederösterreichischen Gaming.
24.09.2023, 13 Uhr
Johannes Wieczorek
Deutsche Politiker und kirchliche Vetreter: Das Weltfriedenstreffen von Sant'Egidio in Berlin bleibt nicht folgenlos.
24.09.2023, 07 Uhr
Oliver Gierens
Im letzten Abendmahl hat Jesus seine freiwillige Selbsthingabe vorweggenommen.
23.09.2023, 14 Uhr