Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar zur Lage der AfD

Der Krah-Skandal könnte die AfD spalten

Maximilian Krah gerierte sich bisher als der AfD-Vordenker. Seine Kritiker wurden durch die Parteiführung bisher gedeckelt. Nun könnte es zur Entscheidungsschlacht kommen. Aber der Krah-Flügel ist stark.
Krah und Chrupalla - Wohin geht die AfD?
Foto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON (www.imago-images.de) | Maximilian Krah ist, anders als beispielsweise der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla - ein geschickter Rhetoriker, kann sich eloquent und durchaus witzig präsentieren.

Eine Überschrift, die in diesen Tagen aufhorchen lässt: „Krahs ,Politik von rechts‘ und die Antidemokratie Chinas“. Der dazugehörige Text dazu findet sich aber nicht im Buch eines Politikwissenschaftlers oder in einer Studie des Verfassungsschutzes, er steht ganz oben auf der Homepage des AfD-Bundestagsabgeordneten Norbert Kleinwächter. Und – das ist diesem Fall nicht ganz unwichtig – Kleinwächter hat sie publiziert, bevor der Spionage-Skandal rund um seinen Parteifreund Maximilian Krah und dessen Mitarbeiter die Öffentlichkeit aufgescheucht hat.

Lesen Sie auch:

In seiner Untersuchung seziert Kleinwächter geradezu das politische Denken des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl. Dafür hat Kleinwächter Krahs Programmschrift „Politik von rechts“ genau unter die Lupe genommen. Dieses Buch, versehen mit einem Vorwort von AfD-Nestor Alexander Gauland und von Krah selbstbewusst als „Manifest“ bezeichnet, ist in der Szene eingeschlagen wie eine Bombe. Denn, erschienen im Verlag Antaios aus dem rechten Think-Tank-Imperium rund um das Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek, schien es auf ein Problem zu reagieren, unter dem die AfD stärker leidet als man denkt.

Die Ideologie-Lücke der AfD

Es ist die Ideologie-Lücke. Gewiss, die Umfrage-Werte sind sehr gut, manche in der Partei träumen schon von Regierungsbeteiligungen, aber der AfD fehlt auch im elften Jahr seit ihrer Gründung immer noch ein weltanschaulicher Kern.

Gegen die Versuche von Krah & Co., diese Lücke in ihrem Sinne zu füllen, gibt es aber, wie Kleinwächters Aufsatz zeigt, auch in der Partei Kritik. Und Kleinwächter ist nicht irgendwer. Er trat 2022 gegen Tino Chrupalla in der Wahl um den Bundesvorsitz an. Und unterlag. Kleinwächters Analyse von Krahs Thesen lässt sich auf diese Quintessenz bringen: Krah schließt an Carl Schmitts Freund-Feind Denken an. (Allerdings kann man darüber streiten, ob er den Staatsrechtler tatsächlich verstanden hat. Jedenfalls ist Schmitt in der rechten Szene so etwas wie eine Ikone.) 

Der Feind sei aus Krahs Sicht, so führt Kleinwächter aus, der „woke Westen“ mit seinem „universalen Machtanspruch“. Dem stellten sich aber Staaten wie Russland, vor allem aber auch China, entgegen. Kleinwächter führt dann ziemlich detailliert aus, wie sehr Krah in seiner Argumentation die offizielle Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas aufgreift. 

Die China-Nähe von Krah ist nicht neu

All das zeigt: Die China-Nähe von Krah ist wahrlich nicht neu. Schon gar nicht in seiner eigenen Partei. Kleinwächters öffentliche Kritik ist hier nur das deutliche Beispiel. Nikolaus Fest, der auch für die AfD in Straßburg sitzt, bestätigte nun gegenüber der FAZ, dass Krah schon immer auch im Parlament im Sinne Chinas geredet und auch abgestimmt habe. Die AfD-Europaabgeordnete Sylvia Limmer forderte im Interview mit dem Deutschlandradio den Parteivorstand auf, endlich zu reagieren. Krah soll zwar nicht beim Wahlkampfauftakt in Donaueschingen auftreten. Aber, so machte Limmer deutlich, die übrigens für die Europawahl in ihrer Partei nicht mehr aufgestellt worden ist: Krah sei nicht alleine. Er ist nur der Exponent eines Flügels, der sich am besten als euroasiatische Richtung beschreiben lässt. Klar anti-westlich, gegen das Bündnis mit den USA in der NATO stattdessen wird dort von geopolitischen Freundschaften mit Russland, dem Iran oder eben auch China geträumt. 

Diese Gruppe, die längst keine zu ignorierende Partei-Sekte mehr ist, sondern Anspruch auf die programmatische Führung erhebt, wird sich auch jetzt nicht kampflos geschlagen geben. Ob sie aber tatsächlich reüssieren wird, das liegt nicht nur an dem aktuellen Parteivorstand, sondern auch daran, ob die Kleinwächters, Fests und Limmers diesen innerparteilichen Kampf aufnehmen, ja, ob sie überhaupt noch an einen Sieg glauben.

Werden diese Gegner des Krah-Kurses sich eingestehen, warum die Eurasier so stark werden konnten? Die Ursache für diese schwierige Lage ist die schon genannte ideologische Lücke. Im Gegensatz zu den Bürgerlichen haben Krah & Co. diese Lücke klar erkannt und dann auch gefüllt. Bisher folgte die AfD vor allem der Strategie: Wir sind gegen etwas. Gegen die Euro-Rettungspolitik. Gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Gegen die Energiegesetze der Ampel.

Höcke ist kein Polit-Stratege

Sicher, klar war dabei immer, dass die Partei die möglichst schärfste Gegenposition zum linksliberalen Mainstream formuliert und sich selbst dabei irgendwie als „rechts“ definiert. Aber diese Vorstellung von „rechts“ war weit und letztlich diffus. Spätestens mit dem Abtritt von Jörg Meuthen aber zeigte sich, dass die Gruppe innerhalb der AfD immer stärker geworden ist, die so eine Indifferenz nicht weiter zulassen will. Diese Richtung, repräsentiert vor allem durch Björn Höcke, will eindeutig definieren, was rechts ist. Und kann auch einen theoretischen Überbau dazu präsentieren. Anders als die eher bürgerlich geprägten und eben auch gescheiterten Ex-Vorsitzenden Lucke, Petry und schließlich dann Meuthen, war dieser Gruppe klar, die Macht-Option hängt an einer Ideologie-Option. Das heißt: Nur eine auf einer möglichst klaren weltanschaulichen Basis formulierte Politik-Vision sorgt für eine langfristige Strategie und damit auch für einen dauerhaften Erfolg. 

Und hier kam dann nun Maximilian Krah ins Spiel. Denn wer sollte so eine blaue Politik-Vision formulieren? Irgendwie schien Björn Höcke dazu prädestiniert, auch dank der Dämonisierung durch seine Gegner. So wurde in Höcke mehr hineininterpretiert als an tatsächlicher intellektueller Potenz wirklich vorhanden ist. Höcke ist mehr von romantischer Natur, hält vielleicht gerne leidenschaftliche Reden, stapft aber vermutlich lieber durch den deutschen Wald als langfristige Politik-Strategien auszuhecken.

Ganz anders Krah. Der smarte Jurist, mit einer Vergangenheit in der CDU und Studien an einer US-Uni aus der Efeu-Liga, ist aus anderem Holz geschnitzt. Krah ist ein geschickter Rhetoriker, kann sich eloquent und durchaus witzig präsentieren. Zuletzt konnte man das noch vergangene Woche in dem Format „Jung und Naiv“ erleben. Der „Journalist“ Tilo Jung befragt dort schon seit Jahren Spitzenpolitiker, mit dem Ziel, diese durch naiv wirkende Fragen zu entzaubern. Doch bei Krah geriet er an seinen Grenzen. Geschickt parierte er Jungs Einwürfe und verwandelte das Ganze in eine Werbeveranstaltung für sich. Das Video ging viral. 

Bringt die Spionage-Affäre die Wende?

Mit seinem speziellen Charisma, das zumindest in dieser Politik-Szene wirkt, und der Hilfe von Höckes Truppen, eroberte sich Krah den Spitzenplatz auf der AfD-Liste zur Europawahl. Alles schien bis vor wenigen Tagen darauf hinzudeuten, dass Maximilian Krah der kommende Mann der AfD ist, als Vordenker wie auch als Parteiführer.

Bringt nun die Spionage-Affäre die Wende? Zumindest wird jetzt erkennbar, dass die AfD eigentlich aus zwei Parteien besteht. Wenn der Krah-Flügel weiter an den programmatischen Stellschrauben dreht, müsste der bürgerliche Teil nun beginnen, um die Macht zu kämpfen. Die andere Konsequenz wäre Austritt. Allein gediegene Analysen zu veröffentlich, wie Norbert Kleinwächter auf seiner Homepage, wird jedenfalls nicht ausreichen.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Sebastian Sasse Alexander Gauland Alternative für Deutschland Antidemokratie und Demokratiefeindlichkeit Björn Höcke CDU Carl Schmitt Europawahlen Jörg Meuthen Staatsrechtler Verlag Antaios

Weitere Artikel

Kirche

Der Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz berichtet von der schwierigen Lage der Christen im Heiligen Land und ruft zu Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas auf.
04.05.2024, 10 Uhr
Sebastian Ostritsch
Polemik, Intransparenz und rechtsfreie Räume konterkarieren das Ideal der bischöflichen Communio.
02.05.2024, 21 Uhr
Regina Einig